Vor dem Spiel gegen Hoffenheim am Sonntagabend haben wir uns mit Nikolas Beck von der Rhein-Neckar-Zeitung über die Lage beim Gegner unterhalten.
Rund um den Brustring: Hallo Nikolas und vielen Dank, dass Du Dir wieder Zeit für unsere Fragen nimmst. Die TSG Hoffenheim steht aktuell auf Platz 11, drei Punkte hinter dem VfB. Wie bewertest Du die aktuelle sportliche Lage und was ist in dieser Saison noch für die Mannschaft drin?
Nikolas: Hi Lennart, sehr gerne. Zumal vor solch einem Spiel, das sicherlich unterhaltsam wird. Die TSG hat sich in den letzten Wochen stabilisiert, das enttäuschende Aus in der Europa League gegen Molde erstaunlich gut verkraftet. Die Partien gegen Dortmund, Bremen, Union Berlin und zuletzt den VfL Wolfsburg waren mit zwei Siegen und zwei Remis einigermaßen erfolgreich. Aber neben den Ergebnissen stimmten endlich auch mal die Erlebnisse. Es ist auch das erst Mal, dass die TSG in dieser Runde und damit unter Trainer Sebastian Hoeneß viermal in Folge ungeschlagen blieb. Aktuell steckt man im Mittelfeld fest, klar. Aber lass das Team mal von den nächsten vier Spielen drei gewinnen – dann ist der Europapokal mit Sicherheit wieder in Reichweite. Die Saison ist noch zu jung, um solche Ziele bereits komplett aufzugeben.
Trainer Sebastian Hoeneß stand nach zwischenzeitlich schlechten Ergebnissen in der Kritik. Wo lagen die Problempunkte, wie fest sitzt er Deiner Meinung nach aktuell im Sattel und wie lässt er seine Mannschaft spielen?
Die Problempunkte liegen auf der Hand. Ich glaube, niemand wird widersprechen: Corona und Verletzungen haben kein Team in dieser Saison so gebeutelt wie die TSG. Das war ja gerade in der Anfangszeit im Herbst skurril. Zwischendurch war das ganze Team mal in Quarantäne, insgesamt waren über zehn Spieler infiziert und fielen teilweise deutlich länger als zwei Wochen aus. Das ist natürlich gerade für einen neuen Trainer, der neue Ideen implementieren will und muss, zusammen mit dem dicht gedrängten Terminplan ein richtiger Giftcocktail. Aktuell fällt immer noch praktisch eine ganze Mannschaft verletzt aus. Gegen Wolfsburg waren es alleine sechs (!) Innenverteidiger. Diese besonderen Umstände kann man in Hoffenheim einordnen. Sebastian Hoeneß sitzt daher fest im Sattel, denke ich. Es ist in dieser Spielzeit für einen ambitionierten Klub wie die TSG nun mal auch in Ordnung, wenn man „nur“ Neunter, Zehnter oder Elfter wird. Nur in Abstiegsgefahr sollte man nicht ernsthaft geraten. Nach dem 0:4‑Debakel auf Schalke kam ein bisschen Unruhe rein. Das hat sich allerdings auch schnell wieder gelegt.
Im Winter verpflichtete Hoffenheim Chris Richards leihweihe vom FC Bayern und Georginio Rutter von Stade Rennes. Wie bewertest Du die beiden Neuen aktuell?
Georginio Rutter hat bei seinem Bundesliga-Debüt gegen Bremen sofort getroffen und geriet in die Schlagzeilen. Aber der 18-Jährige ist im stark besetzten Sturm eher ein Mann für die mittelfristige Zukunft. Chris Adams dagegen ist auf Anhieb zum Stammspieler geworden und macht seine Sache hervorragend. Vor allem als Typen tun sie beide der Mannschaft sehr gut.
Kommen wir zum aktuellen Kader. In dem stehen ja auch zwei ehemalige VfBler: Ermin Bicakcic und Sebastian Rudy. Wie läuft es für die beiden?
Ermin Bicakcic hat nach seinem Tor beim Coup gegen Bayern München Ende September hautnah miterleben müssen, wie nah im Profifußball Freud und Leid beieinander liegen. Später im Spiel verletzte er sich schwer am Knie, fällt seither mit einem Kreuzbandriss aus. Aktuell befindet er sich gerade in den Schlusszügen seiner Reha, hofft insgeheim, in dieser Saison noch ein paar Spiele machen zu können. Sebastian Rudy hatte einen durchwachsenen Start in die Spielzeit, nachdem er erneut aus Schalke ausgeliehen wurde. Der Rekordspieler der Hoffenheimer war auch in Fan-Kreisen zeitweise nicht mehr unumstritten. Die Leistungssteigerung der TSG kann man aber ganz gut an Rudy festmachen in den vergangenen Wochen. Er ist inzwischen wieder richtig gut in Form.
Beim Blick auf die Statistik fällt auf, dass Andrej Kramaric, der gerade rechtzeitig zum Hinspiel wieder fit wurde, mit 18 Scorerpunkten eine wichtige Rolle. Ist die Abhängigkeit von seiner Offensivstärke auch ein Problem für die Mannschaft?
Das war es sicherlich, vor allem zu Saisonbeginn. Damals war Kramaric in der Form seines Lebens. Nach seiner Corona-Infektion brauchte auch er ein paar Wochen, um wieder sein altes Level zu erreichen. Dass es vor allem in der Offensive damals haperte, ist sicher kein Zufall gewesen. Mit Kramaric auf dem Feld ist es ein anderes Hoffenheim – dieser Leitsatz gilt noch immer. Mittlerweile haben aber vor allem auch Ihlas Bebou und Christoph Baumgartner ihren Torriecher entdeckt.
Wo siehst Du generell die Hoffenheimer Stärken und Schwächen?
Ein Blick aufs Personal reicht eigentlich, um zu erkennen, dass das Spiel nach vorne die Hoffenheimer Stärke sein muss. Unter Hoeneß hat die Mannschaft vor allem im Umschaltspiel zugelegt. Unter Vorgänger Schreuder war das oft zu statisch, zu vorsichtig. Was sich andererseits wie ein roter Faden durch die Runde gezogen hat, sind bisweilen haarsträubende Abwehr-Schnitzer. „Billige Tore“, nennt das Hoeneß oft. Stellt man die weitestgehend ab und arbeitet an der Chancenverwertung, wären die beiden größten Baustellen geschlossen.
Zum Abschluss: Dein Tipp fürs Spiel?
Wie oben bereits erwähnt, glaube ich an ein unterhaltsames Spiel. Ich biete mal ein 3:3 an… 😉
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