Rund um das Spiel gegen Bielefeld

Krisengipfel im Neckarstadion: Der VfB trifft am Samstag auf den Mitaufsteiger der vergibangenen Saison, die bisher sieglosen Bielefelder. Vor dem Spiel gegen die Arminia sprachen wir mit DSC-Fan Luis (@luisholuch).

Rund um den Brustring: Hallo Luis und vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen nimmst. Erstmal zu Dir, wie bist Du Arminia-Fan geworden?

Luis: Meine Liebe für die Arminia war im wahrsten Sinne des Wortes Liebe auf den ersten Blick. An einem kalten Samstag im Februar 2003 nahm mich mein Vater erstmals mit auf die Alm. Arminia spielte gegen die großen Bayern, die ich vor allem aus der Sportschau kannte und rang ihnen ein 0:0 ab. Das Ergebnis gegen diesen schier übermächtigen Gegner, die Art und Weise wie die Blauen spielten und auch die Atmosphäre im Stadion haben mich beeindruckt. Über die Jahre war ich dann immer wieder mal im Stadion – selbst in den dunklen Drittligazeiten, als sich zwischen 5000 und 8000 Leute freiwillig die Schlachten gegen beispielsweise die Zweitvertretungen wie jene vom VfB antaten. Selbst das Relegationsdrama gegen Darmstadt seinerzeit konnte der Liebe keinen Abbruch tun, im Gegenteil: Seit der Saison 2014/2015 bin ich Dauerkarteninhaber und Mitglied.

Beim letzten Aufeinandertreffen von VfB und DSC sicherte sich die Arminia am letzten Spieltag den Klassenerhalt. Wie wichtig war es für den Verein, nicht direkt wieder abzusteigen?

Die Wichtigkeit dieses unerwarteten Erfolgs lässt sich nur schwierig ausdrücken. Aber sagen wir es mal so: Wenn der Aufstieg dafür gesorgt hat, Bielefeld wieder auf die Fußball-Landkarte zu bringen, so hat der Klassenerhalt sicher dafür gesorgt, dass der Name sobald nicht mehr verschwindet. Das hat sich ja auch an den Neuzugängen bemerkbar gemacht, die anderswo sicher für mehr Geld hätten unterschreiben können. Genauso hat der Klassenerhalt dafür gesorgt, dass man sich nicht davor fürchten musste, von der wirtschaftlichen Sanierung, die ja noch gar nicht so lange zurückliegt, sofort wieder in die roten Zahlen abzurutschen.

Damals hatten wir uns längst aller Abstiegssorgen entledigt, vor dem Spiel am Samstag ist tabellarische Lage bei beiden Vereinen prekär, bei Euch vielleicht noch ein wenig mehr. Hast Du eine Erklärung für den bislang noch sieglosen Saisonstart und wie zuversichtlich bist Du, dass ihr auch in der kommenden Spielzeit noch Bundesliga spielt?

Für jedes dieser zehn Spiele gibt es unterschiedliche Erklärungen. Die Spiele gegen Leverkusen und Dortmund würde ich grundsätzlich ausklammern: Die sind Arminia qualitativ derart überlegen, dass wirklich alles zusammenkommen muss, um dort punkten zu können. Auf der anderen Seite gab es eine Reihe von Spielen wie gegen Freiburg zum Auftakt, Frankfurt, Hoffenheim und sogar jüngst gegen Mainz, wo die Mannschaft viele Torchancen hatte, jedoch im Abschluss nicht präzise genug war, um das Spiel auch ergebnistechnisch auf ihre Seite zu ziehen. Gerade das Mainz-Spiel zeigte ein Dilemma: In der zweiten Halbzeit ist man in den 15 Minuten nach der Pause klar besser, schafft es aber nicht, ein Tor zu erzielen. Mit einem individuellen Fehler kippte dort das Spiel und darunter litten das Selbstvertrauen und auch die Stimmung.
Ich sehe die Liga insgesamt als ähnlich stark an wie vergangene Saison, vielleicht sogar etwas schwächer. Es war aber von vornherein klar, dass es für uns maximal um Platz 15 geht und das bis zum letzten Spieltag. Deswegen gibt es auch trotz der Sieglosserie für mich keinen Grund, jetzt schon am Klassenerhalt zu zweifeln. Klar ist aber auch, dass bald mal ein Erfolgserlebnis her muss, sonst wird die aufkeimende Unruhe weiter wachsen.

Frank Kramer übernahm im Frühjahr, für viele Außenstehende überraschend, das Traineramt von Uwe Neuhaus und führte den DSC wie erwähnt zum Klassenerhalt. Wie zufrieden bist Du mit seiner Arbeit und wie lässt er die Arminia in dieser Saison spielen?

In der vergangenen Saison war die Verpflichtung von Frank Kramer ein echter Glücksgriff. Ohne ihn hätte Arminia den Klassenerhalt vermutlich nicht geschafft. Was mir auch weiterhin gut gefällt ist, dass er sich in jeder Situation vor die Spieler stellt und sie in Schutz nimmt. Die Frage, wie er Arminia spielen lässt, ist aktuell schwieriger zu beantworten denn je. Denn das entpuppt sich jedes Spiel aufs Neue. Bis zum 0:4 gegen Leverkusen am 7. Spieltag war es eine Mischung aus 4-2-3-1 und 4-4-2, was der Mannschaft gut vertraut ist. Gegen den FC Augsburg gab es dann den Wechsel zur Dreier- respektive Fünferkette, der sich bis heute nicht ausgezahlt hat.
Es sind kaum einstudierte Automatismen erkennbar – weder defensiv noch offensiv. Auch eine spielerische Weiterentwicklung sehe ich nur bedingt, es wird noch immer gerne zum langen Ball gegriffen. Das liegt aber auch daran, dass es verhältnismäßig viele Änderungen in den Startformationen gibt und – anders als in der letzten Saison – keine richtige Achse erkennbar ist. Den Vorwurf muss sich Kramer gefallen lassen. Ich habe auch den Eindruck, dass er diese Dinge mittlerweile zu sehr durchdenkt. Er spricht immer noch davon, die beste Konstellation finden zu müssen – Experimente im laufenden Betrieb gehen selten gut und die Bundesliga ist dafür auch nicht der richtige Ort.

Schauen wir mal auf den Kader: Relativ viele Spieler verließen den Verein oder kehrten, wie Ritsu Doan, zu ihren Stammvereinen zurück. Die Neuzugänge kamen größtenteils aus der zweiten Liga, auch von den Absteigern Bremen und Schalke. Wie bewertest Du die Transferaktivitäten von Samir Arabi und wo muss er gegebenenfalls im Winter nachlegen?

Die Personalie Ritsu Doan steht sinnbildlich für das Selbstverständnis des Klubs, nämlich, dass er sich als Ausbildungsverein ansieht. Klar hätte man Doan, der zweifellos ein Ausnahmespieler ist, für viel Geld fest verpflichten können, es wären ansonsten aber kaum Transfers möglich gewesen und er wäre mit Abstand der Top-Verdiener gewesen. Samir Arabi legt sehr viel Wert auf Spieler, die charakterlich und von ihren Fähigkeiten her in die Mannschaft passen. Er hat im Sommer so viel Geld ausgegeben wie noch nie, was er aber auch aufgrund der vielen Abgänge musste.
Grundsätzlich waren auch alle Transfers absolut nachvollziehbar. Janni Serra soll zum Nachfolger von Fabian Klos aufgebaut werden. Mit Andrés Andrade und Guilherme Ramos kamen zwei vielversprechende Innenverteidigertalente, die sicher auch Vorgriffe für den Fall waren, dass Amos Pieper und/oder Joakim Nilsson, deren Verträge beide im Sommer auslaufen, den Verein verlassen. Sebastian Vasiliadis sollte als bundesligatauglicher Abräumer agieren, war jedoch viel länger als erwartet verletzt, sodass sein nachverpflichteter Ersatz Edimilson Fernandes in Erscheinung trat. Auch Robin Hack fügte sich sofort gut ein und wird sicher noch für viel Freude sorgen. Und mit Patrick Wimmer hatte Arabi mal wieder so einen Spieler in petto, den vorher die wenigsten kannten und der weit über jeden Erwartungen spielt. Um diese Spieler wurde Arminia im Hochsommer noch beneidet. Ich habe mich auch über jeden Einzelnen gefreut, wenngleich Florian Krüger derzeit noch etwas untergeht. Man muss sich eben einfach bewusst sein, dass die Mannschaft aktuell mehr aus Bundesliga-Potenzial als wirklicher -Qualität besteht.
Das Einzige, was ich Arabi tatsächlich ankreiden würde, ist das Versäumnis, noch mehr auf Bundesliga-Erfahrung zu setzen. Klar kam mit Alessandro Schöpf ein erfahrener Mann, doch der ist auch von seinem Charakter und der Körpersprache kein Führungsspieler. Deshalb würde ich mir für die Winter-Transferphase einen bundesligaerfahrenen Spieler wünschen, der auch Verantwortung übernehmen kann und will – am besten im zentralen Mittelfeld oder auf der Außenbahn.

Die Arminia hat erst sechs Tore geschossen, für zwei davon war Fabian Klos verantwortlich. Vor wem müssen wir uns am Samstag in Acht nehmen und wo liegen die größten Schwächen der Arminia?

Für mein Dafürhalten ist Patrick Wimmer der torgefährlichste Spieler in unseren Reihen. Er, wie auch Robin Hack, können mit ihren Dribblings und Abschlüssen für Gefahr sorgen. Diese Torgefahr kann Wimmer aber auch nur ausstrahlen, wenn er auf einer Offensivposition spielt und nicht, wenn er Wingback oder gar Rechtsverteidiger spielen muss, wie jüngst gegen Mainz. Auch Bryan Lasme zeigte schon gute Ansätze, er gehört zu den schnellsten Spielern der Liga, ist bisweilen aber zu verspielt.
Die größten Schwächen der Armina sind das eigene Kombinationsspiel und damit verbunden immer wieder auftretende individuelle Fehler. Aber auch Standards sind ein Thema – defensiv wie offensiv. Augsburg hätte ohne die Ecke zum 1:0 an diesem Tag vermutlich kein Tor gegen Arminia geschossen und Mainz erzielte seinen Siegtreffer nach einem Bielefelder Eckball. Das Beispiel verdeutlicht ganz gut, was Arminia-Standards für den Gegner bedeuten. Das ist vor allem deshalb ein Problem, weil mit Ilia Gruev noch während der letzten Saison ein Co-Trainer für diesen Bereich verpflichtet wurde.

Zum Abschluss: Dein Tipp fürs Spiel?

Ein hektisches 1:1, nach dem sich beide Seite fragen, was sie nun damit anfangen sollen.

Titelfoto: © Stuart Franklin/Getty Images

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