Mit einem Heimspiel gegen Augsburg geht der VfB in den Saisonendspurt. Vor dem Duell am Freitagabend haben wir mit FCA-Fan Philip (@tshirtfisch) gesprochen.
Rund um den Brustring: Hallo Philip und vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen nimmst. Zunächst zu Dir: Wie bist Du FCA-Fan geworden?
Philip: Ich komme ursprünglich aus dem Allgäu, einer Region, um die der Profi-Fußball bekanntlich einen großen Bogen macht. Als ich Mitte der 90er Jahre mit Fußball in Berührung kam, gab es um mich herum eigentlich nur Bayern- oder Dortmund-Fans. Ich habe aber zu keinem der beiden Klubs ein besonders inniges Verhältnis entwickeln können. Gegen Ende der 90er entdeckte ich dann, dass auch unterhalb der Bundesliga Fußball gespielt wurde (Hallo, Anstoss 2 Gold!) und hier gab es tatsächlich auch „ambitionierte“ Vereine aus der Nähe. Am Ende also eine recht banale regionale Geschichte. Und dass meine damaligen Lieblingsspieler Bernd Schuster und Kalle Riedle (stammt aus dem Nachbardorf) eine FCA-Vergangenheit hatten, hat auch ein bisschen geholfen.
Die letzten beiden Spielzeiten beendete der FCA auf Platz 15, vor dem 32. Spieltag steht Ihr auf Platz 13 der Tabelle erneut im Abstiegskampf. Was macht Dich zuversichtlich, dass der Verein nächste Saison auch im elften Jahr im Folge erstklassig spielt?
Die Zuversicht könnte ehrlicherweise ein bisschen größer sein. Der FCA hat eine sehr seltsame Saison hinter sich. Obwohl man kein einziges vollends überzeugendes Spiel abgeliefert hat, gab es immer einen ordentlichen Puffer zu den Abstiegsplätzen. Das lag vor allem daran, dass man in der Hinrunde gegen die direkten Konkurrenten jeweils knapp gewonnen oder zumindest nicht verloren hatte. Dazu kamen ungeplante „Bonuspunkte“ gegen Dortmund oder Union Berlin.
Durch die schwachen Auftritte zuletzt, ist es doch noch ganz schön eng geworden. Für den Klassenerhalt fehlen wahrscheinlich mindestens 3 Punkte. Aber ganz offen gestanden: aus spielerischer Sicht wäre der Abstieg nicht einmal unverdient. Hoffnung gibt allein der Trainerwechsel, der aber drei Spieltage vor Schluss reichlich spät kam.
Nach dem 2:3 gegen Köln vor zwei Wochen wurde Heiko Herrlich entlassen und durch Markus Weinzierl ersetzt, dessen letztes Spiel als Trainer ironischerweise die 0:6‑Niederlage des VfB in Augsburg 2019 war. Kannst Du den Schritt nachvollziehen und was sagst Du zur Entscheidung für Weinzierl?
Die Entlassung war überfällig, da die Entwicklung unter Herrlich in eine vollkommen falsche Richtung ging. Er übernahm die Mannschaft in der vergangenen Saison, nachdem Martin Schmidt nach einem 0:2 gegen Bayern gehen musste. In den verbleibenden 9 Spielen holte er 9 Punkte (2 Siege, 3 Unentschieden), aber es war bereits absehbar, dass es in spielerischer Hinsicht nicht vergnügungssteuerpflichtig werden würde.
Nachdem der Kader zur neuen Saison deutlich verstärkt wurde (Caligiuri, Strobl, Gikiewicz), ging es eigentlich nur weiter bergab. Obwohl die Punktausbeute vollkommen in Ordnung war, waren die Auftritte teilweise katastrophal. Der absolute Tiefpunkt war die unterirdische erste Hälfte gegen Köln.
Obwohl Schalker und Stuttgarter amüsiert die Nase über Weinzierl rümpfen, spüre ich im FCA-Umfeld große Erleichterung. Wir verbinden mit ihm letztlich unsere erfolgreichste Zeit in Bundesliga, gekrönt vom Europapokal-Einzug.
Sollte Weinzierl das Ruder nicht mehr herumreißen können: Welche Auswirkungen hätte ein Abstieg für den FCA, gerade auch in Bezug auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie?
Zumeist ist das Dasein als Investoren-Klub eher trist, hat in einer Pandemie aber durchaus Vorteile, da man stabiler dasteht als mancher Konkurrent. Dennoch trifft Corona natürlich auch den FCA ziemlich hart. Seit März 2020 sind Umsatzeinbußen in Höhe von gut 35 Millionen Euro zu verzeichnen, für die laufende Saison wird ein Verlust im einstelligen Millionen-Bereich erwartet. Auch in der kommenden Saison geht der Verein, ganz unabhängig von der Liga, von einem neuerlichen Verlust aus. Bislang kam man allerdings ohne staatliche Hilfen wie Kurzarbeitergeld für die Mitarbeiter oder subventionierte Kredite aus. Auch bei einem Abstieg würde man mit großer Wahrscheinlichkeit einen vernünftigen Etat zusammenbekommen. Ob es damit für einen direkten Wiederaufstieg reichen würde ist in Anbetracht der Konkurrenz in der zweiten Liga zumindest zweifelhaft.
Aktuell stehen mit Carlos Gruezo und Rani Khedira zwei ehemalige VfB-Spieler im Augsburger Kader, wobei es Rani im Sommer nach Köpenick zieht. Wie läuft es für Gruezo bei Euch und wie blickst Du auf Khediras Zeit bei Euch zurück?
In seiner ersten Saison war Gruezo einen großen Teil der Spielzeit verletzt und spielte anschließend unter Martin Schmidt nur einen Nebenrolle. Das änderte sich mit Antritt von Heiko Herrlich. Seither gehörte Gruezo zur Startelf und verpasste nur vier Spiele in der laufenden Saison. Gerade nach dem Karriereende von Daniel Baier im Sommer, wäre seine Eigenschaft als Spieleröffner mit einer sehr ordentlichen Pressingresistenz noch viel wichtiger. In unserem uninspirierten Aufbau mit langen Bällen aus der Innverteidigung heraus, konnte er seine Stärken aber gar nicht einbringen.
Persönlich schmerzt mich der Abgang von Khedira sehr, da ich in ihm in den vergangenen Jahren den logischen Nachfolger für Daniel Baier gesehen hatte. Obwohl seine Entwicklung in letzter Zeit stagnierte (wobei man sagen muss, dass sich keiner unserer Spieler unter Herrlich weiterentwickelt hat), hätte ich eine Verlängerung sehr begrüßt.
Bleiben wir beim Kader. Gesetzt den Fall, der FCA hält die Klasse: Wo muss Stefan Reuter im Sommer nachbessern und was ist finanziell überhaupt möglich?
Da gibt es einige Baustellen. Einen hohen Bedarf haben wir nach dem Abgang von Rani Khedira im zentralen defensiven Mittelfeld. Tobi Strobl hatte in dieser Saison einige wenige ordentliche Spiele, konnte aber nie wirklich überzeugen. Bliebe für diese Position also lediglich Carlos Gruezo.
Sollte Felix Uduokhai im Sommer tatsächlich nach Dortmund wechseln, was sehr wahrscheinlich ist, wird man auch in der Innenverteidigung nachlegen müssen. Der bereits verpflichtete Frederik Winther wird wahrscheinlich noch einige Zeit brauchen, um sich an die Bundesliga zu gewöhnen. Eine andere Option wäre die Rückkehr von Eigengewächs Kevin Danso, der aktuell nach Düsseldorf verliehen ist. Sollte die Fortuna aufsteigen, wird sie mit Sicherheit Interesse an einer dauerhaften Verpflichtung anmelden.
Die Saison hat außerdem gezeigt, dass uns ein spielstarker offensiver Mittelfeldspieler wirklich weiterhelfen würde.
Durch mögliche Abgänge im Sommer könnten sich natürlich schnell weitere Baustellen auftun. Ruben Vargas und Marco Richter sind mögliche Kandidaten.
Zum Spiel am Freitag: Wo liegen in der Endphase der Saison denn die Stärken und Schwächen des FCA? Vor wem muss sich der VfB in Acht nehmen?
Das ist eine schwierige Frage. Vor dem Trainerwechsel lag der Fokus auf einer kompakten Defensive, die in der Regel auch ganz stabil stand, so dass wir selten hohe Niederlagen hinnehmen mussten. Wer gegen den FCA ein Tor erzielen musste, hatte in der Regel wenig Spaß.
Unsere Offensive war dagegen ein Trauerspiel. Kaum eine andere Mannschaft hatte so wenige Torchancen wie der FC Augsburg.
Ich gehe davon aus, dass auch Markus Weinzierl ebenfalls erst einmal auf defensive Stabilität setzen wird. Im Gegensatz zu Heiko Herrlich wird er aber aggressiveres Anlaufen und höheres Pressing verlangen. Sein Augenmerk sollte der VfB vor allem auf Ruben Vargas legen, der in den letzten Spielen einer der wenigen Lichtblicke war.
Sofern er spielen sollte, könnte auch Flo Niederlechner gefährlich werden. Der Weinzierl-Fußball sollte ihm deutlich mehr liegen, so dass er an seine erfolgreiche Zeit unter Schmidt anknüpfen könnte.
Zum Abschluss: Dein Tipp fürs Spiel?
Ich hoffe, dass sich der VfB bereits gedanklich in die Sommerpause verabschiedet hat. Daher gewinnt der FCA mit 2:1.
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