In Leipzig gerät der VfB früh in Unterzahl und nach der Pause auch in Rückstand. Ein Spiel, in dem die Brustringträger außergewöhnlich wenig zu melden haben — mit einer Ausnahme.
Die Auswärtspartie des VfB im nördlichsten Stadtteil Salzburgs: Sie war — man kann es nicht anders sagen — ein Festival der verpassten Chancen. Zuvorderst und vielleicht am einflussreichsten verpasste Naouirou Ahamada die Chance, mit seinem langgestreckten Bein den Ball zu ereichen und traf stattdessen seinen Gegenspieler am Schienbein. An der roten Karte gibt es nichts zu diskutieren, dass die Social Media-Abteilung aus Fuschl direkt von einem “brutalen” Foul schwadronierte, passt allerdings zur allgemeinen Selbstbemitleidung ihrer Follower. Ahamada verpasste aber nicht nur die ohnehin geringe Chance auf den Ball, sondern damit auch die Möglichkeit, sich nach den Spielen gegen München und Wolfsburg erneut gegen einen starken Gegner zu präsentieren. Ob es jugendlicher Übermut war oder einfach schlechtes Timing: Ich hoffe, der Platzverweis und die Sperre hängen ihm nicht allzulang nach, auch in der öffentlichen Wahrnehmung.
Wie auch immer, auch der VfB verpasste durch die frühe Unterzahl eine Chance, nämlich die, dem Favoriten ein Bein zu stellen. Natürlich: Die Wahrscheinlichkeit, dass unsere ersatzgeschwächte Offensive einer der besten Defensivmannschaften der Liga überwindet, ist eher gering. Gleichzeitig bewies aber der Gegner, warum die Stadt Leipzig auf der Meisterschale auch aus sportlichen Gründen weiterhin nur in Verbindung mit Jahreszahlen aus dem frühen 20. Jahrhundert auftauchen sollte: Hatten uns die Bayern sogar in Unterzahl noch hergespielt, verteidigte der VfB in der ersten Halbzeit in letzter Reihe sehr konsequent und konnte sich nach dem Seitenwechsel auf seinen Torwart Gregor Kobel verlassen, so dass die Hausherren von 25 Chancen nur zwei nutzten: 20 Sekunden nach Wiederanpfiff, als die VfB-Defensive nach einer Flanke von rechts unerklärlicherweis — mal wieder — etwas unsortiert wirkte und später, als Dinos Mavropanos mit einer — mal wieder — unglücklichen Defensivaktion einen Elfmeter verursachte. Nicht falsch verstehen: Ich mache weder Ahamada, noch den Abwehrverbund, noch speziell Mavropanos für die Niederlage verantwortlich. Im Zweifelsfall trifft ein Gegner dieser Güteklasse am Ende doch irgendwie. Aber der VfB zeigte sich über weite Strecken des Spiels im Vergleich zur Niederlage gegen Wolfsburg defensiv so verbessert und Gregor Kobel war in so überragender Form, dass ich einen Lucky Punch gegen einen mitunter ziemlich einfallslosen Gegner gerne mitgenommen hätte.
Kein Torschuss, dafür Kobel und Sankoh
Stattdessen gab es: Gar keinen Punch. Der VfB war über weite Strecken des Spiels damit beschäftigt, den Ball vom eigenen Tor fernzuhalten, die wenigen Konterchancen wurden schon im Keim durch gutes Defensivverhalten und ungenaue Pässe erstickt. Und so gab es am Ende für die Brustringträger keinen einzigen Schuss aufs Tor zu verzeichnen, es sei denn, man zählt Wataru Endos Kopfball kurz vor Abpfiff. Mit Sicherheit kein Ruhmesblatt, vor allem nicht für die Mannschaft mit den ligaweit fünftmeisten Torschüssen. Aber in der Kombination aus Unterzahl, verfügbarem Personal und Gegner auch kein Grund zur Besorgnis. Apropos Personal: Neben Gregor “Man of the match” Kobel war sicherlich die Einwechslung von Mo Sankoh, der in der zweiten Mannschaft schon die Regionalliga Südwest das Fürchten gelehrt hatte, das Highlight des Spiels. Ich bin gespannt, wie es mit ihm weitergeht. Der vierten Liga scheint er teilweise spielerisch schon entwachsen, andererseits ist er erst 17 Jahre alt und wird mit Sicherheit noch einiges an Erfahrung und vielleicht auch Physis gewinnen müssen, bevor wir ihn regelmäßig sehen.
Und so wie die Bayern ihre Meisterschaft doch nicht auf dem Sofa feiern konnten, konnte auch der VfB am Sonntag den rechnerischen Klassenerhalt noch nicht formal festzurren. Wobei man sich bei neun Punkten und 29 Toren Vorsprung auf Bielefeld (sollte Hertha alle seine Nachholspiele gewinnen) schon sehr tief ins Polster fallen lassen kann. Ich freue mich auf die letzten drei Spiele gegen Augsburg, Mönchengladbach und eben Bielefeld, nicht nur, weil bei diesen Gegnern nicht automatisch der Würgreiz einsetzt. Nach — angesichts der Gegner nicht überraschenden — vier Niederlagen in Folge kann die Mannschaft noch mit einem positiven Gefühl aus der Saison gehen und die Verantwortlichen die Planungen für die kommende Spielzeit in Ruhe vorantreiben. Und dann ist es nach dieser spät begonnenen und deshalb ununterbrochenen Saison auchal für eine Weile gut mit Fußball. In der Hoffnung, dass wir irgendwann auch wieder in die Stadien können — wenn es sein muss, auch nach Leipzig.
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