Am Samstag tritt der VfB zum ersten Mal seit der Relegation 2019 wieder bei Union Berlin an der Alten Försterei an. Vor dem Spiel sprachen wir mit FCU-Fan Mara (@maramuster).
Rund um den Brustring: Hallo Mara und vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen nimmst. Zunächst zu Dir: Wie bist Du Union-Fan geworden?
Mara: Ich komme ursprünglich aus dem Münsterland habe 2013 in Potsdam angefangen zu studieren und bei den Erstsemester-Tagen mit ein paar Leuten über Fußball geredet. Ich bin in einer Schalker-Familie sozialisiert worden, war aber nie der große Fan. Bei den Kennenlerntagen ging es dann um Fußball und dann fragte mich jemand „willst du mal mit zu Union gehen?“. Das war dann im November 2013 gegen den VfR Ahlen und das Spiel ging verloren. Trotz Niederlage war die Stimmung großartig und das Union-Virus hatte mich dann auch direkt infiziert.
Im zweiten Jahr nach dem Aufstieg steht Union kurz vor Saisonende ganz untypischerweise nicht im Abstiegskampf, sondern in der oberen Tabellenhälfte. Warum hattet Ihr nicht das erwartet schwere zweite Jahr? Und habt Ihr euch Deiner Meinung nach schon in der Liga etabliert?
Das erwartet schwere Jahr ist zum Glück nicht eingetroffen. Der Verein hat mit wenig Geld einen Kader zusammengestellt, der auf dem Platz als Mannschaft harmoniert und einfach funktioniert. Durch eine starke Teamleistung hat man sich aktuell Platz 7 erarbeiten können. Von einem etablierten Erstligisten mag ich an dieser Stelle aber nicht sprechen. Wieso? Die Antwort ist so einfach wie banal und lautet: Geld. Union Berlin steht mit dem Kaderwert von ca. 76 Mio. € aktuell auf Platz 17 unter den 18 Bundesligavereinen (zu Beginn der Saison waren es noch ca. 62 Mio. €). Auch beim durchschnittlichen Marktwert pro Spieler liegt man derzeit auf Platz 17. Augsburg und Freiburg, die mittlerweile als etablierte Erstligisten gelten, weisen Kaderwerte im dreistelligen Millionenbereich auf und ich denke, davon ist Union noch etwas entfernt. Geld ist natürlich nicht alles, dennoch sehe ich den Verein nächstes Jahr wieder mit dem Saisonziel Klassenerhalt.
Eure Saison ist sogar so gut, dass ihr am Ende zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder im Europapokal landen könntet. In Stuttgart sind wir ob dieser Perspektive in der ersten Saison nach dem Wiederaufstieg uneins. Wie geht man in Berlin damit um? Und wo landet der FCU Deiner Meinung nach am Ende?
Zuerst: Conference League ist nicht Europapokal ? Auf der Pressekonferenz am 15.04 hat Urs Fischer tatsächlich das Wort Europa in den Mund genommen und dies damit begründet, dass man auch die nächsten Spiele gewinnen will – so wie man auch vorher jedes Spiel gewinnen wollte. Dazu stünden die Chancen derzeit nicht schlecht, da man Platz 7 erreicht hat und 40 Punkte auf dem Konto stehen. Ich persönlich bin zwiegespalten. Europa ist ohne Zweifel ein Traum, aber in Zeiten der Pandemie und ohne Zuschauer oder Möglichkeit einer Auswärtsfahrt, verzichte ich dann doch lieber. Die nächsten Spiele sind, abgesehen von Werder Bremen, alle gegen Mannschaften der oberen Tabellenhälfte, die zumeist noch um Qualifikation in europäischen Wettbewerben spielen. Das wird ein ziemlich straffes und hartes Restprogramm, daher sehe ich Platz 7 als nur schwer zu verteidigen an. Ich sehe Union am Ende der Saison irgendwo zwischen Platz 9 und 12.
Urs Fischer ist jetzt schon seit drei Jahren in Köpenick Trainer. Wie bewertest Du seine bisherige Arbeit und was glaubst Du, wie er die Mannschaft auf den VfB einstellen wird?
Urs Fischer leistet bei Union wahnsinnig gute Arbeit und hat den Verein fußballerisch fit für die erste Liga gemacht. Diese Entwicklung sieht man auch im Spiel. Letzte Saison spielte man viel über Standards und lange Bälle. Diese Saison geht tatsächlich auch mal etwas aus dem Spiel, dazu verteidigt man souveräner und weniger hektisch. Das mag natürlich auch durch Neuzugänge möglich geworden sein, allerdings sieht man auch bei Spielern wie Robert Andrich, Grischa Prömel oder Marvin Friedrich eine positive Entwicklung. Stuttgart wird ein anstrengendes Spiel werden, da der VfB viel über Tempo kommt. Im Vergleich zum Hinspiel fehlen bei Union Sheraldo Becker und Taiwo Awoniyi in der Offensive – das nimmt natürlich bei Union das Tempo raus. Dafür ist Max Kruse wieder fit. Ich bin gespannt, ob man das 5–3‑2 aus dem Hinspiel übernimmt, denn das hatte eigentlich ganz gut funktioniert – zumindest bis in die Schlussphase.
Schon jetzt ist klar, dass Christopher Lenz im Sommer zu Eintracht Frankfurt wechseln wird. Wo siehst Du noch Veränderungsbedarf im Kader?
Ich gehe davon aus, dass das große Rotieren am Saisonende beginnt, da einige Spieler Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen geweckt haben durch ihre Entwicklung. Julian Ryerson hat in den letzten Spielen übrigens ziemlich gut verdeutlicht, warum man sich um den Abgang von Christopher Lenz weniger Sorgen machen muss als zuerst gedacht. Ich kann mir gut vorstellen, dass Marvin Friedrich den Verein leider verlassen wird oder auch Robert Andrich ein Wechselkandidat ist. Ansonsten sind viele Spieler bei Union ausgeliehen, dazu zählen Awoniyi, Pohjanpalo und Musa. Alle sind Stürmer. Da Anthony Ujah weiterhin leider langezeitverletzt ist, wird es nötig sein insbesondere im Sturm zu verstärken. Auch das Thema Innenverteidigung wird durch den potenziellen Abgang von Marvin Friedrich und Leihspieler Nico Schlotterbeck ein Thema. Ich bin gespannt auf neue Verpflichtungen und Abgänge.
Im aktuellen Kader stehen mit Christian Gentner und Leon Dajaku zwei Ex-VfBler an ganz unterschiedlichen Punkten ihrer Karriere: Der einer eher am Ende, der andere eher am Anfang. Wie läuft es für die beiden?
Christian Gentner bringt viel Erfahrung mit und hat letztes Jahr die Mannschaft beim Klassenerhalt unterstützt. Leon Dajaku hat bisher wenig Einsatzminuten bekommen – ich hoffe, dass sich das für ihn in der nächsten Saison ändert, er sich bei Union weiterentwickeln kann und der Mannschaft hilft. Ansonsten sehe ich hier das Szenario, dass der FC Bayern die Leihe vorzeitig beendet aufgrund mangelnder Spielpraxis. Christian Gentner befindet sich derzeit in Gesprächen mit dem Verein, da sein Vertrag zum Ende der Saison ausläuft. Diese Saison war Gentner leider viel verletzt und hat in den letzten Spielen meist nur durch Einwechslung auf dem Platz gestanden. Ich sehe Gentner aber weiterhin als jemanden an, der die Mannschaft durch Erfahrung auf dem Platz verstärkt und diese an die jüngeren Spieler im Team weitergibt.
Max Kruse hat mit zehn mit Abstand die meisten Tore für Union geschossen. Wie wichtig ist er für die Mannschaft, auch unabhängig von seinen Treffern?
Kurz: Max Kruse tut der Mannschaft gut. Auf dem Platz hat er den Überblick und ist absoluter Führungsspieler, der durch seine große Spielintelligenz den Fußball bei Union bereichert. Dazu reißt er die Mannschaft mit. Ich bin großer Fan von Kruse. Anfangs dachte ich, dass er zu individuell agieren wird, und eventuell Unruhe reinbringt, aber genau das Gegenteil war der Fall. Kruse ist ein absoluter Mannschaftstyp.
Wo siehst Du aktuell die Stärken und wo die Schwächen von Union?
Die Stärken bei Union sehe ich vor allem in der Mannschaft selbst. Das Team harmoniert gut und hat Spaß zusammen Fußball zu spielen. Die größte Schwäche sehe ich in der Chancenverwertung. Diese Saison wurden einige 100%-Chancen vergeben. Aber wie sagte mal jemand: Würden die Stürmer die Dinger alle oder öfter verwandeln, dann würden die nicht bei Union spielen. Was mich sonst positiv überrascht hat, ist dass man diese Saison auch in der Lage ist nach einem Rückstand zurück ins Spiel zu kommen und das Spiel ausgleicht oder gar dreht. Abgesehen von dem Spiel vor kurzem in Frankfurt. Aber auch hier hat man die Mentalität auf dem Platz gemerkt und ich denke, dass diese ein entscheidender Faktor für den aktuellen Tabellenplatz ist.
Zum Abschluss: Dein Tipp fürs Spiel?
Mein Tipp: 2:1 für Union
Titelbild: imago