Punkte sammeln

Der Klas­sen­er­halt ist auch for­mal abge­hakt, es geht ins letz­te Sai­son­drit­tel. Jetzt heißt es: Platz 3 ver­tei­di­gen. Der Sieg gegen Uni­on war ein ers­ter Schritt.

Am Ende zogen sie fast alle nach: Lever­ku­sen schlug Wolfs­burg in Über­zahl, Bay­ern pul­ve­ri­sier­te die Main­zer, der BVB gewann knapp in Bre­men, Leip­zig etwas deut­li­cher gegen Darm­stadt und am Sonn­tag­nach­mit­tag schlug Ein­racht Frank­furt den kom­men­den VfB-Geg­ner aus Hof­fen­heim. Gera­de das letz­te Ergeb­nis ist aus unse­rer Sicht ziem­lich bemer­kens­wert. Denn wäh­rend die Kon­kur­renz im an der Tabel­len­spit­ze die Abstän­de zum VfB wahr­te, ste­hen wir nach die­sem Wochen­en­de unglaub­li­che 20 Punk­te vor einem mög­li­cher­wei­se nicht-euro­päi­schen Platz. Bedeu­tet: Mit zwei wei­te­ren Sie­gen aus den nächs­ten bei­den Spie­len gegen Hof­fen­hei­mer mit zwei gesperr­ten Innen­ver­tei­di­gern und Hei­den­hei­mern zu Gast im Neckar­sta­di­on könn­te der VfB bereits an Ostern die Rück­kehr in den Euro­pa­po­kal fei­ern. Jeg­li­che Auf­er­ste­hungs-Wort­spie­le erspa­re ich Euch.

The club formerly known as Angstgegner

Man merkt schon: Der Fokus hat sich mit den Zie­len geän­dert. Für die Mann­schaft mit dem Brust­ring geht es jetzt zuvor­derst ums Punk­te sam­meln, um den Ver­gleich Vor­sprung mit zu ver­ge­ben­den Punk­ten. Natür­lich geht es schon seit Sai­son­be­ginn um Punk­te, mitt­ler­wei­le legt der VfB aber dabei einen Prag­ma­tis­mus an den Tag, der einen jede Woche erstaunt zurück­lässt. Posi­tiv erstaunt selbst­ver­ständ­lich. Gegen Uni­on, the club form­er­ly known as Angst­geg­ner, lie­ßen die Brust­ring­trä­ger Ball und Geg­ner lau­fen, erlaub­ten sich zwar ein paar Nach­läs­sig­kei­ten, sieg­ten aber am Ende nach Toren von Gui­ras­sy und Füh­rich und spiel­ten dabei end­lich mal wie­der zu Null. Ein Steck­pass von Kara­zor, der Tor­rie­cher von Gui­ras­sy und der fei­ne Fuß von Füh­rich ent­schie­den ein Spiel, dass auf dem Papier ein­sei­ti­ger aus­sah, als es eigent­lich war, das aber den­noch ver­dien­ter­ma­ßen an den VfB ging.

Sicher: Es hät­te sich nie­mand wun­dern dür­fen, wenn wir auch in die­sem Spiel ein Gegen­tor kas­siert hät­ten. Ver­tes­sen und Schä­fer zeig­ten, dass das nicht mehr das rela­tiv harm­lo­se Uni­on der Hin­run­de war. Aber wie schon in der Vor­wo­che war der VfB ein­fach qua­li­ta­tiv bes­ser, kaschier­te auch die ver­let­zungs­be­dingt 45-minü­ti­ge Pau­se sei­nes Kapi­täns und hat­te das Kon­zept des Geg­ners — har­te Gang­art und hohe Bäl­le hin­ters Pres­sing — rela­tiv schnell durch­schaut und größ­ten­teils neu­tra­li­siert — Aus­nah­men bestä­ti­gen die Regel. Nach Füh­richs sehens­wer­tem Tref­fer zum End­stand nahm sich Uni­on dann kom­plett aus dem Spiel, als Schä­fer sich eine ver­tret­ba­re rote Kar­te ein­han­del­te. Viel­leicht hät­te mit einer etwas strin­gen­te­ren Spiel­lei­tung der ein oder ande­re auf dem Feld schon vor­her eine gel­be Kar­te gese­hen, Robert Schrö­der behielt sein Werk­zeug jedoch lan­ge bei sich und pack­te dann den gro­ßen Ham­mer aus. Sei es drum, das Spiel war da eigent­lich schon ent­schie­den.

Kein Spektakel auf der Zielgeraden

Es ist kei­ne Spek­ta­kel mehr, das der VfB bie­tet, eigent­lich schon seit Wochen nicht mehr. Die zuneh­men­den Bles­su­ren — gute Bes­se­rung an die­ser Stel­le an Antho­ny Rou­ault, des­sen Gesicht in die­ser Sai­son ordent­lich mit­ge­nom­men wird — tun genau­so etwas dazu wie die Tat­sa­che, dass Mann­schaf­ten wie bei­spiels­wei­se Köln mit dem Rücken zur Wand ste­hen und auch Uni­on oder Wolfs­burg ihr rela­tiv kom­for­ta­bles Pols­ter nicht ver­lie­ren wol­len. Klar ist, dass die Mann­schaft auch in der Lage sein muss, wie­der ein biss­chen anzu­zie­hen, wenn sie stär­ke­ren Offen­siv­rei­hen als jener des dritt­schwächs­ten Angriffs der Liga gegen­über ste­hen wird. Die Erfah­rung lehrt, dass sie das sein wird,  aber war­um soll­te man bei 70 Pro­zent Ball­be­sitz und mehr als dop­pelt so viel gespiel­ten Päs­sen mit einer Erfolgs­quo­te von mehr als 90 Pro­zent auch mehr machen als die zwei Tore, die eben zum Sieg reich­ten?

Wir bie­gen auf die Ziel­ge­ra­de der Sai­son ein und die Träu­me, die wir seit Herbst hegen, wer­den immer kon­kre­ter. Es ist fast ein biss­chen scha­de, dass die­se gran­dio­se Sai­son in zwei Mona­ten und neun Spie­len schon wie­der Geschich­te ist, aber wir wol­len natür­lich auch die Ern­te die­ser unglaub­li­chen Leis­tun­gen ein­fah­ren. Dafür gilt es jetzt die Wei­chen zu stel­len. Mit der Ver­trags­ver­län­ge­rung von Sebas­ti­an Hoe­neß hat man das bereits getan, auch für wich­ti­ge Spie­ler wie Nübel oder Undav scheint es, abhän­gig von den Euro­pa­po­kal-Erlö­sen, gewis­se Sze­na­ri­en zu geben. Span­nend wird der Trans­fer­som­mer trotz­dem. Weni­ger pro­fes­sio­nell geht es eine Ebe­ne höher zu. Noch immer hat der VfB sich nicht fest­ge­legt, wie sport­li­che Struk­tu­ren in Zukunft ohne einen Alex­an­der Wehr­le in Dop­pel­funk­ti­on aus­se­hen könn­te. Seit Sep­tem­ber 2021 stol­pert man bei der Beset­zung des Sport­vor­stands-Pos­ten von einer Ver­le­gen­heit in die nächs­te. Erst pro­vo­zier­te man, dass Mislin­tat Car­los Ubi­na sein Leid klag­te, über­gab dann kur­zer­hand Alex­an­der Wehr­le bei­de Ämter von Tho­mas Hitzl­sper­ger und führ­te die­se Kon­stel­la­ti­on fort, als Fabi­an Wohl­ge­muth Mislin­tat als Sport­di­rek­tor ersetz­te. Hat man sich Gedan­ken gemacht, ob es über­haupt die Kom­bi­na­ti­on aus Vor­stand und Direk­tor braucht, die ja nur geschaf­fen wur­de, weil Hitzl­sper­ger eben kein Kader­pla­ner war? Ist die Per­so­nalagen­tur ihr Geld wert, wenn sie schein­bar stän­dig nur Namen von Per­so­nen aus­spuckt, die die­sen und/oder ande­re Kar­ren in der Ver­gan­gen­heit bereits an die Wand gefah­ren haben? Muss sich Wohl­ge­muth am Ende wei­ter­hin mit einem Sport­vor­stand arran­gie­ren, der einen Trai­ner aus längst ver­gan­ge­nen Zei­ten zurück­hol­te und sich äußerst schwer tat, die­sen Schritt als Feh­ler zu erken­nen und zu benen­nen?

Kurven stabil, Übergriffe nicht

Wis­sen wir alles nicht, denn zur Beset­zung stra­te­gisch wich­ti­ger Pos­ten schweigt man sich in Bad Cannstatt der­zeit vor­nehm­lich aus, das halb­ga­re und nichts­sa­gen­de State­ment vom Diens­tag mal außen vor gelas­sen. Wäh­rend die Som­mer­pau­se immer näher rückt, ver­sucht man sich im Auf­sichts­rat und im Prä­si­di­al­aus­schuss dar­an zu erin­nern, was man wem wie ver­spro­chen hat. Man kann sich der For­de­rung des Com­man­do Cannstatt nur anschlie­ßen:

https://x.com/ron_mrz/status/1766201841480610084?s=20

Womit ich noch kurz, auch ange­sichts des recht unauf­ge­reg­ten Heim­siegs, zu ein paar wei­te­ren nicht-sport­li­chen Aspek­ten kom­men möch­te. Nicht nur, dass ich in der Kur­ve zufäl­lig ein paar Leser und Hörer tref­fen durf­te, was mich sehr gefreut hat. Die eige­ne Kur­ve brach­te das The­ma Auf­sichts­rats­vor­sitz per­fekt auf den Punkt und die Gäs­te lie­fer­ten für die­se aus Fan­sicht unsäg­li­che Anstoß­zeit einen ziem­lich sta­bi­len Auf­tritt ab. Cha­peau. Weni­ger sta­bil ist, was sich wie­der Mal, nicht zum ers­ten Mal und ich fürch­te auch nicht zum letz­ten Mal im Umfeld eines VfB-Spiels zutrug — dies­mal am teil­wei­se chao­tisch orga­ni­sier­ten Ein­lass. Nach­dem der VfB in der Ver­gan­gen­heit schon Sta­di­on­ver­bo­te wegen ras­sis­ti­schen und anti­se­mi­ti­schen Über­grif­fen aus­spre­chen muss­te, kam es dies­mal zu sexu­el­len Über­grif­fen gegen­über Frau­en. Um es mal ganz klar zu sagen: Wer meint, er müs­se im Schutz der Mas­se und Anony­mi­tät, ande­re Men­schen angrei­fen, beläs­ti­gen, über­grif­fig wer­den kurz: dafür sor­gen, dass der Sta­di­on­be­such für sie mit Angst, Wut und Unsi­cher­heit ver­bun­den ist, der hat beim VfB und im Neckar­sta­di­on nichts zu suchen. Und auch sonst nir­gends!

An die­ser Stel­le noch­mal der Hin­weis aufs Däch­le und das Hil­fe­te­le­fon.

Zum Wei­ter­le­sen: Stuttgart.international sieht den VfB beim nächs­ten Schritt, der Ver­ti­kal­pass ruft das Sai­son­ziel Cham­pi­ons League aus.

Titel­bild: © Chris­ti­an Kas­par-Bart­ke/­Get­ty Images

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