Rund um den nächsten Gegner: Im Gespräch mit Union-Fan Sebastian

Nach dem hart erar­bei­te­ten Sieg Wolfs­burg kommt mit Uni­on der nächs­te unan­ge­neh­me Geg­ner. Wie es unse­rem vor­letz­ten Rele­ga­ti­ons­geg­ner geht, ver­rät uns Uni­on Ber­lin-Fan Sebas­ti­an.

Rund um den Brust­ring: Zual­ler­erst: Wie läuft die Sai­son bei euch?

Sebas­ti­an: Am letz­ten Spiel­tag der Vor­sai­son, als sen­sa­tio­nell die Qua­li­fi­ka­ti­on für die Cham­pi­ons League erreicht wur­de, gab es auf der Wald­sei­te ein Ban­ner: „Wat ´ne Sai­son, da kanns­te echt nich´ meckern!“ Ana­log dazu wür­de ich zu die­ser Sai­son sagen: „Könn­te bes­ser lau­fen.“ Aber auch wenn der Sai­son­ver­lauf deut­lich hin­ter dem zurück­ge­blie­ben ist, was man auf Grund der Trans­fers und der Inves­ti­tio­nen hät­te ver­mu­ten und erwar­ten kön­nen, muss man das gan­ze auch ein­ord­nen. In den vori­gen Sai­sons wur­de zum Teil deut­lich über­per­formt, und es war auch klar, dass das nicht ewig so unge­bremst wei­ter­ge­hen konn­te. Der Leis­tungs­ab­fall war dann doch über­ra­schend hef­tig und stellt mei­ner Mei­nung nach auch nicht das rea­le Leis­tungs­ni­veau dar. Trotz­dem spielt Uni­on jetzt in sei­ner fünf­ten Sai­son in der Bun­des­li­ga und durf­te 6 Spie­le in der Cham­pi­ons League bestrei­ten. Für jeman­den wie mich, der in der 4. Liga Uni­on-Fan wur­de, oder Leu­te, die viel­leicht schon seit der DDR dabei sind, ist das immer noch ein unfass­ba­rer Wahn­sinn. Uns scheint nach wie vor an jedem Spiel­tag das Zen­trum des Uni­ver­sums aus dem Rek­tum und wenn wir die Klas­se hal­ten kön­nen, bin ich mit der Sai­son sehr zufrie­den.

Nach zuletzt vier erfolg­rei­chen Jah­ren mit Cham­pi­ons League als Höhe­punkt ist man die­se Sai­son zum Teil im Abstiegs­kampf gewe­sen. Wor­an hat es gele­gen?

Kur­ze Fra­ge, lan­ge Ant­wort. Zunächst ein­mal muss man fest­hal­ten, dass seit dem Auf­stieg 2019 der Abstiegs­kampf das war, was für Uni­on erwart­bar war. Das erneu­te Sai­son­ziel „Klas­sen­er­halt“ wur­de ja allent­hal­ben belä­chelt, aber genau das ist das Selbst­ver­ständ­nis des Ver­eins. Dafür, dass so ein Ver­ein es bis in die Cham­pi­ons League schafft, muss­ten aber bestimm­te Fak­to­ren zusam­men­kom­men, was in die­ser Sai­son nicht mehr der Fall war.

1. Vor­be­rei­tung und Ver­let­zun­gen Die Qua­li­fi­ka­ti­on für die Cham­pi­ons League stand erst spät fest und die Trans­fers zogen sich teils sehr lan­ge. Dadurch war die Inte­gra­ti­on neu­er Spie­ler nicht so mög­lich wie sonst üblich bei Uni­on. Für ein Team, das sehr über den Ver­bund kommt, ist das nicht zu unter­schät­zen. Dazu kamen eini­ge Ver­let­zun­gen, unter ande­rem der Ach­se Robin Kno­che und Rani Khe­di­ra, die extrem wich­tig für die defen­si­ve Sta­bi­li­tät ist. Leo­nar­do Bonuc­ci muss­te bereits sehr früh in der Abwehr aus­hel­fen und hat­te nur wenig Zeit zur Anpas­sung.

2. Eigen­dy­na­mik In den ers­ten bei­den Sai­son­spie­len war die feh­len­de Abstim­mung schon deut­lich zu sehen, aller­dings stimm­ten da noch die Ergeb­nis­se. Uni­on war da sogar noch Tabel­len­füh­rer! Nach der Län­der­spiel­pau­se kam dann das Heim­spiel gegen den roten Brau­se­la­den, als sich erst Kevin Voll­and eine völ­lig unnö­ti­ge rote Kar­te leis­te­te und der Geg­ner kurz danach sehr glück­lich in Füh­rung ging. Am Ende wur­de deut­lich ver­lo­ren. Seit die­sem Spiel geriet die Mann­schaft in einen Nega­tiv­stru­del, aus dem sie sich nicht mehr befrei­en konn­te. Kaum ein Spie­ler erreich­te noch sei­ne Form, das war schwer mit anzu­se­hen.

3. Men­ta­le Insta­bi­li­tät Ins­be­son­de­re die spä­ten Gegen­to­re, gera­de in der Cham­pi­ons League, waren Gift für die ange­schla­ge­ne Psy­che. In Madrid gab es einen groß­ar­ti­gen Kampf, aber ein spä­tes Gegen­tor in der 94. Minu­te. Noch schlim­mer war es im Aus­wärts-Heim­spiel gegen Bra­ga, als es schon eine 2–0 Füh­rung gab, aber trotz­dem noch durch ein Gegen­tor, erneut in der 94. Minu­te, mit 2–3 ver­lo­ren wur­de. Statt einem Erfolgs­er­leb­nis, aus dem man auch für die Liga hät­te Mut schöp­fen kön­nen, war das ein Nacken­schlag, von dem man sich nicht mehr erho­len konn­te.

4. Anfäl­li­ge Defen­si­ve, schwa­che Offen­si­ve Manch­mal ist es so ein­fach im Fuß­ball: Es wur­den zu vie­le Tore kas­siert und zu weni­ge geschos­sen. Die Erfolgs­ba­sis einer sta­bi­len Defen­si­ve brö­ckel­te, die Abwehr war anfäl­li­ger als üblich, Kon­ter­an­grif­fe wur­den viel schlech­ter aus­ge­spielt als in den Vor­jah­ren, auch Stan­dards waren nicht mehr die star­ke Waf­fe wie in den Vor­jah­ren. Und das, obwohl das Per­so­nal zum Groß­teil das­sel­be ist. Die Neu­ver­pflich­tun­gen deu­te­ten auf den Plan hin, dass auch im Ball­be­sitz mehr Qua­li­tät ent­wi­ckelt wer­den soll­te. Geklappt hat das lei­der nicht.

Erfolgs­trai­ner Urs Fischer muss­te nach einem schwa­chen Sai­son­start gehen, schmerzt die Tren­nung noch sehr oder ist man nach­dem Sai­son­start doch froh über die Tren­nung?

Die Tren­nung schmerzt alle Betei­lig­ten unend­lich. Es zer­reißt einem das Herz zu sehen, wie die­ses beson­de­re Trai­ner­team einem Nega­tiv­lauf zum Opfer wur­de, gegen den es sich mit allen Mit­teln ver­sucht hat zu weh­ren, aber letzt­lich macht­los war. In die­ser Pha­se hät­te wohl kein Trai­ner der Welt die­se Situa­ti­on ver­hin­dern kön­nen und die Tren­nung war unum­gäng­lich. Da Fischer am Ende auch selbst zum Schluss kam, dass es nicht mehr wei­ter­geht, respek­tie­ren alle die­se Ent­schei­dung und ich freue mich für ihn, dass die­se schwe­re Zeit vor­bei ist und er sei­ne Erfol­ge genie­ßen kann. Was mich als Fan sehr gefreut hat, war die Art, wie die­se Tren­nung voll­zo­gen und kom­mu­ni­ziert wur­de. Das war alles von sehr viel Dank­bar­keit, Anstand und Respekt geprägt. Ich fin­de, auf die­sen Umgang mit­ein­an­der in einer schwie­ri­gen Situa­ti­on kann man genau­so stolz sein wie auf die gemein­sa­men Erfol­ge zuvor.

Was unter­schei­det Nenad Bje­li­ca von Urs Fischer?

Gefühlt alles. Fischers Cre­do waren mensch­lich Empa­thie und tak­tisch die Per­fek­ti­on der Basics, vor allem defen­siv, in einem 3–5‑2 Sys­tem. Bje­li­ca erscheint mir dage­gen eher wie ein Typ der alten Schu­le. Er bewer­tet allein die Leis­tung der Spie­ler und will tak­tisch vor allem schnel­les, direk­tes Offen­siv­spiel, bevor­zugt mit Vie­rer­ket­te und offen­si­ven Außen­spie­lern. Aller­dings hat er kein Kon­zept prä­sen­tiert, wie er das errei­chen und umset­zen will.

Wie wür­dest Du Euren Fuß­ball beschrei­ben? Was sind die Stär­ken und Schwä­chen?

Wer sich eben gewun­dert hat, was die­se Beschrei­bung mit der Rea­li­tät zu tun hat, kann in etwa nach­voll­zie­hen, wie sich Uni­on­fans aktu­ell mit Bje­li­ca füh­len. Den voll­mun­di­gen Ankün­di­gun­gen eines schnör­kel­lo­sen Offen­siv­fuß­balls mit vie­len Abschlüs­sen ist nichts gefolgt, was ansatz­wei­se danach aus­sah. Die Vie­rer­ket­te wur­de bereits wie­der ver­wor­fen und es wird wei­ter­hin oft mit 2 Spit­zen gespielt anstatt mit Flü­gel­stür­mern. Was sich unter Bje­li­ca ver­bes­sert hat, ist das Defen­si­ve­r­hal­ten mit deut­lich weni­ger Gegen­to­ren. Und die Ergeb­nis­se. Auch des­halb ist es nach­voll­zieh­bar, dass er von sei­ner Phi­lo­so­phie schnell wie­der abge­wi­chen ist und wei­ter­hin das macht, was eini­ger­ma­ßen zu funk­tio­nie­ren scheint, sowohl tak­tisch als auch per­so­nell. Daher sieht der­zeit alles wie­der etwas wie unter Fischer aus. Was nach wie vor fehlt, ist ein kla­rer Plan, wie man im eige­nen Ball­be­sitz ver­läss­lich zu guten Tor­ab­schlüs­sen kom­men will. Soll­te der Klas­sen­er­halt geschafft wer­den, ist das auch Bje­li­cas Ver­dienst. Für eine gemein­sa­me Zukunft über die Sai­son hin­aus muss aber auch eine spie­le­ri­sche und tak­ti­sche Ent­wick­lung sicht­bar wer­den. Auch dass er, der auf Dis­zi­plin so viel Wert legt, die­se beim Spiel in Mün­chen selbst ver­mis­sen ließ, spricht nicht für ihn, gera­de in einer Vor­bild­funk­ti­on.

Der VfB ist bekannt für sei­nen Ball­be­sitz­fuß­ball. Kommt man gegen sol­che Teams klar oder ist das kein gutes Match-Up für die Eiser­nen?

In den letz­ten Sai­sons war das durch­aus ein Fak­tor, wobei Uni­on dann eher Pro­ble­me bekam, wenn man selbst mehr in Ball­be­sitz gefor­dert war. Aktu­ell ist die Spiel­wei­se des Geg­ners für mich aber eher nach­ran­gig. Ent­schei­den­der ist, ob man das eige­ne Spiel irgend­wie ver­bes­sert bekommt.

Wel­cher ist bis jetzt der Uni­on Spie­ler der Sai­son für dich?

In einer sol­chen Sai­son ist es schwie­rig, so eine Bewer­tung zu ver­ge­ben. Seit András Schä­fer wie­der fit ist und regel­mä­ßig spielt, hat er gezeigt, war­um er so wahn­sin­nig wich­tig für das Team ist. Außer­dem spielt Fre­de­rik Røn­now nach wie vor her­aus­ra­gend und kommt dabei oft viel zu schlecht weg.

Mit Bene­dict Hol­ler­bach spielt ein ehe­ma­li­ger VfB-Jugend­spie­ler an der Alten Förs­te­rei. Wie läuft es bis jetzt für unse­ren ehe­ma­li­gen jun­gen Wil­den?

Hol­ler­bach ist neben Tous­art einer der Spie­ler, die vom Trai­ner­wech­sel ein­deu­tig pro­fi­tiert haben. Nach­dem er zu Sai­son­be­ginn kaum Ein­satz­zei­ten hat­te, ist er aktu­ell gesetzt und hat das teil­wei­se auch mit guten Leis­tun­gen bestä­tigt. Zur Wahr­heit gehört aber natür­lich auch, dass die in der Hin­run­de gesetz­ten Stür­mer Becker und Beh­rens den Ver­ein in der Win­ter­pau­se ver­las­sen haben. Trotz­dem hat Hol­ler­bach sei­ne Chan­ce gut genutzt. Mir per­sön­lich ist er oft noch zu eigen­sin­nig und über­mü­tig, gera­de im Dribb­ling, und er muss auch noch an der Ent­schei­dungs­fin­dung arbei­ten. Dazu hat sein geräusch­vol­ler Wech­sel letz­ten Som­mer bei mir kei­nen guten Ein­druck hin­ter­las­sen. Cha­rak­ter­lich passt er mei­ner Mei­nung nach über­haupt nicht zu Uni­on. Sport­lich hat er sich aber aktu­ell bewährt, das muss man ihm zuge­ste­hen.

Wie ist dein Gefühl für das Spiel? Was tippst du?

Mein Gefühl ist kein all­zu gutes. Es braucht es nicht viel Fan­ta­sie um fest­zu­stel­len, dass es sehr schwer wird für Uni­on und ein Heim­sieg wahr­schein­lich ist. Die Sai­son vom VfB läuft extrem gut, der Kader hat eine hohe indi­vi­du­el­le Klas­se und auch die Form spricht für Stutt­gart. Aber Uni­on hat in den letz­ten Spie­len auch gezeigt, dass man eklig sein und es dem Geg­ner schwer machen kann. Auch gegen Dort­mund wäre etwas mehr drin gewe­sen. Am Ende könn­te ich mit einem Unent­schie­den sehr gut leben.

Vie­len Dank!

Ger­ne.

Titel­bild: © Maja Hitij/Getty Images

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