On the run

Nach drei wech­sel­haf­ten Jah­ren kehrt Nico­las Gon­za­lez dem VfB den Rücken. Von einem, der es erstaun­lich lan­ge hier aus­ge­hal­ten hat.


Hach, was waren das für Zei­ten. Erst stell­te Micha­el Resch­ke kurz nach dem 4:1‑Sieg in Mün­chen fünf Spie­ler auf einen Schlag vor, dann ver­kün­de­te er neben dem Wech­sel sei­nes Schütz­lings Gon­za­lo Cas­tro auch die Heim­kehr des ver­lo­re­nen Sohns namens Dani­el Dida­vi und schließ­lich stell­te er uns einen 20jährigen Stür­mer aus Argen­ti­ni­en vor, den er von Die­go Mara­dona Jugend­club für ein paar Mil­lio­nen ver­pflich­tet hat­te. Wir wür­den, Becken­bau­er-voice, auf Jah­re unschlag­bar sein, schließ­lich hat­ten wir vom nach dem Auf­stieg und der anschlie­ßen­den Aus­glie­de­rung erhal­ten Geld sat­te 30 Mil­lio­nen Euro für Neu­zu­gän­ge aus­ge­ge­ben.

Von spätzündenden Perlen 

Nun­ja. Man muss Micha­el Resch­ke zugu­te hal­ten, dass die Ver­pflich­tun­gen die­ses Som­mers nicht per se schlecht waren — er war nur ein­fach nicht in der Lage, einen Trai­ner zu ver­pflich­ten, der etwas mit ihnen anfan­gen konn­te. Und so ern­tet der VfB spät die Erlö­se der Per­len, nach denen der Mischa damals getaucht ist. Sicher­lich: Für Dida­vi und Cas­tro muss­te er nicht mal den Schnor­chel aus­pa­cken, David Kopacz ist unlängst mit Würz­burg aus der zwei­ten Bun­des­li­ga abge­stie­gen und für Rekord­trans­fer Pablo Maf­feo suchen wir wei­ter hän­de­rin­gend nach einem Ver­ein, der sich in der ers­ten spa­ni­schen Liga hal­ten kann. Aber Marc Oli­ver Kempf könn­te den VfB in die­sem Som­mer für eine pas­sa­ble Ablö­se­sum­me ver­las­sen, Bor­na Sosa hat sich nur durch Unkennt­nis der Sta­tu­ten um eine EM-Teil­nah­me gebracht und Nicolás Gon­za­lez?

Der stand zuletzt neben Lio­nel Mes­si bei der Copa auf dem Platz und wird in der kom­men­den Sai­son das Tri­kot der Fio­ren­ti­na tra­gen — egal, was Scott McCormack sagt.

Dass Gon­za­lez es beim VfB so weit gebracht hat, ist in der Rück­schau nicht selbst­ver­ständ­lich. Denn die ers­te Sai­son im Brust­ring ging ordent­lich in die Hose: 30 Spie­le unter drei ver­schie­de­nen Trai­nern mit der mick­ri­gen Bilanz von zwei Toren und drei Assists. Stets bemüht, sel­ten erfolg­reich und dann war da noch der Frei­stoß von Den­nis Aogo an der Alten Förs­te­rei. Ver­gisst man mal kurz die kol­por­tier­te Ablö­se­sum­me von über acht Mil­lio­nen, kann man Gon­za­lez nicht ver­den­ken, dass er, wie er spä­ter zugab, nach dem Abstieg nur eines woll­te: weg.

Großer Anteil am Wiederaufstieg 

27 Zweit­li­ga­spie­len, 14 Tore, drei Assists und einen Wie­der­auf­stieg spä­ter war we immer noch da und hat­te nicht zuletzt mit sei­ner phä­no­me­na­len Vor­la­ge für Gon­za­lo Cas­tros Sieg­tref­fer gegen den HSV erheb­li­chen Anteil an der Rück­kehr des VfB in die Bun­des­li­ga. Und so regel­mä­ßig wie Bor­na Sosa sich in der kroa­ti­schen Pres­se den Mund ver­brennt woll­te auch Gon­za­lez wie­der das Wei­te suchen nach die­ser Sai­son. Ob es die tief­stehen­den Zweit­ligs­ten waren die ihm den Nerv rau­ben oder die Tat­sa­che, dass sei­ne Lands­leu­te Sant­ia­go Asca­ci­bar und Emi­lia­no Insua den Ver­ein mitt­ler­wei­le ver­las­sen hat­ten? Egal, er brauch­te einen Tape­ten­wech­sel.

Nur um dann Teil einer der begeis­ternds­ten VfB-Mann­schaf­ten der letz­ten Jah­re zu sein und im Novem­ber 2020 die ers­ten Tore für die argen­ti­sche Natio­nal­mann­schaft zu schie­ßen. End­lich konn­te Gon­za­lez beim VfB sei­ne Schnel­lig­keit und sei­ne Tech­nik aus­spie­len — unver­ges­sen der Lauf vor dem 5:1 gegen bereits sturm­reif geschos­se­ne Dort­mun­der oder das Dribb­ling mit anschlie­ßen­dem Schlen­ker durch die gesam­te Hop­pen­hei­mer Hin­ter­mann­schaft — und end­lich wur­de er für das belohnt, was ihn in sei­ner gesam­ten Zeit beim VfB aus­zeich­ne­te: Sein Enga­ge­ment.

Den Absprung geschafft

Man kann Gon­za­lez sicher­licb sei­ne über wei­te Stre­cken man­gel­haf­te Chan­cen­ver­wer­tung vor­wer­fen oder sei­ne auf­rei­zend läs­si­ge aber den­noch effek­ti­ve Art, Elf­me­ter zu schie­ßen. Aber nicht, dass er sich nicht für den VfB rein­ge­han­gen hät­te. Sei es im Über­ei­fer der Rele­ga­ti­on oder eben bei jenem Tor zum 5:1 gegen Dort­mund, das er unbe­dingt noch machen woll­te. Wie so vie­le Tore in der Rück­run­de, in der er lei­der zuneh­mend beim Tor­ab­schluss ver­krampf­te und auch wegen Ver­let­zun­gen sei­ner Bun­des­li­ga-Bilanz “nur” sechs wei­te­re Tref­fer hin­zu­fü­gen konn­te. Er woll­te es halt ein wenig zu sehr, viel­leicht auch auf­grund sei­ner Vor­ge­schich­te.

Längst ist der Abseits-Lapus in Ber­lin Geschich­te. Denn der VfB hat einen argen­ti­ni­schen Natio­nal­spie­ler aus­ge­bil­det, der ihm jetzt eine statt­li­che Ablö­se­sum­me beschert um Löcher zu stop­fen und viel­leicht einen Nach­fol­ger zu ver­pflich­ten. Ein biss­chen scha­de ist es schon, wenn auch erwart­bar, dass die erfolg­rei­che VfB-Mann­schaft der letz­ten Sai­son jetzt ein wenig zer­pflückt wird. Gleich­zei­tig ist es schön für Gon­za­lez, dass er den Absprung im drit­ten Ablauf geschafft hat. Bei allem Enga­ge­ment für den VfB fühl­te er sich stets zu höhe­rem beru­fen, jetzt hat er die Chan­ce, in der Serie A den nächs­ten Schritt zu machen. Ob er den wirk­lich mit Flo­renz macht, las­se ich mal dahin­ge­stellt. Aber immer­hin haben wir in der Som­mer­pau­se zukünf­tig ein The­ma weni­ger. 

Mach’s gut, Nico! 

Titel­fo­to: imago/Pressefoto Bau­mann / Hans­jür­gen Brit­sch 

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