Der VfB hätte nur gegen Hoffenheim gewinnen müssen, um der Relegation wie im letzten Jahr aus dem Weg zu gehen und ein weiteres Jahr Bundesliga zu buchen. Stattdessen lief alles anders als damals gegen Köln.
Das ging schon bei der Stadionregie los, die wortwörtlich einen Job hatte: Die richtige Mannschaftsaufstellung mit dem richtigen Trainer einzublenden. Stattdessen blickte das verwunderte Neckarstadion auf Ex- und aktuellen Gästetrainer Pellegrino Matarazzo im VfB-Dress. Und es endete damit, dass der Ordnungsdienst, der heute mal nicht damit beschäftigt war, Gästefans zu verprügeln, Wataru Endo und den Rest der Mannschaft daran hindern wollte zur Kurve zu gehen. Als ob irgendwer im Stadion nach dieser jämmerlichen Nicht-Entscheidung auf dem Spielfeld die Motivation gehabt hätte, den Rasen zu betreten. Denn auch das, was zwischen Aufstellung und Gang zur Kurve lag, war komplett frustrierend.
Ja, der VfB bekam an diesem Spieltag die volle Ladung “Gruß vom Ex”. Die schon gegen uns limitierten Leverkusener ließen sich von Philipp Förster, Takuma Asano und Kevin Stöger abschießen — und wurden dafür mit der Europapokalteilnahme belohnt. Für Schalke traf zwischenzeitlich Marcin Kaminski zum Anschluss für die am Ende abgestiegenen Schalker. Aber völlig egal: Wir hätten nur mit der gleichen Intensität ins Spiel gehen müssen wie vor einem Jahr, als es sogar nur um die Frage Relegation oder direkter Klassenerhalt ging.
Köln gibt’s nur einmal
Stattdessen ging die Mannschaft das Spiel wieder mit der Mischung aus vollen Hosen und der zweifelhaften Gewissheit an, dass auch 90 Prozent Einsatz schon irgendwie reichen würden. Taten sie wie so häufig nicht. Natürlich kann man wieder vergebenen Torchancen nachtrauern und sich den verspielten Platz 15 damit schön reden. In Summe waren es aber zu viele Fehlpässe, zu viele falsche Entscheidungen, zu viel Eigensinn, die dafür sorgten, dass die Brustringträger nach 75 Minuten sogar komplett blank da standen und 0:1 hinten lagen. Weil sie im Mittelfeld nicht richtig anliefen, Silas einfach irgendwo in der Gegend rumstand und seine Kollegen weder die Flanke von Angeliño — der sonst nicht viel kann, aber das gut, siehe Hinspiel — noch den Kopfball von Bebou verhindern konnte.
Es war einfach alles anders als vor zwölf Monaten und vielleicht ist es auch einfach zu viel erwartet, dass man zwei Jahre in Folge mehr Glück als Verstand hat. Selbst das Stadion wachte erst in der 80. Minute erst so richtig auf, als der VAR nach einer unnötig langen Kontrolle endlich den Ausgleich durch Tiago Tomás freigab. Und das reichte nicht. Geradezu stellvertretend die Flanken des seit Wochen seiner Form hinterherlaufenden Borna Sosa ins Nirvana oder Silas ziellose Sololäufe durch den gegnerischen Strafraum. Und genau das ist das Frustrierende, dass eben jene Leistungssteigerung nicht in der Lage sind, die Mannschaft zu tragen, die Mannschaft aus ihrer “Bloß keinen Fehler machen, wird schon trotzdem reichen”-Haltung heraus zu holen. Die Quittung für die nächste einfach nicht ausreichende Leistung ist die Relegation. Wie vor vier Jahren.
Relegation ist eine andere Hölle
Und nein, Alex Wehrle: Die macht keinen Spaß. Und die hat mit Sicherheit auch in Köln niemandem Spaß gemacht, nachdem man das Hinspiel zu Hause 0:1 verlor. Natürlich ist es noch besser, als direkt abzusteigen. Aber es ist eine andere Hölle. Mir fehlt heute, Sonntagmittag, die emotionale Kraft um noch mal voller Hoffnung in diese beiden Spiele zu gehen. Die Enttäuschung über die nächste verschenkte Chance auf den Klassenerhalt sitzt einfach noch zu tief. Dass Sebastian Hoeneß Kurve und Mannschaft heiß auf die Relegation macht ist aller Ehren wert und sein Job. Die Mannschaft muss jetzt den Schalter umlegen und es irgendwie in die Köpfe bekommen, dass man das mit dem Klassenerhalt in der Relegation nicht einfach auf den nächsten Spieltag schieben kann. Die Saison ist vorbei und die Mannschaft hat eine allerletzte Chance zu zeigen, dass sie in die erste Liga gehört. Egal gegen wen.
Ich weiß mittlerweile nicht mehr, was ich sagen soll. Seit zehn Jahren raufen wir uns regelmäßig Mitte bis Ende Mai die Haare, beten, bibbern, hoffen und bangen. Rechnen die Tabelle durch, reisen kreuz und quer durch die Republik und schreien uns die Lunge aus dem Leib. Für zwei Spielzeiten, in denen Du souverän die Klasse hältst, wirst Du direkt mit mehreren Saisons Überlebenskampf bestraft. Immerhin hat man dazwischen jeweils zwölf Monate, um das Nervenkostüm wieder zu flicken. Aber wir kriegen nicht mal nachhaltige Mittelmäßigkeit hin.
Noch zwei Mal Haare raufen, beten, bibbern, hoffen, bangen, durch die Gegend reisen und die Lunge aus dem Leib schreien. Bis Donnerstag hab ich bestimmt wieder die Energie dafür.
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass wirkt etwas weniger deprimiert.
Titelbild: THOMAS KIENZLE/AFP via Getty Images