In einem packenden Pokalspiel zieht der VfB am Ende in Leverkusen den Kürzeren und zeigt dabei gegen die aktuell beste deutsche Mannschaft streckenweise eine herausragende Leistung. Dass es nicht für die erneute Halbfinalteilnahme reicht, ist schade, letztlich fehlte es den Brustringträgern bei aller Qualität und Herzblut ein wenig am Mut und der Effizienz.
Leverkusen nervt. Weil sie als 100prozentige Tochter eines Pharma-Riesen nicht pleite gehen können, wenn auch bei größter Erfolglosigkeit noch regelmäßig Millionen in der Mannschaft versenkt wurden und werden. Weil ihr popeliges Ministadion Kulisse war für eines der besten Fußballspiele dieser Saison und diese Kulisse so stimmungsarm ist, dass sie in einem so krassem Missverhältnis zur dargebotenen sportlichen Leistung steht. Und weil sie mit Robert Andrich einen Spieler im Kader haben, der schon seit Jahren immer wieder mit brutalen Fouls auffällt — frag nach bei Tanguy Coulibaly oder Lucas Tousart — und sich dafür vor laufender Fernsehkamera auch noch Absolution erbittet. Und weil der, genauso wie seine Mannschaftskollegen, leider verdammt gut kicken können. Vor allem deswegen.
Man könnte nun viel darüber lamentieren, dass Andrichs Fuß, den er so elegant wie rücksichtslos einsetzen kann, eigentlich in der zweiten Halbzeit gar nicht mehr auf dem Rasen hätte stehen sollen, weil der aus dem badischen Rastatt stammende Daniel Schlager ihm eigentlich für die Attacke auf Enzo Millot gelb-rot hätte zeigen müssen — bei bester Sicht auf das Foul. Vielleicht war Schlager wie im Halbfinale der letzten Saison der Ansicht, ein solches Pokalspiel sollte nicht durch den Schiedsrichter entschieden werden, letztlich war der ausgebliebene Platzverweis aber nur eine von vielen “Kleinigkeiten”, wie Sebastian Hoeneß sie sichtlich angefressen nannte, die die Pokalsaison des VfB beendeten: Zwei Mal klärte die VfB-Mannschaft einen Ball zentral vor den Strafraum: Einmal in die Füße von Robert Andrich und dann in allerletzter Minute in die von Florian Wirtz, der den am Rand freistehenden Jonathan Tah erspähte und anspielte. Vielleicht wäre das auch Makulatur gewesen, hätte der VfB seine Chancen noch konsequenter genutzt und wäre auch Deniz Undav, der leider noch ohne seinen kongenialen Sturmpartner auflaufen musste, noch besser in Szene gesetzt worden. Und ganz sicher muss man gegen diese Leverkusener Mannschaft auch das Gleichgewicht finden zwischen Mut und Konzentration, gefühlt schlug das Pendel an diesem Dienstagabend zu häufig in Richtung Sicherheit aus, hätte ein schnelleres Aufdrehen oder ein steilerer Pass den entscheidenden Vorteil bringen können.
Traumwandlerisches Highlight
Aber letztlich muss man dieses Pokalspiel als das einordnen, was es war: Eine hochklassige Partie zweier bärenstarken Mannschaften, von denen aber nur eine in die nächste Runde einziehen konnte. Der VfB zeigte sich von Beginn an bereit für diese Aufgabe und knüpfte damit an die teils furiosen, teils konzentrierten Leistungen gegen Freiburg und Leipzig an. Beiden Mannschaften unterliefen kaum gravierende Fehler, stattdessen versuchten sie einander mit traumwandlerisch sicheren Pässen auszuspielen — die Passquoten von 87 Prozent bei Leverkusen und 84 Prozent beim VfB sprechen Bände. Zwei Mal ging der VfB in Führung und überraschte wohl nicht nur seine Fans mit einem Traumtor nach einer Ecke. Zwei Mal kam Leverkusen zurück und dennoch hatte man, von der Nachspielzeit abgesehen, nie das Gefühl der Ohnmacht gegen einen übermächtigen Gegner, wie es sich beispielsweise in München im Dezember breit machte. War das Ligaspiel gegen Leverkusen schon ein spielerisches Highlight dieser Bundesliga-Saison, so wurde es von diesem Pokalfight noch einmal übertroffen, weil beide Mannschaften bis zum Schluss komplett auf Augenhöhe agierten — und zwar auf einer Höhe, die Deniz Undav nach dem Spiel zu der Aussage veranlasste, hier hätten die beiden besten deutschen Mannschaften gegeneinander gespielt. Leverkusen wird am Samstagabend die Gelegenheit haben, das zu zeigen.
Für den VfB hingegen gilt es, bis Sonntag die Enttäuschung darüber, eine historische Chance verpasst zu haben, abzulegen. Natürlich wäre es schön gewesen, in der nächsten Runde gegen einen richtigen Verein in einem richtigen Stadion zu spielen und angesichts der Konkurrenz vielleicht sogar nach Berlin zu fahren und dort einen Titel zu holen. Was noch mehr schmerzt als das Ausscheiden gegen einen starken Gegner ist die Ungewissheit, ob wir diese Möglichkeit in absehbarer Zeit nochmal haben werden. Umso wichtiger — und natürlich alternativlos — ist jetzt die Konzentration auf die Liga, in der die Lage nicht weniger historisch ist. Der VfB hat jetzt drei Spiele gegen die Kellerkinder der Tabelle vor der Brust und mit dem in Leverkusen leider teilweise unglücklich agierenden Hiroki Ito sowie dem bis Sonntag hoffentlich erholten Serhou Guirassy zwei weitere Leistungsträger in seinen Reihen. Natürlich werden die kommenden Spiele anders intensiv, werden alle drei Gegner vor allem auf Schadensbegrenzung aus sein. Eine solche Power-Leistung wie gegen Leverkusen sollte die Mannschaft aber trotz des enttäuschenden Ausgangs eher beflügeln denn hemmen, denn auch in der Liga gibt es ja mit jetzt 40 Punkten ein neues Ziel, was es zu erreichen gilt.
Zum Weiterlesen: Auch der Vertikalpass meint: “Diese Saison ist einfach zu gut, um sie ohne Zählbares abzuschließen.”
Titelbild: © ROBERTO PFEIL/AFP via Getty Images
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