Nick Woltemade feierte vor wenigen Wochen noch einen Werder-Heimsieg gegen den VfB, ab der neuen Saison trägt er selber weiß-rot. ExpertInnen aus Bremen und Elversberg stellen ihn uns vor.
Normalerweise interviewen wir ja für solche Artikel Menschen, die unsere Neuzugänge für ihren Verein — oder den Verein, den sie journalistisch begleiten — haben spielen sehen. Für das Bremer Urgestein Nick Woltemade, der nun den Schritt nach Stuttgart wagt, haben wir von Werder-Fan Solveig aber einen so ausführlichen Text zugeschickt bekommen, dass wir uns entschlossen haben, ihn als Gastbeitrag zu veröffentlichen. Außerdem haben wir noch einen Elversberg-Fan interviewt, denn mit der SVE schaffte Woltemade vorvergangene Saison den sensationellen Durchmarsch von der Regionalliga in die 2. Bundesliga.
Aber zunächst zu Woltemades Zeit in Bremen vor und nach der Leihe ins Saarland.
Seinen Abschied von Werder gab er im Sommer selbst auf Instagram bekannt – das ist eigentlich wirklich nicht die Werder-Art, aber wenn wir es jemandem verzeihen, dann Nick Woltemade. Nick ist ein echter Bremer Jung’, geboren am 14. Februar 2002 in Bremen. Seine fußballerische Karriere begann beim Bremer Stadtteilverein TS Woltmershausen. Dort spielte er übrigens auch sehr erfolgreich Handball. So erfolgreich, dass er sich auch in diesem Sport eine Karriere hätte vorstellen können. Im Profifussball profitiert er vom damaligen Handballtraining, wie er selbst sagt: Sein Durchsetzungsvermögen im Zweikampf habe er zum Beispiel dort verbessert.
2010 wechselte er mit acht Jahren ins Nachwuchsleistungszentrum des SV Werder Bremen. Ungewöhnlich früh, aber wie er im interview mit Werder.de sagte: „In unseren Spielen gegen Werder bin ich wohl aufgefallen. Dann kam irgendwann ein Anruf, und ich wurde gefragt, ob ich mal zum Training kommen will.“ Wollte er: „Prinzipiell war ich sofort davon begeistert. Denn ich wollte schon damals immer gewinnen, immer der Beste sein. Und es hat mich genervt, dass wir gegen Werder jedes Mal hoch verloren haben. Daher habe ich zu meinen Eltern gesagt: Da möchte ich gerne hin.“
Der jüngste Werder-Bundesligaspieler aller Zeiten
Neun Jahre später, im Oktober 2019 berief der damalige Trainer Florian Kohfeldt Nick zum ersten Mal in den Profikader, wo er gegen Bayer 04 Leverkusen allerdings nur auf der Bank saß.
Ab dann trainierte er regelmäßig mit den Werder-Profis und fuhr auch mit der ersten Mannschaft ins Wintertrainingslager nach Mallorca. Dort sollte er hauptsächlich beobachten und von den Profis lernen, durfte dann aber doch, im Testspiel gegen den AC Monza, neben Claudio Pizarro im Werder-Sturm auflaufen. Trainer Kohfeldt bestätigte danach noch einmal, weswegen er den damals 17-Jährigen mitgenommen hatte: der Stürmer sei ein ganz besonderes Talent, das eine unbekümmerte Note ins Spiel bringe. Stimmen aus der Bremer Presse deklarierten ihn gar zur Werder-Geheimwaffe im drohenden Abstiegskampf.
Werders U23-Mannschaft übersprang Nick ganz und debütierte im Februar 2020 gegen den FC Augsburg in der Startelf der ersten Mannschaft. Fun Fact: Im Gedächtnis blieb Werderfans von diesem Spiel vor allem die Kaltschnäuzigkeit, mit der Nick versuchte, einen gestandenen Augsburger Verteidiger zu tunneln. Er selbst erinnert sich so: „Ich wollte einen Verteidiger tunneln, woraufhin er mich richtig angemeckert hat, was mir wohl einfalle, das überhaupt zu versuchen.“
Mit 17 Jahren und 352 Tagen ist er seit diesem Spiel der jüngste Bundesligaspieler des SV Werder Bremen und löste damit Werder-Legende Thomas Schaaf ab, der bei seinem Debüt genau einen Tag älter war. Neben seinem Einsatz für die Werder-Profis spielte er auch weiter in der A‑Jugend der Grün-Weißen. Mit dieser Mannschaft wurde er Sieger der Staffel Nord/Nordost, schoss 16 Saisontore und legte 7 Tore vor.
Aufsteiger, Spieler der Saison und U21-Nationalspieler
In der Saison 2022/23 wurde Nick ab August in die 3. Liga zum SV Elversberg ausgeliehen. Dort etablierte er sich sofort als Stammspieler und trug mit 10 Toren maßgeblich zum Aufstieg in die 2. Bundesliga bei. Außerdem wählten ihn Spieler und Fans zum Spieler der Saison in der 3. Liga.
Zur Saison 2023/24 kam er zu Werder Bremen zurück, spielte 30 Mal in der Bundesliga und erzielte kurz vor Saisonende noch seine beiden ersten Bundesligatore als Doppelpack gegen Borussia Mönchengladbach.
Seit 2018 ist er deutscher Junioren-Nationalspieler und bestritt für die U16, U17, U20 und U21 des DFB 28 Spiele, in denen er sechs Tore erzielte. Mit der U21 befindet er sich gerade in der Qualifikation zur U21-EM 2025 in der Slowakei. „Es ist noch ein recht langer Weg und wir haben noch viele Spiele und Reisen vor uns, aber das Ziel sollte schon sein, dass wir uns dafür qualifizieren“ sagte Nick im Interview. Eine fast perfekte Qualifikationsbilanz steht auf der Seite seiner Mannschaft: mit fünf Siegen und einem Unentschieden ist die deutsche Mannschaft aktuell Gruppenzweiter.
Ein wirklich einzigartiger Spielertyp
So weit der Lebenslauf. Aber wie ist er denn nun, dieser Nick Woltemade? Mich hat Nick von Größe und Aussehen von Anfang an an meinen absoluten Lieblingsspieler erinnert, dessen Rückennummer 29 er bei Werder auch geerbt hat: Per Mertesacker. Dementsprechend hatte er direkt einen Stein im Brett. Da hören die sportlichen Gemeinsamkeiten aber ehrlich gesagt auch schon auf. Denn Nick Woltemade ist nicht nur sehr groß, sondern auch wendig und schnell – Eigenschaften, die Werder-Trainer Ole Werner immer als großes Alleinstellungsmerkmal heraushob. Aber auch der Nationaltrainer der U21, Antonio Di Salva, fand lobende Worte: “Man hat gesehen, was für ein klasse Fußballer Nick ist: Weil er so groß ist, traut man ihm das ja manchmal gar nicht zu, dass er die Bälle dann so fein runternimmt und auch dribbeln kann“, sagte er nach dem 2:0‑Sieg gegen Israel im März.
Im Ligaspiel in Augsburg stellte Nick in der vergangenen Saison dann auch noch einen persönlichen Temporekord auf: mit 34 km/h war er der schnellste Spieler auf dem Platz. Groß, ballsicher, wendig und schnell ist er also. Ein wirklich einzigartiger Spielertyp und einer, den Werder sehr gern gehalten hätte. Er kann als Mittelstürmer aber auch im offensiven Mittelfeld spielen. Das nutzte Werdertrainer Ole Werner ausgerechnet im Rückspiel gegen Stuttgart aus, als er Nick auf die Zehnerposition zurückzog. Mit seiner Ballsicherheit sorgte er für Tiefe im Spiel und trug seinen Teil zu Werders 2:1‑Sieg bei. Nur die Tore, die fehlten in Werders Profimannschaft noch. Bis zum Spiel gegen Borussia Mönchengladbach, am 32. Spieltag. Da machte Nick mit einem Doppelpack seine Werder-Geschichte perfekt. Eins per Kopf, eins mit dem rechten Fuß – ein perfektes Abbild seiner Stärken im Sturm. Und das Weserstadion tobte.
“Er zeigt in ganz vielen Ansätzen, was ihn auszeichnet — trotzdem fehlt ihm noch ein bisschen was“, hatte Coach Ole Werner noch Anfang April gesagt. Ob er diese Aussage nach dem Gladbach-Spiel zurückzog, ist nicht überliefert. Fakt ist aber: Bei Woltemade geht noch was, in Sachen Weiterentwicklung. Das ist auch einer der Gründe, die er für seinen Wechsel zum VfB nennt.
Ab in den Süden
Nach Stuttgart zieht ihn aber nicht nur die sportliche Weiterentwicklung. (Auch wenn die definitiv gegeben ist. Glückwunsch zu dieser Hammer-Saison nochmal!) Auch persönlich fühlt er sich im Schwabenland zuhause. Onkel, Tanten und Cousins und Cousinen leben in Stuttgart, schon als Kind besuchte Nick das Training. Seine Vorbilder damals: Mario Gomez und Christian Gentner.
Und neben Größe, Schnelligkeit, Ballsicherheit und Torgefahr bringt er auch einen absolut einzigartigen Fashion Sense mit an den Neckar – Follower seines Instagramaccounts wissen, was ich meine!
Bleibt mir zu sagen: Nick Woltemade ist ein Guter. Auf und neben dem Platz. Wie er nach dem letzten Saisonspiel Ole Werder überwältigt in den Armen lag, wird wohl so schnell kein Werderfan vergessen. Wir werden ihn vermissen! Aber so oft, wie Ex-Werderaner gegen Werder treffen … lasst ihn im Weserstadion vielleicht lieber auf der Bank?
Mal schauen, liebe Solveig! 😉
Außerdem haben wir SVE-Fan Daniel zu Nick Woltemades Zeit in Elversberg interviewt.
Rund um den Brustring: Woltemade kam Ende August 2022 zur SVE, die gerade in die 3. Liga aufgestiegen war, nachdem er zuvor bereits einige Einsätze bei Werder in der Bundesliga und der 2. Liga gesammelt hatte. Welcher Erwartungshaltung gab es an ihn?
Daniel: Meine persönliche Erwartungshaltung an ihn war eigentlich nicht so groß. Man kannte seine Statistiken und so hoffte man dass bei ihm der Knoten platzt,
Woltemade kam wegen des relativ späten Transfers am 7. Spieltag das erste Mal zum Einsatz, ab dem 11. Spieltag gab Elversberg die Führung nicht mehr ab. Kurz vor der WM-Pause erzielte er seine ersten beiden Treffer. Kann man das als Anlaufschwierigkeiten verbuchen oder zeigte er schon vorher gute Leistungen?
Wie du sagst er kam spät zum Team hinzu und man musste am Anfang erstmal seine Stärken in unserem System finden. Was etwas brauchte, aber als dann die ersten Saisontore gefallen waren ist er immer besser geworden.
Am Ende erzielte er 10 Tore und bereitete 9 vor. Welchen Anteil hatte er damit am sensationellen Aufstieg und auch unabhängig von seinen Toren?
Mit seiner Art zu spielen hatte er am Ende großen Anteil an unserem Aufstieg. Er hat Räume geschaffen und sich auch immer wieder selbst belohnt mit Toren und Vorlagen.
In diesem Jahr sind mit Ulm und Münster gleich zwei Mannschaften von der Regionalliga in die 2. Bundesliga durchmarschiert. Kannst Du dir die Häufung starker Aufsteiger in einer ja durchaus anspruchsvollen Liga in den letzten Jahren erklären?
in den Regionalligen spielen viele gute Clubs was es oft schwer macht dort rauszukommen. In der 3 Liga wird man dann als Aufsteiger Gefühlt etwas unterschätzt und kann so weiter seinen Fußball spielen. Ich denke schon dass es öfters passieren könnte, dass Aufsteiger durch marschieren.
In welchem System und auf welcher Position spielte er unter Horst Steffen in der 3. Liga?
Nick spielte 90 Prozent seiner Spiele als Mittelstürmer, wo er Bälle klemmen und verteilen konnte.
Und wo lagen damals seine Stärken und Schwächen?
Er verliert öfter mal im Eins gegen Eins den Ball. Aber trotz seiner Körper große hat er eine sehr gute Technik.
Hätte für die SVE die Möglichkeit bestanden, ihn nach der Leihe zu behalten oder war klar, dass er wieder zurück nach Bremen geht?
Es gab anscheinend eine Kaufoption deren Summe aber für unsere Verhältnisse sehr hoch war. Und Nick selbst wollte unbedingt nach Bremen zurückkehren, um sich da durch zusetzen.
Traust Du ihm zu, sich auch beim VfB zu etablieren?
Ich bin sehr gespannt, wie er sich beim VfB entwickelt und wie dort mit ihm geplant wird. Wenn er sich wohl fühlt und einen Trainer hat, der ihn aufbaut, habt ihr viel Spaß mit ihm.
Gibt es sonst noch etwas, was wir über ihn wissen sollten?
Er ist ein junger sympathischer Kerl.
Titelbild: © Stuart Franklin/Getty Images