Neu im Brustring: Naouirou Ahamada

Der letz­te Trans­fer des Som­mers kam am 5. Okto­ber: Der VfB hat Naoui­rou Aha­ma­da aus der Jugend von Juven­tus Turin aus­ge­lie­hen. Wir stel­len Euch den Mit­tel­feld­spie­ler vor.

Man hat­te ja schon fast nicht mehr damit gerech­net, als der Kicker am Mon­tag nach­mit­tag ver­mel­de­te, der VfB ste­he kurz vor der Ver­pflich­tung eines wei­te­ren Spie­lers. Und wie schon bei Silas Waman­gi­tu­ka trägt der Neu­zu­gang, den der Ver­ein kur­ze Zeit spä­ter bestä­tig­te, einen Namen, der auf den ers­ten Blick nicht ganz ein­fach zu mer­ken ist: Naoui­rou Aha­ma­da. Der 18-jäh­ri­ge wur­de am 29. März 2002 in Mar­seil­le gebo­ren und kam 2018 vom fran­zö­si­schen Ver­ein Istres FC zum ita­lie­ni­schen Rekord­meis­ter. Der VfB leiht ihn für ein Jahr aus und kann anschlie­ßend Gebrauch von einer Kauf­op­ti­on machen. Um mehr über Aha­ma­da her­aus­zu­fin­den, haben wir uns mit zwei Juve-Exper­ten unter­hal­ten: Zum einen Julio DaEl­ba (@JulioDaElba) von Cava­nis Fri­seur, dem Blog über inter­na­tio­na­len Fuß­ball und Talen­te und zum ande­ren Anto­nio Cor­sa (@AntonioCorsa), der mit Ater­Al­bus einen Blog und einen Pod­cast zu Juve betreibt. Anto­nio hat mich auf einen sehr inter­es­san­ten Arti­kel auf World Foot­ball Scou­ting — auf Ita­lie­nisch — zu Aha­ma­da hin­ge­wie­sen, auf den ich — Über­set­zungs­pro­gram­men sei dank — auch Bezug neh­men wer­de.

Ahamada im Nationaldress. Bild: © Heuler Andrey
Aha­ma­da im Natio­nal­dress. Bild: © Heu­ler Andrey

Bevor Juven­tus Naoui­rou Aha­ma­da vor zwei Jah­ren ver­pflich­ten konn­te, muss­ten sie sich erst gegen Chel­sea, die Aha­ma­da bereits seit sei­nem 13. Lebens­jahr auf dem Zet­tel hat­ten, und Paris St. Ger­main durch­set­zen. Wie im Arti­kel zu lesen ist, habe der jun­ge Fran­zo­se sehr schnell nach sei­ner Ankunft in Nord­ita­li­en auch ita­lie­nisch gelernt. Wäh­rend sei­ner Zeit in Istres debü­tier­te Aha­ma­da 2017 in Frank­reichs U16-Natio­nal­mann­schaft, 2019 wur­de er mit der U17 WM-Drit­ter, zuletzt kam er im Febru­ar die­ses Jah­res für die U18 zum Ein­satz. In der Sai­son 2018/2019 bestritt Aha­ma­da 18 von 24 Spie­len für Juves U17, die in die­ser Sai­son Meis­ter der Grup­pe A in die­ser Alters­klas­se wur­den, bevor sie in den Final­spie­len an Ata­lan­ta schei­ter­ten. In der glei­chen Sai­son stand er auch schon sie­ben Mal in der Pri­ma­ve­ra für die U19 von Juven­tus auf dem Platz. In der ver­gan­ge­nen Sai­son kam er dann bis zum Aus­bruch von Coro­na Anfang März auf 17 Liga- und vier Pokal­spie­le für die U19 sowie drei Spie­le in der Uefa Youth League und zwei Par­tien für Juves U23 in der dritt­klas­si­gen Serie C. Zur Ein­ord­nung sei­ner bis­he­ri­gen Kar­rie­re aber spä­ter mehr. Zunächst wol­len wir uns dem wid­men, was Aha­ma­da auf dem Platz zeigt. 

Variabel, mit Ballkontrolle und Persönlichkeit 

Dort war er in einem Drei­er-Mit­tel­feld auf der rech­ten Halb­po­si­ti­on behei­ma­tet und rück­te nur ins Zen­trum, wenn der zen­tra­le Sech­ser nach vor­ne ging, um hin­ter ihm abzu­si­chern, erklärt Julio. Er bringt, was die Posi­ti­on angeht, also eine gewis­se Varia­bi­li­tät mit. “Er bie­tet sich im Spiel­auf­bau an und pro­biert dann mit dem Ball am Fuß das Spiel auf­zu­bau­en oder vor­an­zu­trei­ben.”, so Julio. Er sto­ße aber sel­ten bis in den Straf­raum vor, son­dern bie­te sich eher im Schat­ten der Sturm­rei­he als Anspiel­sta­ti­on für einen Neu­auf­bau oder als Absi­che­rung an. “Er fühlt sich defi­ni­tiv wohl, wenn er den Ball am Fuß hat oder das Team im Ball­be­sitz ist und er sich anbie­ten kann und den Ball lau­fen las­sen kann.”, erklärt Julio. 

Dem­entspre­chend ist auch eine sei­ner Stär­ken die Ball­kon­trol­le, wie auch der Arti­kel her­vor­hebt, in dem auch zu lesen ist, dass Aha­ma­da die­se auch unter Druck und auf engs­tem Raum nicht ver­liert. “Und er spielt Päs­se mit Über­sicht, druck­voll und über­legt. Wobei er oft schon die rich­ti­gen Pass­we­ge sieht. Er spielt die­se sowohl dia­go­nal als auch ver­ti­kal. Aller­dings ab und zu noch mit etwas zu viel Streu­ung”, ergänzt Julio. Er ver­fü­ge über die für sei­ne Posi­ti­on nöti­ge Grund­ath­le­tik, jedoch feh­le es ihm etwas an Explo­si­vi­tät und Dyna­mik. Julio beschei­nigt ihm aber ein gutes Spiel­ver­ständ­nis, wel­ches er zum Bei­spiel in der U19 zeig­te, wo er weni­ger ins Pres­sing ging, son­dern eher Lücken anti­zi­pier­te und die­se zulief. Was sowohl der Ver­fas­ser des Arti­kels, als auch Julio her­vor­he­ben, ist sei­ne Per­sön­lich­keit: Er sei aktiv, über­neh­me Ver­ant­wor­tung auf dem Platz, Julio beob­ach­te­te: “Was mir ab und zu mal auf­fiel war, dass er mit Ges­ten das Spiel mal beru­higt hat oder ein kur­zes Kom­man­do gege­ben hat.”

Ein unentschlossener Zuschauer 

Im Zweikampf ist Ahamada bisweilen zu unentschlossen. Bild: © Jonathan Moscrop/Sportimage
Im Zwei­kampf ist Aha­ma­da bis­wei­len zu unent­schlos­sen. Bild: © Jona­than Moscrop/Sportimage

Soweit zu sei­nen Stär­ken, sei­ne Schwä­chen sind schon fast typisch für jun­ge Spie­ler. Zunächst mal fehlt es ihm noch ein wenig an der Phy­sis, um sich im Pro­fi­be­reich direkt kör­per­lich durch­zu­set­zen. Eine Schwä­che, die sich gut behe­ben lässt, wie Li Egloff ein­drucks­voll gezeigt hat. Der Arti­kel spricht von einer gewis­sen Ver­spielt­heit in bestimm­ten, mit­un­ter gefähr­li­chen Situa­tio­nen. Die ande­re weit ver­brei­te­te Schwä­che jun­ger Spie­ler ist die Ent­schei­dungs­fin­dung. Dafür braucht es Erfah­rung und die ist bekannt­lich nicht so schnell auf­zu­bau­en wie ein brei­ter Rücken. Julio sieht bei Aha­ma­da noch Defi­zi­te in der Ent­schlos­sen­heit und im defen­si­ven Umschalt­spiel: “In Zwei­kämp­fen geht er oft zu unent­schlos­sen hin und in der mann­schaft­li­chen Rück­wärts­be­we­gung rückt er oft nicht eng genug ein, so dass zu gro­ße Räu­me zwi­schen ihm und der Abwehr ent­ste­hen, auch wenn das Team bereits im letz­ten Drit­tel vor dem eige­nen Tor steht.” Aha­ma­da wüss­te schon, was pas­siert, er sei aber aber zu lang­sam und unent­schlos­sen in der Reak­ti­on. Er betrei­be bis­wei­len, was man im US-Sport Ball­wat­ching nen­ne, also dem Spiel­ge­sche­hen nur zuschau­en — eine “Roo­kie-Krank­heit”, so Julio. 

Bevor ich zu mei­ner Ein­schät­zung des Trans­fers kom­me, stellt sich natür­lich die Fra­ge, mit wel­cher Inten­ti­on Juven­tus Naoui­rou Aha­ma­da an den VfB ver­leiht, ihm eine Kauf­op­ti­on ein­räumt — mit­un­ter ist sogar von einer Kauf­pflicht bei Klas­sen­er­halt zu lesen — und wie rea­lis­tisch es ist, dass der VfB die­se Opti­on im nächs­ten Som­mer zieht — falls er die Wahl hat. Zunächst ein­mal: Auch wenn gemein­hin berich­tet wird, Aha­ma­da kom­me von der U23, so zei­gen schon die ein­gangs auf­ge­zähl­ten Ein­sät­ze, dass er eher noch als Jugend­spie­ler zu sehen ist. War­um ver­leiht Juve ihn also, statt ihn in der eige­nen U23 oder gar in der Serie A ein­zu­set­zen? Um das zu erklä­ren, bedarf es eines klei­nen Exkur­ses in den ita­lie­ni­schen Nach­wuchs­fuß­ball. 

Juves junge Wilde

Zunächst ein­mal sei es natür­lich schwer, sich in die Mann­schaft des ita­lie­ni­schen Seri­en­meis­ters hin­ein­zu­spie­len, so Julio. Dass das nicht das Kar­rie­re­en­de im Pro­fi­fuß­ball bedeu­ten müs­se, zei­ge das Bei­spiel des Ex-Dort­mun­ders Ciro Immo­bi­le, der aus der Juve-Jugend stammt, sich dort aber auch nach diver­sen Lei­hen nicht durch­set­zen konn­te. Das ist auch schon ein Hin­weis dar­auf, wie  der Ver­ein mit Spie­lern plant, die den Jugend­mann­schaf­ten ent­wach­sen sind. Gescou­tet wer­de bei Juven­tus, wenig über­ra­schend, welt­weit. Jun­ge Spie­ler wür­den dann aber häu­fig nicht über die U23 an die Pro­fi­mann­schaft her­an­ge­führt, son­dern ver­lie­hen oder mit Rück­kauf­rech­ten ver­kauft — gut mög­lich also, dass Juven­tus Aha­ma­da zurück­kau­fen kön­ne, selbst wenn der VfB ihn bei Klas­sen­er­halt fest ver­pflich­ten müss­te.

“Der Rhyth­mus ist also nicht dar­auf aus­ge­legt, dass ein Ver­ein wie Juve tat­säch­lich Spie­ler in der eige­nen Jugend aus­bil­det, die dann über­nom­men wer­den. Das pas­siert nur ganz sel­ten. Es geht ein­fach dar­um, Talen­te zu fin­den, die­se an den Ver­ein ran­zu­füh­ren und zu gucken, ob die gut genug wer­den könn­ten. Auch gut genug um not­falls bei ande­ren Ver­ei­nen eine Tabel­len­re­gi­on tie­fer durch­zu­star­ten — um dann in Fol­ge des­sen zurück­ge­kauft zu wer­den oder nach Lei­hen zurück­kom­men.” erklärt Julio das Prin­zip, dass man auch bei Chel­sea und Arse­nal mit ihren Loan Armies und auch bei ande­ren gro­ßen ita­lie­ni­schen Ver­ei­nen beob­ach­ten kann. Durch die­se Trans­fer­er­lö­se sei Juve dann in der Lage, teu­re Ver­pflich­tun­gen von außer­ge­wöhn­li­chen Talen­ten zu stem­men.

Bundesligakader statt Serie C

Aller­dings ver­su­che Juven­tus par­al­lel, mit dem in Ita­li­en noch recht neu­en Kon­zept einer U23 als zwei­ter Mann­schaft — die von Juve wur­de 2018 ange­mel­det und war die ers­te — lang­fris­tig in die Serie B auf­zu­stei­gen, um Spie­ler nicht immer ver­lei­hen zu müs­sen. Die Serie C jedoch habe nicht das Niveau der deut­schen 3. Liga. Aha­ma­da wer­de auch des­halb ver­lie­hen, weil er bei Juven­tus ein biss­chen zwi­schen den Stüh­len steht: noch nicht weit genug für die Serie A, aber zu viel Poten­zi­al für die Serie C. Aber auf jeden Fall sieht man in Turin genug Poten­zi­al in ihm, um ihn bereits nach dem ers­ten Jahr in der U19 zu ver­lei­hen. Julio sieht ihn aktu­ell noch eher zwei Jah­re ent­fernt von regel­mä­ßi­gen Ein­sät­zen im Pro­fi­fuß­ball kann sich aber durch­aus vor­stel­len, dass auch der VfB genug Poten­zi­al in ihm sieht, um die Kauf­op­ti­on nächs­ten Som­mer zu zie­hen.  Er rech­net mit einer Ablö­se­sum­me um die fünf Mil­lio­nen Euro aus und zieht als Ver­gleichs­wert Kaly Sene her­an, der etwas talen­tier­ter, ein Jahr älter und kör­per­lich wei­ter sei und aus der der Pri­ma­ve­ra, der ita­lie­ni­schen U19-Liga, für eine ver­gleich­ba­re Sum­me zum FC Basel wech­sel­te. Aus­schlag­ge­bend ist dabei natür­lich auch immer die finan­zi­el­le Lage beim VfB.

Könnte Ahamada ihn ersetzen? Noch nicht. Bild: © imago
Könn­te Aha­ma­da ihn erset­zen? Noch nicht. Bild: © ima­go

Auf Twit­ter wur­de bereits spe­ku­liert, Aha­ma­da könn­te einen Abgang von Orel Manga­la auf­fan­gen, wel­cher wie­der­um die fes­te Ver­pflich­tung des Leih­spie­ler finan­zie­ren könn­te. Julio sieht ihn zwar noch nicht so weit, um Manga­la inner­halb eines Jah­res erset­zen zu kön­nen fin­det aber die Ver­glei­che mit die­sem wesent­lich pas­sen­der als die mit Paul Pog­ba und Yaya Tou­ré, die häu­fi­ger durch die Medi­en geis­tern. Juli­os Fazit: “Also Vor­sicht vor den ers­ten (grö­ßen­wahn­sin­ni­gen) Ver­glei­chen von irgend­wel­chen „Exper­ten“ und habt Geduld mit dem Spie­ler. Alles ande­re als eine per­spek­ti­vi­sche Ver­pflich­tung wäre ein uner­war­te­ter Bonus.  Viel­leicht kauft ihr ihn ja für eine klei­ne Sum­me und in 2–3 Jah­ren gibt’s ne fet­te Ren­di­te.”

Ein wenig Glücksspiel, viel Spekulation

Dass das durch­aus auch eine Ziel­set­zung Sven Mislin­tats ist, soll­te mitt­ler­wei­le klar gewor­den sein. Der VfB wird irgend­wann zu klein sein für Talen­te, die den viel­zi­tier­ten “Sprung” machen. Wenn der Ver­ein dann nicht lang­fris­tig direkt sport­lich von den Ver­pflich­tun­gen pro­fi­tie­ren kann, dann zumin­dest indi­rekt über Ablö­se­sum­men. Je nach Qua­li­tät des Talents ist das natür­lich auch ein wenig Glücks­spiel: Einen Silas Waman­gi­tu­ka unter Wert zu ver­kau­fen, weil er sich nicht so ent­wi­ckelt wie erhofft, wäre schmerz­haf­ter als bei Spie­lern, die weni­ger  Ablö­se gekos­tet haben. Mit einer Lei­he, soll­te sie ohne Kauf­pflicht blei­ben, mini­miert der VfB natür­lich erst­mal das Risi­ko, zumal Aha­ma­da noch ein biß­chen wei­ter zu sein scheint als unser letz­ter Neu­zu­gang Momo Cis­sé. Aber das ist bei bei­den zu dem Zeit­punkt pure Spe­ku­la­ti­on.

Genau­so wie die immer wie­der­keh­ren­de Fra­ge, wel­chem “Eigen­ge­wächs” Aha­ma­da wohl einen Platz im Kader weg­nimmt. Ist Luca Mack auf die­ser Posi­ti­on bes­ser oder schlech­ter? Gute Fra­ge, wer sie defi­ni­tiv beant­wor­ten kann, möge sich bei mel­den. Viel­leicht ver­sper­ren wir erneut einem Joshua Kim­mich den Weg — viel­leicht aber auch einem Prin­ce Owu­su, der beim VfB mal U17-Tor­schüt­zen­kö­nig war, mit 23 Jah­ren jetzt aber mit mit dem SC Pader­born den drit­ten Pro­fi­ver­ein gefun­den hat. Auch die Lei­he von Naoui­ro Aha­ma­da wer­den wir, anders als bei­spiels­wei­se die Ver­pflich­tung von Wal­de­mar Anton, erst in Zukunft rich­tig beur­tei­len kön­nen. Hof­fen wir mal, dass er uns genau­so posi­tiv über­rascht, wie das die aktu­el­le Mann­schaft in den ers­ten drei Spie­len getan hat.

Titel­bild: © Jona­than Moscrop Sport­image

1 Gedanke zu „Neu im Brustring: Naouirou Ahamada“

  1. Wenn Mislin­tat einen Spie­ler holt weis er was er macht sowohl Sasa als auch Cou­li­ba­ly oder Silas haben sich ent­wi­ckelt ‚Rober­to Mas­si­mo und zahl­rei­che ande­re eben­falls ‚die­ser Spie­ler hat unter Garantie,etwas das beson­ders her­vor­sticht ‚das er noch nicht soweit ist ‚ist natür­lich klar ‚aber das wird .….

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