Der VfB hat den 17jährigen Momo Cissé vom AC Le Havre verpflichtet. Wir haben uns in Frankreichs Norden über ihn informiert.
Dass Sven Mislintat junge Spieler verpflichtet, daran haben wir uns ja mittlerweile gewöhnt. Erst letzte Woche holte man Mohamed Sankoh von Stoke City an den Wasen, der 16jährige ist jedoch zunächst für die U19 von Nico Willig eingeplant. Anders verhält es sich scheinbar beim fast auf den Tag genau ein Jahre ältern Momo Cissé, der laut Vereinswebseite “als fester Bestandteil des Kaders Schritt für Schritt an die Anforderungen der Bundesliga” herangeführt werden soll und die Rückennummer 29 erhält.
Bienvenue, Momo Cissé!
Der 17-jährige Franzose kommt vom AC Le Havre nach Stuttgart und unterschreibt beim #VfB einen langfristigen Vertrag.
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Zur Meldung: https://t.co/bywxa8BvJt pic.twitter.com/U52jXeHUpo— VfB Stuttgart (@VfB) August 17, 2020
Sein bisheriger Verein, der Le Havre Ac, erhält dafür laut kicker eine hohe fünfstellige Ausbildungsentschädigung. Der HAC, so das Vereinskürzel, ist übrigens als Ausbildungsverein kein unbeschriebenes Blatt, wie dieser Artikel auf The Football Faithful offenbart: Sowohl Paul Pogba, als auch Dimitri Payet oder Lassana Diarra machten beim Verein, der in der Frühzeit des französischen Fußballs dreimal Meister wurde, ihre ersten Schritte. Aktuell spielt Le Havre in der Ligue 2 gemeinsam mit Paris FC, dem ehemaligen Verein von Silas Wamangituka — und Momo Cissé.
Vertrag in Le Havre abgelehnt
Ihr habt es an dieser Stelle schon häufiger gelesen: Viel gibt es über sehr junge Spieler nicht zu erfahren, was zum einen daran liegt, dass sie meistens wenige Einsätze in Ligen vorzuweisen haben, über die man Statistiken und Informationen findet, zum anderen daran, dass viele ihrer Fähigkeiten in diesem Alter zwar schon in Ansätzen zu erkennen, aber noch nicht fertig ausgebildet sind und man sich deswegen mit dem Vorbehalt arrangieren muss, noch kein abschließendes Urteil fällen zu können. Dennoch haben wir drei HAC-Experten gefunden, die bereit waren, ihr Wissen über Cissé mit uns zu teilen: Zum einen der Journalist Luc Gallais (@LucGallais), der für das Regionalportal ParisNormandie über Le Havre berichtet, sowie die zwei Fans Floqe (@Floqe) und Nox (@Geckov), die beide nur mit Ihren Twitter-Spitznamen zitiert werden wollten.
Cissé, dessen voller Name Alkhaly Momo Cissé lautet, wurde am 17. Oktober 2002 in Conakry, Guinea, geboren, mittlerweile hat er zusätzlich noch die französische Staatsbürgerschaft. 2017 wechselte er mit 14 Jahren vom Nachwuchs des bereits erwähnten Paris FC nach Le Havre, für den er bisher nur in der U19 und der zweiten Mannschaft in der fünftklassigen National 3 auflief. Im letzten halben Jahr trainierte er allerdings bereits mit der Zweitligamannschaft von Trainer Paul Le Guen, erzählen Luc und Nox. Der Verein habe ihm auch einen Profivertrag angeboten, den Cissé und sein Berater abgelehnt hätten, worüber man beim HAC nicht besonders glücklich sei, berichtet Luc auf ParisNormandie. Wer des Französischen nicht mächtig ist:
Momo #Cissé Hatte bei HAC eine Deadline zur Unterzeichnung seines Profivertrags verstreichen lassen. Erst heute morgen hat der Jugendchef von Le Havre von dem Transfer zum #VfB erfahren.
Davor hatten sie von Spieler und Berater nichts mehr gehört.https://t.co/yfTIo7ezmx
— Jojo (@Jojo_Maier) August 17, 2020
Luc vermutet, dass sein Berater eventuell relativ viel Geld verlangte. So landete Cissé beim VfB, wo er einen “langfristigen” Vertrag unterschrieben hat. Die Verschwiegenheit ist wahrscheinlich auch der Tatsache geschuldet, dass der Spieler noch minderjährig ist, zumindest bis Oktober.
Schnell, ballsicher, zu sehr ins Dribbling verliebt
Auf dem Feld ist Cissé auf den offensiven Flügeln beheimatet. Laut Nox meist auf dem linken, Luc zufolge könne er aber auch rechts spielen. Von allen drei Experten wird seine Schnelligkeit als Stärke hervorgehoben, ebenso so seine Ballsicherheit und sein Dribbling im Eins gegen eins. Damit sei er vor allem für Kontermannschaften sehr hilfreich erklärt Nox, weil er hoch steht und in die Räume geht. Seine Schwächen liegen Nox zufolge folgerichtig vor allem in der Defensive, vor allem wenn die eigene Abwehrkette sehr tief steht. Außerdem habe er — wie viele junge Spieler, die wir portraitiert haben — noch Probleme bei der Entscheidungsfindung und gehe zu häufig ins Dribbling, anstatt den Ball abzugeben. Luc sieht Schwächen vor allem im Abschluss. Wer sich eine bildliche Vorstellung machen will, sollte sich per Klick auf den Tweet ein paar Videos von VfBFilmRoom anschauen:
Hier mal ein kurzer Thread zu #VfB-Neuzugang Momo #Cissé (7️⃣).
(Disclaimer: Alle Ausschnitte sind aus einem einzigen U19 Spiel gegen Lille. Also kaum Aussagekräftig aber zumindest ein kurzer Einblick.)
— VfBFilmRoom (@VfBFilmRoom) August 17, 2020
Ein großer Sprung in die Bundesliga
Wie oben angesprochen, soll Cissé an die Bundesliga-Mannschaft herangeführt werden. Das halten auch unsere Experten für realistisch. Nox ist nicht der Meinung, dass er schon für die Ligue 2 bereit war und sieht den Wechsel in die Bundesliga als einen noch größeren Sprung an. Luc kann sich vorstellen, dass er in zwei bis drei Jahren soweit ist, Nox meint, er müsse vor allem an seinen bereits erwähnten Schwächen bei der Entscheidungsfindung arbeiten.
Ich könnte mir vorstellen, dass er ähnlich wie Coulibaly in der zweiten Saisonhälfte zum Einsatz kommt — wenn auch nicht besonders lange — und ansonsten in der zweiten Mannschaft in der Regionalliga. Mit dem Transfer macht der VfB erstmal nicht viel falsch. Der finanzielle Aspekt hält sich im Rahmen und auch wenn Cissé theoretisch noch in der U19 eingesetzt werden könnte, sehe ich nicht das Problem, dass er, um die aktuelle Debatte aufzugreifen, einem Eigengewächs die Perspektive in der ersten Mannschaft klaut — mir fällt spontan kein Spieler auf der Position ein, der auf dem Sprung “nach oben” ist. Dass er dem Profikader zugeordnet ist, verdeutlicht, dass man ihn mittelfristig auch dort sieht, die entsprechende Entwicklung vorausgesetzt. Vielleicht kann er dann auch das Flügelproblem der Mannschaft beheben. Bis dahin heißt es Geduld haben, wie so häufig bei jungen Spielern.