Mit dem Zweitliga-Torjäger Luca Pfeiffer hat der VfB einen weiteren Stürmer verpflichtet. Was wir uns von ihm erhoffen können, darüber haben wir mit Experten in Dänemark, Darmstadt und Würzburg gesprochen.
Vor Wochen geisterte der Name Luca Pfeiffer schon einmal als potenzieller Neuzugang durch die VfB-Gerüchteküche, zuletzt offenbarte Sven Mislintat, man suche noch einen Backup und gleichzeitigen Herausforderer für Sasa Kaladjzic. Jetzt haben Gerücht und Kaderplanung zusammengefunden, der VfB verpflichtet den bald 26jährigen Offensivspieler vom FC Midtjyllandt aus Dänemark. Dort hat er allerdings in der letzten Saison gar nicht gespielt, stattdessen schoss er mit 17 Toren die zweite Liga kurz und klein und seinen Arbeitgeber, den SV Darmstadt 98, fast zum Aufstieg. Geholt hatten ihn die Dänen wiederum im Sommer 2020 vom Zweitliga-Aufsteiger Würzburger Kickers. Eine interessante Karriere, wie ihr gleich lesen werdet, die auch nicht in Würzburg begann. Um einen besseren Eindruck von Pfeiffer zu gewinnen, haben wir aber Fans seiner letzten drei Vereine zum Gespräch gebeten: Würzburg-Fan Paul (@KeckProphet), Lilien-Fan Matthias (@kickschuhblog), der auf dem Kickschuh.Blog über seinen Verein schreibt und Mitglied des Podcasts Hoch und Weit ist sowie Thomas (@ThomasSchouv), Fan des FC Midtjylland und Teil des FCM-Fanpodcast Sort Snak.
Pfeiffers Fußballkarriere beginnt wie gesagt nicht in Würzburg, auch wenn er nicht weit davon entfernt, nämlich in Bad Mergentheim am 20. August 1996 zur Welt kam. Seine ersten fußballerischen Schritte mache er in Gommersdorf, bevor er in der Jugend ins Hoffenheimer NLZ wechselte, wo er sich aber nie wirklich wohl fühlte, wie er 2021 dem Lilienblog verriet. Also wechselte er zurück in die Heimat zum FSV Hollenbach, dem Heimatclub von Rudi Sprügel, Gründer des VfB-Ausrüsters Jako, wie Matthias anmerkt. 2016 schlug er dann 30 Toren in 80 Oberligaspielen in Stuttgart auf, allerdings auf Degerlochs Höhen, die gemeinsame mit den VfB-Amateuren gerade in die Tiefe der Regionalliga gefallen waren. Zwei Jahre später stiegen die Kickers gar in die Oberliga ab, vielleicht auch, weil Pfeiffer den Großteil der Saison mit einem Kreuzbandriss ausfiel. Im Anschluss verpflichtete ihn der SC Paderborn, verlieh ihn aber erst nach Osnabrück und verkaufte ihn 2019 schließlich an die Würzburger Kickers. Ähnlich wie sein neuer, etwa vier Zentimeter größerer Teamkollege umging Pfeiffer als auch den klassischen Weg durch die Altersstufen des Nachwuchsleistungszentrum und kletterte die Ligapyramide mit jedem Treffer immer weiter hoch.
In Würzburg Aufstiegsheld, in Midtjylland Bankdrücker
In Würzburg, so Paul, sei man überrascht gewesen, dass er nicht mit Osnabrück oder Paderborn in der zweiten Liga auflief, sondern zum damaligen Drittligisten wechselte. Hier mag die räumliche Nähe eine Rolle gespielt haben, liegt Würzburg doch nicht weit von seiner Heimatstadt entfernt. Pfeiffer sei der “absolute Wunschspieler” von Trainer Michael Schiele gewesen, so Paul und sollte der Mannschaft zusätzliche Wucht im Strafraum verleihen. Das gelang ihm mit 15 Treffern und acht Vorlagen in 34 Saisonspielen eindrucksvoll. Pfeiffer sei für den Aufstieg der Kickers in die zweite Liga 2020 “absolut entscheidend” gewesen, so Paul. Erneut sollte er aber nicht im Unterhaus auflaufen sondern wechselte im Oktober — die Transferphase verschob sich ja wegen der Coronapause in den Herbst hinein — zum amtierenden dänischen Meister FC Midtjylland. Ein Abgang sei absehbar gewesen so Paul, dass kein Bundesligaverein die Fühler nach Pfeiffer ausgestreckt habe, sei allerdings schon überraschend gewesen. Brentford FC, unlängst Testspielgegner des VfB und im Besitz des gleichen Mannes wie Midtjylland, sie auch an ihm interessiert gewesen, in Dänemark habe er aber Champions League spielen können, erklärt Paul.
In Dänemark hatte man vor seiner Ankunft noch nicht viel von ihm gehört, gibt Thomas zu. Er habe als großgewachsener Neuner gut ins Spielsystem gepasst. Letzten Endes spielte er in der Champions League-Gruppenphase, die der FCM nicht überstand, insgesamt 18 Minuten und auch in der SuperLigaen kam er nur auf elf Spiele, vier davon von Beginn an und nur zwei über 90 Minuten. In der anschließenden Meisterschaftsrunde spielte er gar nicht mehr, erzielte insgesamt nur zwei Tore, eins in der Liga, eins im Pokal. Pfeiffer habe zunächst hinter Sory Kaba auf der Bank gesessen, der ein ähnliches Spielerprofil habe — und dass obwohl er 2020 neben Rückkehrer Pione Sisto eine der größeren Transfers des Clubs war. Thomas meint, Pfeiffer habe in Dänemark nie voll sein Potenzial ausschöpfen können. Als Erklärung sei oft angeführt worden, dass Pfeiffer sich noch an die Liga gewöhnen müsse. Gleichzeitig unterstreicht Thomas aber auch, dass der FCM, dessen Scouting stark auf erweiterte Metriken und Potenziale setzt, Pfeiffer vielleicht als günstiges Investment sah, dass sie jetzt, wo er sich nicht durchgesetzt hat, mit Gewinn verkaufen konnten. Es hätten aber auch unter Fans Zweifel bestanden, ob der Schritt nach Dänemark für ihn nicht zu groß gewesen sein.
Variabler Offensivspieler mit Teamspirit
Also landete er über Umwege 2021 doch in der zweiten Bundesliga. Thomas vermutet, dass er nach der Zeit in Dänemark, wo er wenig spielte und abseits des grünen Rasens strenge Corona-Auflagen galten, zurück nach Deutschland wollte. In der vergangenen Sommerpause sei schon klar gewesen, dass er den Verein verlassen würde, wobei Thomas ihn gern behalten hätte, nach dem Sory Kaba nach einem Streit mit dem Trainer nach Leuven verliehen wurde und der FCM derzeit ohne Neuner dasteht. In Darmstadt sollte er gemeinsam mit dem ähnlich wenig bekannten Philipp Tietz den Abgang von Torschützenkönig Serdar Dursun kompensieren, was der Doppelspitze mit 17 (Pfeiffer) und 15 (Tietz) Saisontreffern gelang. Darmstadts damals neuer Trainer Torsten Lieberknecht habe da das richtige Gespür gehabt, erzählt Matthias. Am Ende scheiterten die Lilien denkbar knapp am Aufstieg: Auch ein 3:o mit zwei Treffern von Pfeiffer und zwei Assists von Tietz reichte nicht mehr, da der HSV bekanntlich in Darmstadt gewann. Eine Weiterverpflichtung des Stürmers scheiterte Matthias zufolge am Geld und an der Tatsache, dass sich Pfeiffer jetzt endlich in den Fokus von Bundesligavereinen wie dem VfB gespielt habe.
Dort wird er mit Sicherheit auch als Teil der neu eingeführten Doppelspitze auflaufen. Das liegt ihm Matthias zufolge auch mehr als das Spiel als alleinige Spitze, gerade in der Bundesliga mit stärkeren Gegenspielern. Paul lobt seine Präsenz und seine Wucht im Strafraum sowie seine Beidfüssigkeit. Thomas beschreibt ihn, allerdings mit wenig Anschauungsmaterial in Dänemark, als jemanden mit gutem Stellungsspiel und der Fähigkeit, ein Spiel zu lesen. Das passt gut zu Matthias Beschreibungen, denen zufolge Pfeiffer sich gerne ins Kombinationsspiel einbinden lasse und Bälle an anderer Stelle auf dem Feld abhole. Auch sei er trotz seiner beachtlichen Größe von 196 Zentimetern relativ ballfertig und für seinen Körperbau recht schnell — beides Aspekte, die gegnerische Verteidiger gern unterschätzen, so Paul. Sein Kopfballspiel sei “ordentlich, aber nicht beeindruckend”, so Matthias. Als Schwäche macht Paul aus, dass er auf gute Zuspiele angewiesen sei, um zu treffen, auch in der Rückwärtsbewegung habe er noch Verbesserungspotenzial. Matthias bringt noch einen mentalen Aspekt an, denn zwischen dem 16. und dem 28. Spieltag der vergangenen Saison habe er nicht getroffen und dabei für Matthias Begriffe immer mehr die Schultern hängen lassen und das Pressing vernachlässigt haben. Im Saisonfinale sei er aber wieder der Alte gewesen. Alle drei Experten heben seinen Charakter positiv hervor. Paul nennt ihn einen “reflektierten, bescheidenen Typ, der alles fürs Team gibt” und der für Spielzeit auch vermeintliche Karriererückschritte in Kauf nahm. Als ihm diese in Dänemark verwehrt blieb, habe er sich aber nicht beschwert, hebt Thomas hervor, auch nicht, als gegen Ende der Saison die Stimmung in der Kabine in den Keller sank. Matthias beschreibt ihn als bodenständig und als jemanden, der ein familiäres Umfeld schätze, auch Paul verweist darauf, dass das familienfreundliche Dänemark den Ausschlag für Midtjylland gegeben haben könne.
Die nächste Herausforderung
Also ein Spieler für die Bundesliga? Paul traut ihm das wie beschrieben schon lange zu, Matthias verweist darauf, dass Pfeifer sich von der Ober- über die Regional- und 3. Liga stetig weiter entwickelt und verbessert habe und mit seinen Aufgaben zu wachsen scheine. Mit bald 26 Jahren verfüge er auch schon über Erfahrung, gelte aber anders als andere Verpflichtungen des VfB nicht mehr als Supertalent, habe sich seinen Aufstieg hart erarbeitet. Ob er in Stuttgart unbedingt ein familiäres Umfeld findet, lasse ich mal dahingestellt — dafür ist der Verein zu groß. Aber immerhin ist es nur etwa eine Stunde Fahrt von Stuttgart ins Fränkische. Für Pfeiffer spricht, dass er sich erneut aus seiner Wohlfühlblase — unterklassiger Fußball nahe der Heimat — herauswagt und die Herausforderung Bundesliga annehmen will, nachdem er sich nach und nach Liga für Liga etabliert hat. Mit seinem Arbeitstethos scheint er gut zu den Anforderungen zu passen, die Pellegrino Matarazzo in diesem Sommer an seine Mannschaft formuliert hat, zumal er den erneuten personlichen Aufstieg als Chance begreifen wird, sich zu beweisen. Gleichzeitig darf man trotz der vielen Tore keine Wunderdinge in der Bundesliga erwarten — fragt nach bei Simon Terodde. Mit seiner Verpflichtung hat der VfB allerdings ein für den Abstiegskampf ziemlich passables Arsenal an Angreifern, selbst wenn Sasa Kalajdzic den Verein verlassen sollte — und mehr Variabilität und Optionen, das große Thema der aktuellen Saison:
Pfeiffer ist eine sinnvolle Verpflichtung wenn auch vlt. nicht sexy. Das ist der Stürmer hinter Kalajdzic, der dir letzte Saison gefehlt hat, und ein Spieler, der die Position 8 Wochen unfallfrei besetzen kann falls es notwendig sein sollte. Das ist ein legitimer Plan B. #vfb
— Jens1893 (@Jens1893) August 1, 2022
Das reicht vielleicht nicht unbedingt, um Leipzig am Sonntag das Fürchten zu lehren. Aber es stellt den Kader in der Breite auf ein gesünderes Fundament, als wir es in der letzten Saison zwischendurch hatten.Man kann jetzt darüber streiten, ob Mislintat sich von seinem Faible für junge Talente abgewandt hat oder nicht — schließlich hat er unter anderem auch Endo und Anton als gestandene Spieler verpflichtet — für die aktuelle Phase halte ich solche Transfers aber für durchaus nachvollziehbar. Fehlt eigentlich nur noch ein Innenverteidiger.
Titelbild: © Dean Mouhtaropoulos/Getty Images