Nicht nur Jeff Chabot fand nach Saisonende den Weg vom Rhein an den Neckar, auch sein Teamkollege Justin Diehl trägt ab kommender Saison den Brustring. Allerdings unter anderen Vorzeichen. Wir haben uns mit Thomas Reinscheid von effzeh.com über ihn unterhalten.
Die Begleitmusik zu den Wechseln von Jeff Chabot und Justin Diehl vom 1. FC Köln zum VfB könnte unterschiedlicher nicht sein. Hier der Führungsspieler, der im Abstiegskampf voranging und dem viele den Wechsel gönnen, dort das Talent aus der eigenen Stadt, das in der Hinrunde die Regionalliga kurz und klein schoss, weil es mangels Willen zur Vertragsverlängerung bei den Profis nicht mehr eingesetzt wurde und dem nach der Suspendierung im Abstiegskampf am Rhein teilweise bittere Enttäuschung entgegen schlägt. Mit Justin Diehl wechselt nach Darko Churlinov und Niko Nartey binnen weniger Jahre bereits der dritte ehemalige Kölner Nachwuchsspieler zum VfB. Die Arbeit im Kölner NLZ könne angesichts infrastruktureller Herausforderungen — auch dem FC mangelt es an Plätzen und Funktionsgebäuden — und der teilweise auch finanziell starken lokalen Konkurrenz aus Mönchengladbach, Leverkusen, Dortmund oder Schalke gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, so Thomas. Das schlage sich auch sportlich nieder, zum einen in sehr erfolgreichen U19- und U17-Mannschaften, aber auch darin, dass viele Spieler aus dem NLZ den Sprung in die Bundesliga schafften — wenn auch nicht immer mit dem Geißbock auf der Brust.
Diehl wurde am 27. November 2004 in Köln geboren und schloss sich mit sieben Jahren dem FC an, dessen Mannschaften er eben bis zur Profimannschaft durchspielte. Dabei gewann er mit den B‑Junioren 2020 die West-Bundesliga und im vergangenen Jahr den DFB-Pokal. Parallel dazu durchlief er auch die Nachwuchsmannschaften des DFB und spielt aktuell in der U20. Anfang 2023 debütierte er dann mit 18 Jahren auch beim 7:1 des FC gegen Werder Bremen in der Bundesliga, kam aber nur zu einem weiteren Kurzeinsatz und zwei Kaderplätzen, steuerte aber gleichzeitig zur erfolgreichen Saison der U19 neun Tore in 15 Ligaspielen und neun Scorerpunkte, darunter fünf Tore in fünf Pokalspielen bei. Durch die lange Ausbildung im eigenen NLZ und die kölsche Herkunft sei der Stolz auf die Weiterentwicklung Diehls durchaus groß gewesen, berichtet Thomas. Der Hype habe sich aber in Grenzen gehalten, denn man wusste aber angesichts des 2024 auslaufenden Vertrags, dass er wahrscheinlich nicht lang in Köln bleiben würde, zumal er in seinen ersten Einsätzen auch nicht direkt überperformte.
Runter und wieder hoch
Bereits weit vor Beginn der letzten Saison habe sich der FC um eine Vertragsverlängerung bemüht, berichtet Thomas, die sei aber seitens Diehls Berateragentur rigoros abgeblockt worden, weil diese Diehl wohl sportlich bereits weiter sah als der der Verein. Es ist, manche werden es bereits erraten haben, die gleiche Berateragentur, auf deren Anraten vermutlich Roberto Massimo die zweite portugiesische Liga Angeboten aus der sportlich reizvolleren zweiten Bundesliga vorzog, die erstaunlich viele Hoffenheimer Spieler unter ihren Fittichen hat — und leider auch Dennis Seimen. Thomas ist in der Bewertung von Diehls Entwicklung eher beim Verein als beim Berater und kann auch die Degradierung Diehls in die zweite Mannschaft seitens des damaligen Trainers Steffen Baumgart nachvollziehen. Schließlich würde so ein Kaderplatz für ein Talent frei, dass seine Zukunft beim FC sieht. Gleichzeitig war die Entscheidung sehr umstritten, weil die Kölner mit den Verletzungen vieler Angreifer wie Luca Waldschmidt, Mark Uth oder Davie Selke zu kämpfen hatten, während Diehl in der vierten Liga 12 Tore in 19 Spielen schoss. Thomas Fazit: “Im Grunde haben alle Beteiligten in dieser Kiste verloren. Der FC, weil ihm eine interessante Offensivoption verloren gegangen ist. Und Justin Diehl, weil er locker ordentlich Einsatzzeit in der Bundesliga gesammelt hätte. Und damit vermutlich auch die Berateragentur, weil der Marktwert des vertretenen Spielers nicht dementsprechend abgebildet wurde.”
Im Winter wurde Baumgart durch den mittlerweile wieder entlassenen Timo Schultz ersetzt, der Diehl wieder zu den Profis hochzog. In der Rückrunde kam er auf sieben Einsätze, unter anderem gegen den VfB (siehe oben). Thomas teilt den Eindruck den sicherlich viele VfB-Fans in diesem Spiel von Diehl hatten: In einigen Szenen blitzte sein Potenzial auf, auf Strecke fehlte ihm jedoch noch einiges zum Bundesliga-Spieler. Was mit 19 Jahren aber auch kein Wunder ist. Thomas sieht nicht wirklich, dass Diehl, der zwischendurch auch durch Verletzungen zurückgeworfen wurde, im Abstiegskampf mit mehr Einsatz einen Unterschied gemacht hätte, auch wenn die Leistung der Kollegen nicht unbedingt überzeugend waren. Die aus nicht-sportlichen Gründen motivierte Versetzung in die Regionalliga aus sportlichen Gründen wieder zu revidieren, sieht er auch kritisch. Genauso wie Diehls Verhalten während das Spiels gegen Union Berlin, als er parallel zur Partie in der der FC dem Abstieg kurzzeitig von der Schippe zu springen schien, Bilder von einer Hochzeit postete. Spieler wie Pacarada oder Kilian hingegen hätten teilweise im Gästeblock gestanden, um die Kollegen anzufeuern.
Schnell, explosiv, beharrlich
Was aber bringt Diehl abgesehen von einer zuletzt schwierigen Verhältnis zu Prioritäten mit nach Stuttgart? Er sei “extrem schnell, explosiv, dribbelstark und abschlussfreudig”, erläutert Thomas, und lasse sich auch von schwachen Aktionen nicht herunterziehen, sondern besitze genug Selbstvertrauen, um es immer wieder zu probieren. Eine Beharrlichkeit, die nur wenige junge Spieler heutzutage mitbrächten. Thomas sieht ihn als hängende Spitze neben einem Sturmtank oder als Außenstürmer am Besten eingesetzt, an der Defensivarbeit, der taktischen Disziplin und der Entscheidungsfindung — ein Klassiker, wenn es hier in den letzten Jahren bei Spielervorstellungen um die Schwächen der Neuzugänge ging — müsse er auch altersbedingt noch arbeiten. Ebenso an seiner Physis, teilweise habe man ihn im NLZ wegen Verletzungen längere Pausen gönnen müssen. Auch wenn es zuletzt in Köln durchaus Differenzen mit Diehl gab, beschreibt ihn Thomas als einen ziemlich netten, ruhigen und zurückhaltenden Menschen, der zudem sehr gläubig sei.
Ob wir Justin Diehl in der kommenden Saison, wie in Köln, in der Bundesliga im Brustring sehen werden, bleibt abzuwarten. Thomas hätte einen Wechsel zu einem Verein auf dem Kölner Niveau sinnvoller gefunden, um Einsatzzeiten zu sammeln. Er könnte sich Einsätze in der 3. Liga oder eine Leihe vorstellen, um Diehl diese zu verschaffen, im Bundesliga-Kader sehe er ihn angesichts der Konkurrenz nicht. Dass der VfB einen Spieler, dem er dem Vernehmen nach ein ordentliches Handgeld gezahlt hat, in der 3. Liga einsetzt kann ich mir auch nach der Vorgeschichte in Köln nicht so richtig vorstellen. Eine Leihe schon eher, je nach Verlauf der Vorbereitung. Natürlich kann es auch sein, dass er dort überzeugt, ein Ersatz für einen Chris Führich — gegen uns kam er ja auch über die linke Angriffsseite — sehe ich in ihm allerdings kurzfristig auch nicht. Beim VfB hat er bis 2029, also für fünf Jahre unterschrieben, ebenso wie damals Wahid Faghir, der sich ebenso wie Ömer Beyaz bisher mehr als Transfer für die Sportdirektoren-Galerie herausstellte denn als hoffnungsvolles Talent. Wie schon im Artikel zu Jeff Chabot angesprochen ist es wenig zielführend, Spieler schon mit um die 20 in eine Schublade zu stecken. Fabian Wohlgemuth bezeichnete Diehl bei der Verpflichtung als einen der spannendsten Spieler auf seiner Position in Deutschland. Hoffen wir, dass es um ihn zumindest neben dem Platz erstmal etwas ruhiger wird und er bei uns die Zeit kriegt — und sich nimmt — sich zu entwickeln.
Titelbild: © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images