Der VfB verliert wenig überraschend auch das Heimspiel gegen München. Was fangen wir mit diesem Ergebnis jetzt an?
Wenn der VfB gegen die Münchner Bayern spielt, läuft das für gewöhnlich nach einer von zwei möglichen Varianten ab: Entweder die Mannschaft kämpft bis zum Umfallen, macht den Bayern das Leben richtig schwer und verliert. Oder die Mannschaft lässt sich abschlachten und verliert. Beides in den letzten Jahren zur Genüge gesehen, Freak-Spiele wie das im Mai sind die Ausnahme, die die Regel bestätigen.
Irgendwann passiert’s eh
Im Einklang mit dieser Regel ging also auch die nächste Auflage des Spiels verloren, dass man früher einmal wahlweise Südgipfel oder ‑schlager nannte. Wenn man darüber nachdenkt, wann dieses früher war, wann also der VfB für die Bayern mehr war als Spielball oder Kanonenfutter, dann fühlt man sich alt. 2007 gewann der VfB binnen sechs Monaten zwei Mal zu Hause gegen den FCB. Seitdem sind die Bayern gefühlt zehn Mal Meister geworden, während sich der VfB schrittweise in die zweite Liga kegelte. Die Begegnung könnte also weiter von einem Schlager oder einem Gipfel nicht entfernt sein.
Weshalb ich auch Spiele gegen München nicht für voll nehmen kann. Wenn ich das doch einmal tue, kommt am Ende so ein Mist raus wie der verschossene Elfmeter von Akolo gegen Ulreich vor der Cannstatter Kurve letzten Dezember. Sowas brauche ich echt nicht, danke. Dann lieber ganz ohne Erwartungen in das Spiel rein und die unvermeidlichen Gegentreffer über sich ergehen lassen. So wie am Samstagabend. Da kannst Du noch so viele Bälle an der Außenlinie weggrätschen. Irgendwann nimmt halt einer, in diesem Fall zwei, dieser trotz der letzten Saison immer noch ziemlich guten und den Brustringträgern überlegenen Spielern den Ball und zwiebelt ihn rechts unten genau neben den Pfosten. Dass Du dann noch ein drittes kassierst — geschenkt.
Viel zu verbessern
Natürlich kann man sich gegen solche Unvermeidlichkeiten wehren, in der Hoffnung, der Wahrscheinlichkeit ein Schnippchen zu schlagen. Man könnte zum Beispiel einen Mario Gomez, der nur in der Luft hängt und kaum mal einen Verteidiger anläuft, gegen einen wesentlich aggressiver und wendiger auftretenden Nicolás González austauschen. Man könnte von vornherein mutiger aufstellen als mit drei zentralen, aber nicht unbedingt offensiven Mittelfeldspielern. Man könnte einen bemühten, aber letztendlich auch erfolglosen Anastasios Donis länger als 60 Minuten auf dem Feld lassen und nach einem Rückstand mehr Offensive wagen, anstatt positionsgetreu zu wechseln. Alles richtig.
Aber macht das am Ende einen Unterschied? Wahrscheinlich nicht, das Spiel wäre auch mit Donis über 90 Minuten oder González oder Didavi von Beginn an oder Badstuber in der Innenverteidigung verloren gegangen. Was nicht heißt, dass wir keine Probleme haben. Noch immer hat man nicht das Gefühl, dass die Mannschaft im Angriff weiß, was sie mit dem Ball anfangen soll, außer ihn so lange hin- und her zu schieben, bis er weg ist. Im dritten Pflichtspiel haben wir die dritte Offensivkonstellation zu Spielbeginn: Von Didavi-Thommy-Gonzalez-Gomez zu Gentner-Thommy-Gonzalez-Gomez zu Gentner-Donis-Gomez. Keine davon brachte die gewünschten Effekte und man wird das Gefühl nicht los, dass für solche Rochaden eigentlich die Testspiele da sind. Abgesehen davon habe ich das Gefühl, dass Korkut sich bei der Nicht-Aufstellung von Badstuber und dem Startelf-Einsatz von Donis ein bisschen vom Umfeld treiben lässt. Hätten wir nicht alle genauso aufgestellt?
Wird schon gesägt?
Aber ist dieses Bayern-Spiel mit zugegebenermaßen erbarmungswürdigen Zahlen wie 0:12 Ecken und 4:24 Torschüssen der Prüfstein für Tayfun Korkut? Oder ist das Problem nicht viel mehr, dass man bei einem Drittligisten und einem Konkurrenten auf Augenhöhe den Ball nicht ins Tor bekommt? Natürlich ist es nicht schön, mit 0:4, wettbewerbsübergreifend 0:6 Toren und keinem einzigen Sieg in diese Länderspielpause zu gehen. Aber ist das ein Grund, die Sägeblätter zu schärfen, mit denen man den nächsten VfB-Trainer zu Fall bringt? Scheinbar schon.
Hier das Interview @two_four_two #VfB pic.twitter.com/hxl06F1uN9
— Basti Freshman© (@anakin1893) September 1, 2018
Pfiffe gegen #Korkut. Der Trainer wechselt aus, nimmt den bisher auffälligen und agilen Donis runter, bringt Thommy. #VfB #VfBFCB
— MeinVfB (@MeinVfB) September 1, 2018
Stuttgart forward Anastosios Donis: “The trainer decided to take me out. I accept that, but I think it was unfair.”
Yikes. Three matches into the season and #VfB already have a player publicly criticizing the trainer.#VfBFCB pic.twitter.com/ZetZpkewLQ
— Zach Townsend (@fussballerisch) September 1, 2018
Dass weder Spieler noch Fans derzeit gut drauf sind, ist klar. Aber was gar nicht geht, sind Pfiffe gegen den Trainer bei einer Auswechslung am 2. Spieltag. Im Heimspiel gegen die Bayern. Sicherlich, ich hätte auch anders gewechselt, aber das Pfeifkonzert setzte ja nicht wegen der Einwechslung Erik Thommys ein. Oder wegen der allgemein ineffektiven Spielweise des VfB. Nein, es hing einzig und allein an der Auswechslung des Spielers, der die lustlosen Bayern im Mai noch alleine erlegt hatte. Was machen wir denn dann, wenn Korkut sich mal richtig vercoachen sollte?
Korkut muss sich beweisen dürfen
Ich habe es ja oft genug betont: Ich bin dem Trainer gegenüber weiterhin skeptisch, weil ich die Ergebnisse der Rückrunde nicht für bare Münze nehme, sondern als das, was sie waren: Eine Mannschaft, der man mit dem Trainerwechsel mal wieder das Alibi für ihre lustlosen Leistungen genommen hatte, traf auf einen neuen Trainer und gemeinsam startete man mit ein bißchen Glück, viel personeller Kontinuität und guter Defensivarbeit einen Lauf, der am Ende etwas außer Hand geriet. Korkut muss jetzt beweisen, ich wiederhole mich, dass er mehr ist als nur ein Feuerwehrmann mit der Halbwertszeit einer Rückrunde.
Die Zeit muss er aber auch bekommen und auch die Zeit, eigene Fehler zu korrigieren. Und der zweite Spieltag ist verdammt nochmal nicht der Zeitpunkt, an dem man sagen kann: “Sorry, wir haben Dir die Chance gegeben dich zu beweisen, tschüss und auf Wiedersehen”. Natürlich muss er jetzt in Freiburg und gegen Düsseldorf punkten. Da kann sich Christian Gentner hinterher nicht mehr hinstellen und was von Vereinen erzählen, bei denen man nicht gewinnen muss. Aber dass bei, beziehungsweise nach einem Streichergebnis-Spiel wie diesem der Trainer von den Rängen ausgepfiffen und hinterher von den eigenen Spielern so unterminiert wird, ist mir völlig unverständlich.
Jeder der den Verein kennt weiß, dass es das heute für Korkut war. Nicht morgen und nicht übermorgen, aber vielleicht schon nach Düsseldorf. #VfB
— Elhadjii (@elhadji_kleckso) September 1, 2018
Es wirkt wie gesagt völlig absurd, dass jetzt schon am Trainer gesägt wird, aber irgendwie ist die Vorstellung dass da schon wieder was ins Rutschen gerät, nicht von der Hand zu weisen. Was zum Teufel reitet Donis, sich nach dem Spiel bei der dpa auszuheulen, anstatt das dem Trainer beim nächsten Training persönlich zu sagen? Verärgerung über die Auswechslung ist ihm ungenommen. Aber “unfair”? Viel verwunderlicher finde ich noch die leichtsinnige Aussage von Gomez, es habe in der Mannschaft Unverständnis über Korkuts Taktik gegeben. Wieso quatsche ich so etwas in ein ZDF-Mikrofon, anstatt das als Führungsspieler erstmal intern zu klären? Jesses!
Runterkommen
Sollte Korkut wirklich in dieser Saison gehen, wäre das die sechste Spielzeit in Folge mit mindestens einer Trainerentlassung. Das kann es nicht sein. Natürlich will ich auch keine Kontinuität um der Kontinuität willen. Aber vielleicht sollten wir alle die Länderspielpause nutzen, um mal ein wenig runter zu kommen. Der VfB hat dieses Jahr einen ziemlichen Batzen Geld für eine Mannschaft ausgegeben — Gehälter noch nicht eingerechnet -, die hoffentlich auch nach den Vorstellungen von Tayfun Korkut zusammengestellt wurde. Wir haben in den letzten Jahren schon zu viel Geld verbrannt, weil ständig jemand anderes auf der sportlichen Kommandobrücke stand. Das war aber immer unser eigenes. Jetzt hantieren wir mit dem geschenkten Geld vom Daimler. Und wenn das weg ist, ist es weg.
Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen im Verein, beziehungsweise in diesem Fall in der AG, sich gut zu überlegen, wie wir diese Saison erfolgreich gestalten können. Dazu zählt auch, dass man Kritik intern anspricht und nicht wie in der Vergangenheit das Ego oder irgendwelche Machtspielchen über das Wohl des Vereins stellt. Und dass man aus der vergangenen Rückrunde die richtigen Schlüsse zieht (gefunden in den Stuttgarter Nachrichten).
Handys runter, Mund auf
Abschließend noch ein Wort zur Karawane Cannstatt. Es ist erstaunlich und lobenswert, was die Organisatoren dieses Marschs durch Bad Cannstatt zum Neckarstadion jedes Jahr auf die Beine stellen. Was vor 13 Jahren entstand, ist mittlerweile fest in der Fanszene verankert und eine schöne Tradition. Mir vergeht allerdings die Lust aufs Einsingen in den Straßen Bad Cannstatts mit mehreren Tausend VfB-Fans, wenn die Hälfte davon mehr damit beschäftigt ist, wacklige Handyvideos oder schlechte Fotos von der Karawane zu machen, als mit Klatschen und Singen. Ich verrate Euch ein Geheimnis: Die paar Likes und Kommentare auf Facebook und Instagram sind es nicht wert, wenn das dazu führt, dass außer auf den ersten 500 Metern des Zugs keiner mehr den Mund aufbekommt.
Also lasst Eure Smartphones einfach mal stecken. Ihr nervt. Genauso wie die Volldeppen, die meinen, sie könnten irgendwas damit kompensieren, dass sie Böller in Unterführungen schmeißen, damit es mal so richtig schön laut Bumm macht. Oder einfach irgendwo hin, denn da macht es ja schließlich immer noch ein bißchen Bumm. Beschmeißt Euch meinetwegen an Silvester gegenseitig mit den Dingern, aber haltet Euch damit vom Stadion und der Karawane fern. Wie auch immer: Nächstes Jahr stimm ich mich wahrscheinlich lieber im SSC auf die neue Saison ein.
Sehr gut analysiert, und dann noch mit den richtigen Schlüssen (weil mit meinen deckungsgleich ;)).
Bei der Frage nach dem Startelf-Einsatz von Donis bin ich geneigt zu glauben, dass da primär der Taktikgedanke ausschlaggebend war. Hinten Beton anrühren und auf Konter lauern, und Donis ist nunmal (neben Mané ;)) unser schnellster Mann.
Andersherum hätte er dann aber Badstuber eine weitere Chance geben können — in der Abwehr ist bei der angesprochenen Taktik die Schnelligkeit weniger relevant.
Ich bin überzeugt davon, dass Korkut noch (lange?) nicht am Ende ist und wir in den nächsten Spielen irgendwie die Kurve kriegen.
Und dann hoffe ich, dass es im Sinne der thematisierten Kontinuität irgendwann zeitnah auch spielerisch besser wird…
Hallo Schorsch,
danke für die Rückmeldung! Ich kann mir auch vorstellen, dass er Donis aus taktischen Gründen gebracht hat, aber es wirkte halt so ein wenig, als hätte er die offensichtlichsten Personalentscheidungen nach den ersten zwei Spielen, gerade was die beiden Spieler angeht, getroffen. Ich hoffe, dass Korkut noch nicht am Ende ist und ihm noch etwas besseres einfällt. Irgendwann muss dieses ewige Trainerkarussel beim VfB doch wenigstens mal für ein, zwei Jahre stillstehen. 😉