Rund um das Spiel gegen München

Das Top­spiel des 2. Spiel­tags ist das Spiel form­er­ly known as Süd­gip­fel: VfB gegen FCB. Zur Ein­stim­mung spra­chen wir mit Bay­ern-Fan Max-Jacob Ost (@GNetzer), Mode­ra­tor des Rasen­funks.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Max, vie­len Dank, dass Du Dir Zeit für unse­re Fra­gen nimmst. Du bist ja schließ­lich schwer beschäf­tigt: Am Sonn­tag hat dein Pod­cast, der Rasen­funk sei­nen vier­ten Geburts­tag gefei­ert (Glück­wunsch!), dort besprichst Du nicht nur jeden Bun­des­li­ga-Spiel­tag, son­dern hast, wäh­rend ande­re Som­mer­pau­se hat­ten, jeden Tag eine Fol­ge zur WM und neben­bei noch ein paar ande­re Fol­gen auf­ge­nom­men. Hät­test Du vor vier Jah­ren gedacht, dass das mal so zeit­in­ten­siv wird?

Max: Nein, nie­mals. Und das ist bestimmt auch ganz gut so.

Wir haben Dich aber natür­lich nicht als Rasen­funk-Mode­ra­tor ein­ge­la­den, son­dern vor allem als Bay­ern-Fan. Des­we­gen die obli­ga­to­ri­sche Bit­te, Dich vor­zu­stel­len: Wie bist Du Bay­ern-Fan gewor­den?

Auf­ge­wach­sen bin ich in Mit­tel­fran­ken, einer Regi­on also, in der man eher zum Club geht. Irgend­wie fand ich den aber immer komisch und ein sehr net­ter Mensch hat mei­ne Brü­der und mich noch im Kin­des­al­ter für den FC Bay­ern begeis­tert. Die Sai­son 93/94 war dann die ers­te, in der ich rich­tig mit Haut, Haa­ren und Herz dabei war. Inzwi­schen wür­de ich mich als distan­zier­ten Fan bezeich­nen. Ich kann mich wäh­rend eines Spiels nicht von mei­nem Fan-Dasein tren­nen, aber davor und danach sehr gut. Trotz­dem fin­de ich es wich­tig mit mei­ner Nähe zum FCB offen umzu­ge­hen, damit die Höre­rin­nen und Hörer ent­schei­den kön­nen, ob da jetzt ein Bay­ern­fan oder ein Jour­na­list spricht. Ich hof­fe, es ist immer letz­te­res.

Der gebürtige Stuttgarter und Ex-VfB-Spieler Serge Gnabry spielt jetzt in München. Bild: © Fernando Frazão/Agência Brasil unter CC BY 3.0 BR)
Der gebür­ti­ge Stutt­gar­ter und Ex-VfB-Spie­ler Ser­ge Gna­b­ry spielt jetzt in Mün­chen. Bild: © Fer­nan­do Frazão/Agência Bra­sil unter CC BY 3.0 BR)
Sebastian Rudy, bis 2010 beim VfB wechselte vor kurzem von München nach Schalke. Bild: © Soccer.ru unter CC BY-SA 3.0
Sebas­ti­an Rudy, bis 2010 beim VfB wech­sel­te vor kur­zem von Mün­chen nach Schal­ke. Bild: © Soccer.ru unter CC BY-SA 3.0

Ver­gli­chen mit ande­ren Jah­ren waren die Bay­ern in die­ser Som­mer­pau­se recht spar­sam: Alphon­so Davies kam für geschätz­te 10 Mil­lio­nen aus Kana­da, Leon Goretz­ka ablö­se­frei aus Schal­ke, dazu  Rena­to San­ches sowie der bereits letz­ten Som­mer ver­pflich­te­te, aber an Hof­fen­heim aus­ge­lie­he­ne Ex-VfBler Ser­ge Gna­b­ry. Dem gegen­über ste­hen die Abgän­ge von Arturo Vidal und seit Mon­tag Sebas­ti­an Rudy, eine wei­te­rer ehe­ma­li­ger Brust­ring­trä­ger, auch Ber­nat wur­de noch abge­ge­ben. Wie bewer­test Du die bis­he­ri­ge Trans­fer­bi­lanz von Hasan Sali­ha­mid­zic in die­sem Som­mer?

Zur Beson­der­heit des FC Bay­ern gehört, dass eine Sai­son erst bewer­tet wer­den kann, wenn das Ergeb­nis aus der Cham­pi­ons League vor­liegt. Hört sich für Fans ande­rer Ver­ei­ne per­vers an – und das ist es auch. Es ist eine inter­es­san­te Aus­dün­nung des Kaders, die gut gehen kann, aber auch jede Men­ge Poten­zi­al für Pro­ble­me bie­tet.

Immer noch nicht ganz aus­ge­schlos­sen ist ein Wech­sel von Jérô­me Boat­eng und eine Ver­pflich­tung von Ben­ja­min Pavard durch den FCB. Dass er grund­sätz­lich nach Mün­chen wech­selt, scheint beschlos­se­ne Sache. Wie ist Dei­ne Mei­nung aus Münch­ner Sicht? Lie­ber ein Jahr war­ten und Geld spa­ren oder ihn sofort ver­pflich­ten?

Mei­ner Mei­nung nach wäre der Ide­al­fall aus Spie­ler­sicht – und um ihn geht es hier vor­ran­gig – ein wei­te­res Jahr in Stutt­gart mit anschlie­ßen­dem Wech­sel. Bei allem Talent und guter Leis­tung muss Pavard jetzt erst­mal sei­ne WM-Leis­tung ver­ar­bei­ten. Die kör­per­li­che und men­ta­le Belas­tung sowie die gestie­ge­ne Erwar­tungs­hal­tung. Das allein ist eine gro­ße Auf­ga­be, da bräuch­te es nicht noch das Ram­pen­licht, Nach­fol­ger von Jero­me Boat­eng zu sein.

Im Mai ver­län­ger­ten Arjen Rob­ben und Franck Ribe­ry ihre Ver­trä­ge jeweils um ein wei­te­res Jahr. Hät­test Du sie auf­grund ihres für Fuß­bal­ler fort­ge­schrit­te­nen Alters lie­ber schon im Mai ver­ab­schie­det, oder bist Du froh, dass die­se bei­den Spie­ler noch in die­ser Sai­son für den FC Bay­ern auf­lau­fen?

Die­se Fra­ge beant­wor­tet sich schnell: Las­sen wir Rob­ben und Ribe­ry vir­tu­ell zehn­mal gegen alle 17 Außen­ver­tei­di­ger der Geg­ner andrib­beln und über­le­gen uns, in wie vie­len Fäl­len sie das Dribb­ling gewin­nen. Sicher nicht mehr sie­ben- oder acht­mal wie viel­leicht zu ihren bes­ten Zei­ten. Aber immer noch häu­fig genug, um weit über Liga­schnitt zu lie­gen. 

Die ver­gan­ge­ne Sai­son ende­te für den FCB über­ra­schen­der Wei­se weder mit einem Tri­ple oder einem Dou­ble, “ledig­lich” die Meis­ter­schaft konn­te am Ende dem Brief­kopf hin­zu­ge­fügt wer­den. Was hat Dich mehr geär­gert? Das Aus­schei­den aus der Cham­pi­ons League oder die Art und Wei­se, in der man das Pokal­fi­na­le gegen Ein­tracht Frank­furt ver­lor?

Man müss­te ein kal­ter Stein­block sein, um in der Ent­täu­schung über das ver­lo­re­ne Pokal­fi­na­le nicht wenigs­tens ein Fünk­chen Freu­de für die Ein­tracht zu emp­fin­den. Die­ser Sieg war etwas, das wir im deut­schen Fuß­ball schon lan­ge nicht mehr sehen durf­ten in all sei­nen Facet­ten. Die Bay­ern wur­den in bei­den Spie­len bestraft. Ein­mal für indi­vi­du­el­le Abwehr­feh­ler und ein­mal für eine arro­gan­te Ein­stel­lung. Letz­te­res stört mich mehr als Ers­te­res.

Oder gar die 4:1‑Niederlage am letz­ten Spiel­tag im eige­nen Sta­di­on? Spaß bei­sei­te, das Ergeb­nis war am Ende für unse­ren Gemüts­zu­stand wahr­schein­lich wich­ti­ger als für Euren. Nichts­des­to­trotz, eine solch hohe Nie­der­la­ge am Tag der Über­ga­be der Scha­le ist auch für die Bay­ern unge­wöhn­lich. Täuscht mein Ein­druck, dass der Mann­schaft nach dem Cham­pi­ons-League-Aus ein Fun­ke Moti­va­ti­on und Pus­te fehl­te?

Ich den­ke, inzwi­schen kann man davon aus­ge­hen, dass das Aus­schei­den eine wesent­li­che Rol­le gespielt hat. Die Spie­ler haben es zum Teil offen ange­spro­chen und es war auch deut­lich zu sehen. Mei, es sind halt auch Men­schen, selbst wenn das als Fan schwer zu akzep­tie­ren und auch nicht der Anspruch des FC Bay­ern ist. Der Ver­ein hät­te natür­lich lie­ber Sieg­ma­schi­nen. Aber das wür­de den Kern des Sports ad absur­dum füh­ren. Wobei ich den Kon­junk­tiv für die Bun­des­li­ga ja schon strei­chen muss.

Kom­men wir zur aktu­el­len Sai­son: Ein 5:0 im Super­cup gegen Frank­furt, ein müh­sa­mes 1:0 gegen Drochtersen/Assel und am Frei­tag ein 3:1 gegen Hof­fen­heim ste­hen bis­her in der Bilanz. Lässt sich aus die­sen drei Spie­len schon irgend­et­was über den wei­te­ren Sai­son­ver­lauf ablei­ten? Und wer könn­te dem FCB die­ses Jahr Dei­ner Mei­nung nach in der Meis­ter­schaft gefähr­lich wer­den?

Dort­mund, Schal­ke und Lever­ku­sen haben die Mög­lich­kei­ten, dem FCB die Stirn zu bie­ten. Bei Hof­fen­heim und Leip­zig habe ich zu vie­le Fra­ge­zei­chen was eine gan­ze Sai­son angeht. Aus den bis­he­ri­gen Spie­len lässt sich lei­der noch nichts ablei­ten, was man nicht schon vor­her gewusst hät­te. Die Bay­ern sind indi­vi­du­ell stark und pro­fi­tie­ren davon, seit Jah­ren mit dem­sel­ben Kern an Spie­lern Fuß­ball zu spie­len. 

Wie ist denn Dein Ein­druck vom neu­en Trai­ner Niko Kovac bis­her? Meinst Du, er bleibt über einen län­ge­ren Zeit­raum, oder wird Jupp Heyn­ckes ein wei­te­res Mal aus dem Ruhe­stand zurück geholt?

Auch das ist jetzt nicht seri­ös zu beant­wor­ten. Es tut mir leid, hier häu­fig aus­wei­chend zu ant­wor­ten, aber ich ver­su­che nicht zu früh Urtei­le zu fäl­len. Das ist mei­ner Mei­nung nach etwas sehr Anstren­gen­des im heu­ti­gen Fuß­ball­ge­schäft. Las­sen wir mal zehn, zwan­zig Pflicht­spie­le ins Land gehen und war­ten wir die ers­te Kri­se ab. Dann sehen wir, wel­che Art Bay­ern­trai­ner Niko Kovac ist und wel­chen Rück­halt er wirk­lich genießt.

Sven Ulreichs letzter großer Auftritt im Neckarstadion. Bild: © VfB-Bilder.de
Sven Ulreichs letz­ter gro­ßer Auf­tritt im Neckar­sta­di­on. Bild: © VfB-Bilder.de

Sven Ulreich wird wahr­schein­lich am Sams­tag­abend kei­nen Elf­me­ter von Chadrac Ako­lo vor der Cannstat­ter Kur­ve parie­ren. Was glaubst Du, wie es mit ihm wei­ter­geht, jetzt wo Manu­el Neu­er wie­der fit ist? Ist geplant, ihn in Pokal- oder Euro­pa­po­kal­spie­len ein­zu­set­zen?

Manu­el Neu­er ist die kla­re Num­mer eins. Ich zitie­re hier aus einem Alb­traum, den Marc-André ter Ste­gen sicher häu­fi­ger hat­te. So wie ich Sven Ulreich bis­her erlebt habe, kann er mit die­ser Erkennt­nis aber sehr gut in sei­ner Bay­ern­bett­wä­sche schla­fen und hat auch nicht vor, sie gegen die eines ande­ren Ver­eins zu wech­seln.

Wo wir grad bei Euro­pa sind: Was macht Dich zuver­sicht­lich, dass es die­ses Jahr end­lich mal wie­der ein Ren­dez­vouz mit dem Hen­kel­pott geben wird?

Nicht all­zu viel, offen gesagt. Die Kon­kur­renz ent­wi­ckelt sich bestän­dig wei­ter, aus dem Kreis der bis­he­ri­gen Ach­tel- und Vier­tel­fi­na­lis­ten drän­gen immer mehr Ver­ei­ne deut­lich Rich­tung Halb­fi­na­le. Mei­ner Ein­schät­zung nach ist das Dau­er­abon­ne­ment auf einen Halb­fi­nal­platz für Bay­ern am Aus­lau­fen. Mit etwas Los­pech erle­ben wir den Welt­un­ter­gang in Form eines Aus­schei­dens im Ach­tel- oder Vier­tel­fi­na­le. 

Nach den Stär­ken des FCB brau­che ich Dich glau­be ich nicht zu fra­gen. Wo siehst Du Schwä­chen in der Bay­ern-Mann­schaft?

Ich erspa­re dei­nen Lesern mal tak­ti­sche Aus­wüch­se an die­ser Stel­le und gehe auf einen psy­cho­lo­gi­schen Punkt ein: Den Bay­ern fehlt in den ent­schei­den­den inter­na­tio­na­len Spie­len eine kalt­blü­ti­ge Ruhe am und gegen den Ball. Sie spie­len sel­ten schlecht, aber ver­schwen­de­risch nach hin­ten und vor­ne. Gute Mann­schaf­ten rob­ben (pun inten­ded) sich an den Sieg her­an, gro­ße Mann­schaf­ten las­sen ihn zu sich kom­men wie Luke Sky­wal­ker sein Licht­schwert. Die Macht, die dabei mit ihnen ist, speist sich aus der fel­sen­fes­ten und unum­stöß­li­chen Gewiss­heit: Wir machen das heu­te. Und eigent­lich ist uns auch egal wie.  

Zur Vor­be­rei­tung auf den Rasen­funk ver­folgst Du ja nicht nur den FCB, son­dern auch ande­re Ver­ei­ne. Wie ist Dei­ne Außen­sicht auf den VfB, die im Som­mer ent­stan­de­ne Eupho­rie und den bis­lang ernüch­tern­den Sai­son­start?

Der VfB hat jetzt im zwei­ten Jahr in Fol­ge einen Resch­ke-Kader bekom­men – was sei­ne Iro­nie dar­aus gene­riert, dass am letz­ten Kader Schin­del­mei­ser noch wesent­lich betei­ligt war. Die Mischung aus jun­gen Talen­ten und erfah­re­nen Spie­lern ist wie­der hoch inter­es­sant und regt zum Träu­men an. Genau hier sehe ich die größ­te Gefahr und wenn ich lese, wie Micha­el Resch­ke schon vor der Sai­son die Erwar­tun­gen her­un­ter geschraubt hat (nach drei Spie­len kön­ne man auch nur mit einem Punkt da ste­hen), dann bin ich damit wohl nicht allei­ne. Greif­bar wird die Her­aus­for­de­rung des VfB an tak­ti­schen Din­gen: Wie will man gegen tief ste­hen­de Geg­ner Chan­cen gene­rie­ren? Und wie lan­ge wiegt die grup­pen­psy­cho­lo­gi­sche Bedeu­tung eines Chris­ti­an Gent­ner sei­ne doch lei­der immer wie­der zu sehen­den tak­ti­schen Feh­ler­chen auf? Wie resis­tent ist er VfB gegen indi­vi­du­el­le Feh­ler und was macht er, wenn Plan A und auch Plan B nicht funk­tio­nie­ren?

Ich möch­te weder die Leis­tung von Chris­ti­an Gent­ner klein­re­den noch schwarz­ma­len, sehe aber ein­fach vie­le Fra­ge­zei­chen. Und wenn man auf die letz­ten fünf Jah­re Bun­des­li­ga schaut, dann sind vier von fünf Mann­schaf­ten am Anspruch geschei­tert, aus einem guten Kader auch eine Mann­schaft zu for­men, die kon­trol­lier­te Gefahr gegen defen­si­ve Geg­ner kre­ieren kann. Das ist nur in Aus­nah­me­fäl­len in einer Sai­son zu schaf­fen. 

Abschlie­ßend: Dein Tipp fürs Spiel?

Der VfB wird ein unan­ge­neh­mer Geg­ner sein und min­des­tens ein Tor erzie­len. Aber Bay­ern ist halt Bay­ern, was soll man da machen. 2:1 für die Münch­ner.

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