Der VfB verspielt gegen Hannover in letzter Minute zwei Punkte, weil alle davon ausgingen, dass ein 1:0 auch diesmal reichen würde. Eine ärgerliche Fehleinschätzung.
Eigentlich ist ja alles im grünen Bereich. Nachdem wir jetzt auch das Montagsspiel abgewartet haben, damit sich Freiburg und Mainz von den anstrengenden Spielen im Europapokal erholen konnten, hat der VfB immer noch neun Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz und damit den Klassenerhalt auch weiterhin so gut wie geschafft. Außerdem müssten ja Freiburg, Mainz und Wolfsburg jetzt noch alles gewinnen und wir alles verlieren und alle dazwischen auch und die spielen ja auch noch alle gegeneinander und überhaupt, wir sind doch Aufsteiger und sollten wissen, wo wir herkommen.
Es hatte aber auch viel schöner sein können. Die Sonne scheint, das Neckarstadion ist bis auf den Martin Kind boykottierenden Gästeblock ausverkauft, ich besuche zum 250. Mal ein Spiel meines Herzensvereins und der VfB schlägt Hannover und beweist allen, dass Dortmund und vor allem Hamburg nur ein Ausrutscher in der sonst sehr positiven Rückrunde waren.
Der VfB bleibt der VfB
Leider ist der VfB 2018 aber immer noch der VfB, oder wie es der Vertikalpass nennt, der Verein für Belanglosigkeit. Leider schafft es der Verein, beziehungsweise in dem Fall Mannschaft und Trainer, aber trotz der gefühlten Egalheit des Spiels, mich aufzuregen. Mit dem Ergebnis an sich kann ich leben — ein passendes mittelmäßiges Resultat eines mittelmäßigen Spiels zwischen zwei mittelmäßigen Bundesliga-Teams -, nicht aber mit dem Spielverlauf. Nicht damit, dass sich die Mannschaft einfach darauf verlässt, dass Erik Thommys sehr sehenswertes Führungstor schon reichen würde und ein weiteres Tor nicht notwendig ist. Als ich mir einen entspannten April und Mai gewünscht habe, zielte ich auf meine Entspannung ab. Nicht die der Mannschaft. So viel war in den letzten Jahren vom Druck die Rede, unter dem die Mannschaft angesichts des drohenden Abstiegs stünde. Timo Baumgartl hat in seiner Profikarriere glaube ich noch nie ein Saisonfinale ohne Druck gehabt. Jetzt ist der weg und die Mannschaft könnte befreit aufspielen, glücklich, dass sie aus dem Tal, in dass sie sich und den Verein Anfang des Jahres beförderte hatte, wieder herausgekommen ist.
Doch anstatt sich am durchaus schlagbaren Gegner mal so richtig auszutoben und zu verausgaben, wurde der VfB am Samstag im Neckarstadion zur elfköpfigen Couch Potato. Am deutlichsten wurde das nach dem 1:0, als 96 weiter aufrückte und im Aufbauspiel Fehler machte. Plötzlich waren zwischen Ball und Tor nur noch die Mittellinie und maximal zwei Verteidiger. Aber leider eben auch nur Mario Gomez. Anstatt den Gegner richtig schön auszukontern schmeißt das Team minus ballführendem Spieler und eben Gomez lieber hinten den Grill an und schaut gemütlich zu, was wohl zwei Offensivspieler gegen eine wachsende Anzahl zurückeilender Verteidiger so anstellt. Da werden zehn Ecken überall hin getreten, nur nicht gefährlich vors Tor. Und da segelt dann in der 91. Minute auch mal ein langer Ball in den Stuttgarter Strafraum, der so lange unterwegs ist, dass Holger Badstuber sich noch ein Steak auf erwähnten Grill hätte schmeißen können, bevor er Füllkrug am Kopfball hindert (was Ron-Robert Zieler nicht von der Pflicht entbindet, sich richtig vor seinem Tor zu positionieren).
Die Floskel vom Pferd
Als Fußball-Fan und ‑Blogger ist man ja leicht dazu verleitet, sich in Floskeln und Plattitüden zu verlieren. Wahrscheinlich denkt auch jeder Fan, dass diese genau auf seinen Verein zutreffen. Aber es kann kein Zufall sein, dass das Wappen der Stadt Stuttgart ein Pferd zeigt. Denn auch in diesem Spiel sprang das Rössle nur so hoch, wie es musste — oder wie es vermutete, dass es müsse. Da werden Erinnerungen wach an das letzte Rückrundenspiel gegen Hannover, als man sich auf einer 0:1‑Niederlage ausruhte, weil man durch den Kantersieg der Bielefelder gegen Braunschweig schon so gut wie aufgestiegen war. So gut wie. Genauso gut wie wir jetzt schon den Klassenerhalt sicher machen. Aber warum denn den Weg des geringsten Widerstands gehen? Warum sich mit dem Minimum zufrieden geben? Es war ja nicht so, als hätte 96 uns an die Leistungs- oder gar die Belastungsgrenze gebracht.
Leider unternahm auch Tayfun Korkut wenig, um aus dem seiner Meinung nach “ordentlichen Spiel”. Wer weiß, ob die Konterphobie vom Trainer vorgegeben oder der Bequemlichkeit der Mannschaft geschuldet war. Aber warum nicht einfach mal Anastasios Donis bei eigener Führung die Chance geben, es besser zu machen als Daniel Ginczek? Warum nicht Jacob Bruun Larsen reinwerfen. Beide hätten mit Sicherheit noch einmal für mehr Zug um Tor gesorgt, als die Spieler die auf dem Platz standen, schon allein um sich zu beweisen. Stattdessen schaltete auch der Trainer in den Verwaltungsmodus und wunderte sich dann, dass seiner Mannschaft das Glück dieses Mal nicht bis zum Abpfiff hold war. Das für das nächste Spiel wahrscheinlich Andreas Beck und Benjamin Pavard ausfallen, macht mich nicht viel zuversichtlicher, dass wir mit dieser Taktik gegen Bremen mehr Fortune haben werden.
Bedenklich
Natürlich beruht die Serie, mit der sich der VfB aus dem Keller gearbeitet, nicht nur auf Glück. Aber es war, wenn man sich die Partien einzeln anschaut auch ein nicht unerheblicher Faktor. Sollte man nicht gerade dann und auch im Hinblick auf die kommende Saison dafür sorgen, dass man nicht so sehr davon abhängig ist? Natürlich erwartet keiner im Stadion, dass die Mannschaft, ähnlich wie der alte und neue deutsche Meister nun ganz befreit jeden Gegner an die Wand nagelt. Und es geht mir auch nicht darum, dass die Spieler verpflichtet sind, den Fans jetzt schönen Fußball zu bieten. Aber es ist einfach bedenklich, dass die Mannschaft die Saison auf diese Art und Weise austrudeln lässt. Gegen Dortmund war ja in der ersten Halbzeit wenigstens noch Zug drinne. Aber schon gegen Hamburg hatte ich das Gefühl, dass da mehr hätte gehen können, wenn man gewollt hätte.
Ich hatte gehofft, dass man der Mannschaft diese Einstellung nicht durchgehen lässt. Aber sowohl Korkut, als auch Michael Reschke schauen nur auf das, durchaus vertretbare Ergebnis des Spiels. Mit der Herangehensweise holen wir aber in den letzten vier Spielen keinen Blumentopf mehr. Reicht ja auch so.