Das Spiel des VfB gegen Leipzig konnte man sich über weite Strecken sogar anschauen. Am Ende stehen trotzdem null Punkte und eine vertagte Diskussion.
Vor wenigen Wochen, nach der 4:1‑Klatsche in München, schrieb ich, dass sich nicht nur das Tabellenbild, sondern auch der VfB im Stillstand befindet. Nach einer Woche, in der der VfB seinen Sportvorstand entlassen und die Position neu besetzt hat, kann man eigentlich nicht von Stillstand sprechen. Nach einer weiteren erwartbaren Niederlage gegen eine Spitzenmannschaft der Liga eigentlich schon. Und erst recht, weil die seit den letzten Spielen immer dringender gewordene Frage nach der Zukunft von Trainer Markus Weinzierl nicht beantwortet, sondern einfach verschoben wurde.
Das Spiel gegen Salzburg-Nord hilft bei der Beantwortung der Frage nicht so wirklich weiter. Hätte Thomas Hitzlsperger, der direkt nach seinem Amtsantritt als Sportdirektor die Aussage seines Vorgängers bestätigt hatte, dass Weinzierl am Samstag auf der Bank saß, diesen nach einer über Teile des Spiels verbesserten Leistung gegen eine der Gelddruckmaschinen der Liga entlassen können? Oder hätte er es tun müssen, nachdem die Mannschaft erneut durch haarsträubendes Abwehrverhalten in Rückstand geriet und hintenraus den Gegentoren 49 und 50 der laufenden Saison offensiv nicht mehr viel entgegenzusetzen hatte? Am Ende ist es wahrscheinlich eine Frage der zeitlichen Dynamik der vergangenen Woche: Hitzlsperger möchte zeigen, dass es mit ihm besser läuft, deswegen gibt er Markus Weinzierl etwas mehr Zeit, als es vielleicht gut für diesen und den VfB wäre.
Don’t blame it on the referee
Aber: Braucht diese Mannschaft wirklich nur einen Impuls durch den Wechsel zum mittlerweile dritten Übungsleiter in dieser Saison? Es ist irgendwie schwer vorstellbar, dass die Herren im Brustring jetzt in den Spielen in Bremen und gegen Hannover anders auftreten oder gar die gute Leistung, die sie zeitweise gegen Leipzig zeigten, wiederholen werden. Hören die Abwehrfehler plötzlich auf? Erspielt sich der VfB dann mehr als die zwei Chancen und einen zweifelhaften Elfmeter, die gegen Leipzig aufs Tor kamen? Realistischer ist doch, dass sich Hannover und Nürnberg weiter genauso durch die restlichen zwölf Spiele würgen wie wir, dass vielleicht sogar Augsburg gegen andere Gegner als München wieder unterdurchschnittliche Leistungen zeigt und dass der VfB mal ein wenig Glück hat. Oder das alles tritt nicht ein und wir müssen entweder in die Relegation oder gehen direkt runter — egal mit welchem Trainer.
Was uns übrigens im Abstiegskampf nicht hilft, sind die wöchentlichen Beschwerden über den Schiedsrichter. Ja, Felix Zwayer war in seiner Zweikampfbewertung genauso schlecht wie Aytekin vor zwei Wochen in den letzten zehn Minuten. Das 1:1, das durch einen an Lächerlichkeit nicht zu überbietenden Freistoß entstand, nachdem Poulsen Kabak und sich selber vorm Strafraum des VfB zu Boden rang, als “Knackpunkt” des Spiel zu beschreiben, wie es Ron-Robert Zieler tat, ist ziemlich realitätsfremd. Schließlich kam der VfB durch eine Fehlentscheidung Zwayers überhaupt erst zum Ausgleich und in der Folge in die Position, auf ein mögliches 2:1 drücken zu können. Die Entstehung des Treffers von Steven Zuber (gleichzeitig dessen beste Aktion seit er im VfB-Trikot aufläuft) offenbart die ganze Absurdität der Schiedsrichterei im Jahr 2019. Nach einem hohen Ball Richtung Leipziger Strafraum stiegen Mario Gomez und sein Gegenspieler zum Kopfballduell hoch, in dessen Verlauf Gomez den Ball Richtung Tor und seinem sich im Sprung befindlichen Kontrahenten an den Arm köpfte. Felix Zwayer ließ die Szene zunächst weiterlaufen und wurde dann doch von Köln aus gebeten, nochmal am Bildschirm draufzuschauen, was ihn zu der bekannten Revision seiner ursprünglichen Entscheidung veranlasste. Aber darf der VAR nicht eigentlich nur bei klaren Fehlentscheidungen eingreifen? Und was sind jetzt die Kriterien für ein strafbares Handspiel? Der ausgestreckte Arm, der sich in der Sprungbewegung nicht vermeiden lässt? Eine Vergrößerung der Körperfläche? Absicht? Wie auch immer der DFB das derzeit auswürfelt, der Schiedsrichter taugte trotz schlechter Leistung nicht als Sündenbock.
Wiederbelebung fraglich
Nein, der VfB schaffte es schlichtweg nicht, anders als andere Konkurrenten das schon getan haben, dem Favoriten ein Bein zu stellen. Weil man beim 0:1 trotz Fünferkette agierte wie eine Schülermannschaft. Weil man beim 1:3 schlichtweg von der Geschwindigkeit des Gegners überfordert war. Auch, weil man vorne außer den mittlerweile üblichen zwei bis drei Halbchancen nichts zustande brachte, was den Favoriten gefährden konnte. Da half auch weder die erneut engagierte Leistung von Alexander Esswein, noch die Tatsache, dass Christian Gentner, der in den letzen Spielen schon relativ früh ausgewechselt wurde, diesmal 90 Minuten auf der Ersatzbank verbrachte. Gonzalo Castro spielte zwar besser als er es bisher getan hat, aber der Geistesblitz, der das VfB-Spiel belebt hätte, blieb aus. Stattdessen trugen die Brustringträger den Ball vorm Tor hin und her, bis die Leipziger Abwehr formiert und der Ball weg war.
Immerhin, der VfB gab ein Lebenszeichen von sich, aber es kam zu spät und wie lange diese Wiederbelebung anhält, ist fraglich. Denn eigentlich hätten die Punkte nicht am Samstag gegen Leipzig, sondern in den letzten Wochen gegen Mainz, Freiburg und Düsseldorf geholt werden müssen. Mir graut es schon allein aus historischen Gründen vor dem Auswärtsspiel in Bremen und einem 40jährigen, dem scheinbar gerade alles gelingt. Wird der VfB sich da wieder so engagiert zeigen wie zwischenzeitlich gegen Leipzig? Und wenn nicht? Kriegt Markus Weinzierl dann gegen Hannover noch eine Chance?
Man wird derzeit das Gefühl nicht los, dass rund um den VfB keiner so richtig weiß, was er mit diesem 1:3 gegen Leipzig machen soll — mich eingeschlossen. Dem Vertikalpass geht es scheinbar genauso.