Kein Wille, kein Derby, keine Party

War­um das nächs­te Spiel des VfB kein beson­de­res und ein erstaun­li­cher­wei­se immer noch mög­li­cher Auf­stieg kein Grund zum Fei­ern ist.

“Foot­ball is not­hing wit­hout fans” — die­ses dem ehe­ma­li­gen schot­ti­schen Natio­nal­trai­ner und Coach von Cel­tic, Jock Stein, zuge­schrie­be­ne Zitat hat der­zeit nach­voll­zieh­ba­rer­wei­se Hoch­kon­junk­tur. Beim VfB konn­te man das zuletzt beob­ach­ten, als uns die Eksta­se des spä­ten Sieg­tref­fers gegen Ham­burg genau­so ver­wehrt blieb wie eine drin­gend nöti­ge Ansa­ge an die Mann­schaft nach den pein­li­chen Auf­trit­ten in Wies­ba­den, Kiel und am Sonn­tag gegen Osna­brück. Und auch das nächs­te Spiel steht unter ande­ren Vor­zei­chen. Denn in nor­ma­len Zei­ten wür­den wir das Duell mit dem Karls­ru­her SC als Der­by bezeich­nen. Aber unter die­sen Umstän­den?

Don’t call it Geister-Derby

Badenser nur virtuell ärgern? Langweilig. © Matthias Hangst/Getty Images)
Badenser nur vir­tu­ell ärgern? Lang­wei­lig. © Mat­thi­as Hangst/Getty Images)

Schon das Hin­spiel hat­te dank der ein­mal mehr kru­den Ein­satz­tak­tik der Poli­zei kaum Der­by­cha­rak­ter. Am Sonn­tag wer­den bei­de Kur­ven leer blei­ben. Kei­ne Gele­gen­heit, das Badenser­lied aus­zu­pfei­fen oder die Heim­fans mit ihren meist pein­li­chen Spruch­bän­dern dar­an zu erin­nern, wer — von den rele­van­ten Ver­ei­nen — die Num­mer 1 im Bun­des­land ist. Wor­aus speist sich dann also noch die Bri­sanz eines Der­bys, wenn nicht aus der Riva­li­tät der Fans? Sicher nicht aus der Emo­tio­na­li­tät der Spie­ler. Der ein­zi­ge, dem die­ses Spiel etwas bedeu­ten könn­te, ist Mario Gomez, weil er sich an die ver­ba­len Schar­müt­zel mit Maik “Arsch­loch” Franz aus grau­er Vor­zeit erin­nert.

Der Rest hat, vom Hin­spiel ein­mal abge­se­hen, noch kein Der­by erlebt und schein­bar auch ganz unab­hän­gig davon kein gestei­ger­tes Inter­es­se an einem Sieg am Sonn­tag. Man kann zu kei­nem ande­ren Schluss kom­men, wenn man liest, dass Tor­hü­ter Gre­gor Kobel sich und sei­nen Kol­le­gen attes­tiert, dass ihnen im fünft­letz­ten Spiel eines engen Auf­stiegs­ren­nens der Wil­le fehlt oder wenn Pas­cal Sten­zel die Arro­ganz, Bequem­lich­keit und Über­heb­lich­keit, die den VfB seit Jah­ren beglei­tet, in Wor­te gießt, die der Ver­ti­kal­pass zurecht zum Ver­eins­mot­to erhebt: “Wir dach­ten, jetzt läuft es von selbst.” Die­ses Spiel gegen Karls­ru­he hat also nichts, was ein Der­by aus­macht, auch wenn es zu Ver­mark­tungs- und Klick­zwe­cken wahr­schein­lich trotz­dem so genannt wer­den wird, genau­so wie das fol­gen­de Heim­spiel gegen Sand­hau­sen. Das ist aber für mich kein Grund für über­mä­ßi­ge Vor­freu­de. 

Kein Grund zu feiern

Endlich wieder "ERSTKLASSIG". Ach war und wär das schön! © imago
End­lich wie­der “ERSTKLASSIG”. Ach war und wär das schön! © ima­go

Genau­so ver­hält es sich mit einem mög­li­chen Auf­stieg. Der ist vor allem trotz so blut­lee­rer Dar­bie­tun­gen wie der am ver­gan­ge­nen Sonn­tag nur des­halb noch nicht außer Reich­wei­te, weil sich der HSV und der VfB qua­si seit Sai­son­be­ginn ein Auf­stiegs­ren­nen lie­fern, in dem sie ver­su­chen, sich gegen­sei­tig an Aus­rut­schern und Pein­lich­kei­ten zu über­bie­ten. Gar­niert mit zweit­klas­si­gen Schieds­rich­tern, die neu­er­dings schein­bar sogar bereit sind, im Sin­ne ihres Ver­bands und des­sen fehl­ge­schla­ge­nen VAR-Pro­jekts zu lügen. Wer aus die­sem Schne­cken­ren­nen zwei­er Ver­ei­ne, die man mitt­ler­wei­le nur noch anhand den Far­ben aus­ein­an­der hal­ten kann, als Sie­ger her­vor­geht, braucht nun wirk­lich nicht groß zu fei­ern, selbst wenn die wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen nicht außer Acht zu las­sen sind. Eine Auf­stiegs­fei­er auf dem Wasen wie vor drei Jah­ren wäre also nicht nur wegen der wahr­schein­lich auch Ende des Monats noch gel­ten­den Ein­schrän­kun­gen unmög­lich, sie wäre auch nicht ange­bracht ange­sichts die­ser Rum­pel­sai­son, in der man erneut nicht ohne Trai­ner­wech­sel aus­kam.

Abge­se­hen davon habe ich schon 2017 nicht ver­stan­den, war­um man einen Auf­stieg nach knapp 40 Jah­ren unun­ter­bro­che­ner Bun­des­li­ga­zu­ge­hö­rig­keit über­haupt mit einem Platz­sturm, einer gro­ßen Sau­se und beglei­ten­dem Mer­chan­di­se fei­ern muss. Die T‑Shirt-Auf­schrift “Erst­klas­sig” soll­te bei aller ange­brach­ten Beschei­den­heit und Demut der Nor­mal­zu­stand des VfB Stutt­gart sein, erst recht nach der Aus­glie­de­rung. Statt­des­sen wur­de damals so getan als hät­ten wir uns aus der Ver­bands­li­ga end­lich in die ers­te Liga hoch­ge­kämpft und nicht mit Ach und Krach einen zwar ver­dien­ten aber ver­meid­ba­ren Abstieg aus­ge­bü­gelt. Nach­dem man mit einem wei­te­ren Abstieg nur zwei Jah­re spä­ter auf­pas­sen muss, nicht zum Fahr­stuhl­ver­ein zu wer­den, soll­te man fei­er­tech­nisch den Ball ganz flach hal­ten. 

Aber bevor wir uns dar­über den Kopf zer­bre­chen: Erst­mal das Nicht-Der­by gewin­nen. Das wird mit so viel aku­ter Unlust wie gegen Osna­brück schwer genug. 

Titel­bild: © Pool/Tom Weller/Pool via Get­ty Images

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