Warum das nächste Spiel des VfB kein besonderes und ein erstaunlicherweise immer noch möglicher Aufstieg kein Grund zum Feiern ist.
“Football is nothing without fans” — dieses dem ehemaligen schottischen Nationaltrainer und Coach von Celtic, Jock Stein, zugeschriebene Zitat hat derzeit nachvollziehbarerweise Hochkonjunktur. Beim VfB konnte man das zuletzt beobachten, als uns die Ekstase des späten Siegtreffers gegen Hamburg genauso verwehrt blieb wie eine dringend nötige Ansage an die Mannschaft nach den peinlichen Auftritten in Wiesbaden, Kiel und am Sonntag gegen Osnabrück. Und auch das nächste Spiel steht unter anderen Vorzeichen. Denn in normalen Zeiten würden wir das Duell mit dem Karlsruher SC als Derby bezeichnen. Aber unter diesen Umständen?
Don’t call it Geister-Derby

Schon das Hinspiel hatte dank der einmal mehr kruden Einsatztaktik der Polizei kaum Derbycharakter. Am Sonntag werden beide Kurven leer bleiben. Keine Gelegenheit, das Badenserlied auszupfeifen oder die Heimfans mit ihren meist peinlichen Spruchbändern daran zu erinnern, wer — von den relevanten Vereinen — die Nummer 1 im Bundesland ist. Woraus speist sich dann also noch die Brisanz eines Derbys, wenn nicht aus der Rivalität der Fans? Sicher nicht aus der Emotionalität der Spieler. Der einzige, dem dieses Spiel etwas bedeuten könnte, ist Mario Gomez, weil er sich an die verbalen Scharmützel mit Maik “Arschloch” Franz aus grauer Vorzeit erinnert.
Der Rest hat, vom Hinspiel einmal abgesehen, noch kein Derby erlebt und scheinbar auch ganz unabhängig davon kein gesteigertes Interesse an einem Sieg am Sonntag. Man kann zu keinem anderen Schluss kommen, wenn man liest, dass Torhüter Gregor Kobel sich und seinen Kollegen attestiert, dass ihnen im fünftletzten Spiel eines engen Aufstiegsrennens der Wille fehlt oder wenn Pascal Stenzel die Arroganz, Bequemlichkeit und Überheblichkeit, die den VfB seit Jahren begleitet, in Worte gießt, die der Vertikalpass zurecht zum Vereinsmotto erhebt: “Wir dachten, jetzt läuft es von selbst.” Dieses Spiel gegen Karlsruhe hat also nichts, was ein Derby ausmacht, auch wenn es zu Vermarktungs- und Klickzwecken wahrscheinlich trotzdem so genannt werden wird, genauso wie das folgende Heimspiel gegen Sandhausen. Das ist aber für mich kein Grund für übermäßige Vorfreude.
Kein Grund zu feiern

Genauso verhält es sich mit einem möglichen Aufstieg. Der ist vor allem trotz so blutleerer Darbietungen wie der am vergangenen Sonntag nur deshalb noch nicht außer Reichweite, weil sich der HSV und der VfB quasi seit Saisonbeginn ein Aufstiegsrennen liefern, in dem sie versuchen, sich gegenseitig an Ausrutschern und Peinlichkeiten zu überbieten. Garniert mit zweitklassigen Schiedsrichtern, die neuerdings scheinbar sogar bereit sind, im Sinne ihres Verbands und dessen fehlgeschlagenen VAR-Projekts zu lügen. Wer aus diesem Schneckenrennen zweier Vereine, die man mittlerweile nur noch anhand den Farben auseinander halten kann, als Sieger hervorgeht, braucht nun wirklich nicht groß zu feiern, selbst wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen nicht außer Acht zu lassen sind. Eine Aufstiegsfeier auf dem Wasen wie vor drei Jahren wäre also nicht nur wegen der wahrscheinlich auch Ende des Monats noch geltenden Einschränkungen unmöglich, sie wäre auch nicht angebracht angesichts dieser Rumpelsaison, in der man erneut nicht ohne Trainerwechsel auskam.
Abgesehen davon habe ich schon 2017 nicht verstanden, warum man einen Aufstieg nach knapp 40 Jahren ununterbrochener Bundesligazugehörigkeit überhaupt mit einem Platzsturm, einer großen Sause und begleitendem Merchandise feiern muss. Die T‑Shirt-Aufschrift “Erstklassig” sollte bei aller angebrachten Bescheidenheit und Demut der Normalzustand des VfB Stuttgart sein, erst recht nach der Ausgliederung. Stattdessen wurde damals so getan als hätten wir uns aus der Verbandsliga endlich in die erste Liga hochgekämpft und nicht mit Ach und Krach einen zwar verdienten aber vermeidbaren Abstieg ausgebügelt. Nachdem man mit einem weiteren Abstieg nur zwei Jahre später aufpassen muss, nicht zum Fahrstuhlverein zu werden, sollte man feiertechnisch den Ball ganz flach halten.
Aber bevor wir uns darüber den Kopf zerbrechen: Erstmal das Nicht-Derby gewinnen. Das wird mit so viel akuter Unlust wie gegen Osnabrück schwer genug.
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