Am Mittwoch startet der VfB in die zigste Umbruchsaison in Folge. Diesmal erzwang der Abstieg die Zäsur. Aber kann man wirklich von einer solchen sprechen? Beim VfB passiert derzeit wenig. Viel zu wenig.
Drei neue Spieler, ein neuer Trainer samt Team und zwei Ex-Spieler in neuen Positionen. Das ist das bisherige Arbeitszeugnis der Vereinsführung des VfB, die sich derzeit aus einem dreiköpfigen Aufsichtsrat, dem Marketingverantwortlichen und dem Schatzmeister zusammensetzt. Hätte der Verein, wie wir alle im Februar noch gehofft hatten, die Saison im Mittelfeld abgeschlossen, könnte man sich als Fan wahrscheinlich entspannt zurücklehnen und die Europameisterschaft genießen. Wer aber noch nicht völlig im Schlandtaumel ist, dem macht die aktuelle Situation, sieben Wochen vor Saisonbeginn, langsam Angst.
Die halbe Mannschaft hängt in der Luft
Denn noch immer hat der VfB keinen, der sich hauptamtlich um die sportlichen Belange des Vereins kümmert. Sicherlich wird der Transferstau auch damit zusammenhängen, dass bislang nur wenige Spieler den Verein offiziell verlassen haben und auch nicht alle eine Ablöse einbrachten. Aber gleichzeitig lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, dass die sportliche (Neu-) Ausrichtung auf die zweite Liga beim VfB derzeit weder Hand noch Fuß hat. Klar, den amtierenden Torschützenkönig der zweiten Liga zu verpflichten ist nahe liegend. Wahrscheinlich ist auch der Preis von um die 3 Millionen Euro (oder worauf man sich am Ende geeinigt hat) ein guter Deal. Der Sturm ist aber nicht der einzige Mannschaftsteil, der dringend geupdated werden muss. Für die Abwehr verpflichtete man einen polnischen Innenverteidiger, der, wie wir erfahren haben, auch kein Zweikampfmonster ist. Zwar haben glücklicherweise sowohl Georg Niedermeier wie auch Daniel Schwaab dem Verein den Rücken gekehrt, mit Baumgartl und Kaminski allein wird es aber auch in der 2. Liga schwierig. Immerhin wurde der Transfer von Jean Zimmer schon während der Saison fix gemacht, wobei noch abzuwarten bleibt, wo der überhaupt spielen soll, wenn Großkreutz fit ist.
Die Frage, welche Funktion der überhaupt hat, kann man problemlos auf die Führungsebene übertragen. Nach der harschen Fankritik an der Besetzung der Führungsgremien (mehr Sportkompetenz!, was auch immer die im Aufsichtsrat oder auf dem Präsidentensessel zu suchen hat) hat der VfB zwei ehemalige Spieler angestellt. Marc Kienle soll die Schnittstelle zwischen Scouting, Nachwuchs und Profibereich bearbeiten, Thomas Hitzlsperger die zwischen Vereinsführung und Mannschaft. Was das genau zum Wiederaufstieg beitragen soll, weiß noch keiner so richtig, aber Hauptsache Sportkompetenz. Ecke Pardo, Hitz schießt, Tor! Zweitligameister. Oder so.
Der Geduldsfaden wird kürzer
Aber die zentrale Person fehlt immer noch. Und man wird das Gefühl nicht los, dass wer auch immer gerade beim VfB die Fäden in der Hand hält, vor allem erstmal die Bruddler ruhig stellen will. Ja, das Tragische Dreieck mahnte Anfang Juni noch Geduld an, die geht mir aber ehrlich gesagt so langsam flöten. Es ist ja nicht so, als ob die Konkurrenz schliefe. Dass man einen Spieler eventuell erst verpflichten kann, wenn man Werner für kleines Geld nach Leipzig verschenkt hat oder Kostic für großes Geld nach Spanien, dass kann ich ja noch irgendwo verstehen, auch wenn ich mich frage, was mit dem Geld ist, dass wir für Rüdiger bekommen haben. Aber dass man eine Personalentscheidung trifft und dann wochenlang keinen Nachfolger präsentieren kann, das ist schon peinlich.
Das Ganze erinnert ungut an die Episode um Adam Hlousek zu Anfang der vergangenen Saison. Auch damals ließ man eine Schlüsselposition, diesmal in der Mannschaft, fahrlässigerweise unbesetzt. Und als zu Saisonbeginn immer noch kein Innenverteidiger gefunden war, machte man den Bock zum Gärtner und einen durchschnittlichen Außenverteidiger zu einem unterdurchschnittlichen Innenverteidiger, nur weil der VfB einmal mit ihm nicht die Bude voll bekommen hat. Dieser Hang zur einfachen, zur bequemen Lösung zieht sich schon seit Jahren durch beim VfB:
Unser Konzepttrainer ist gescheitert? Dann nehmen wir doch einfach den Trainer der Amateure. Der hat einen Champions League-Teilnehmer geschlagen? Dann behalten wir den doch einfach. Wir spielen zwar eine unansehnlichen Fußball, sind aber damit ins Pokalfinale gekommen? Dann verlängern wir doch einfach mit dem Trainer. Wir finden keinen Ersatz für Mario Gomez? Dann gehen wir doch einfach mit Cacau, Marica, Schieber und Riedle in die Champions League-Saison.
Keine Experimente!
Das Problem: Es ist bislang immer gut gegangen. Die Zeiten sind jetzt aber vorbei. Die 2. Bundesliga ist keine Spielwiese und erst recht kein Versuchslabor, wie lange man ohne qualifiziertes Personal vor sich hinwurschteln kann, bevor es jemandem auffällt. Wir müssen hellwach sein und die ganze Saison über bleiben. Wenn in der Mercedesstraße nicht langsam bald mal Betrieb ist, dann wird das ein ganz schweres Jahr. Und von denen hatten wir eigentlich schon genug.