Der Berg kreißte und gebar…einen Vorstand Sport, dessen Name zwar schon im Umlauf war, von dem aber niemand so richtig weiß, ob er für den VfB der Richtige ist. Warum nach der Verpflichtung von Jan Schindelmeiser noch die Skepsis überwiegt.
Lassen wir mal zunächst die Tatsache außen vor, dass Schindelmeiser, wie er in einem Interview sagte, der TSG Hoppenheim immer noch emotional stark verbunden sei. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass Spieler und Trainer auch von solchen Vereinen zu uns wechseln, nicht zuletzt saß ja Tyton-Nachfolger Jens Krahl lange in Sinsheim auf der Bank.
Auch die Tatsache, dass der VfB knapp zwei Monate nach der Entlassung von Robin Dutt einen Nachfolger präsentiert, der nicht vertraglich gebunden war, soll hier nur am Rand betrachtet werden. Wer weiß, wer dem Aufsichtsrat in der Zwischenzeit alles abgesagt hat. Erneut hat sich gezeigt: Wenn der VfB große Ankündigungen macht, kann er die Erwartungen meist nicht erfüllen. Das war schon bei der Ankündigung von “Knallertransfers” durch Fredi Bobic so. Die angekündigte “große Lösung” — eine Formulierung, die gleich wieder dementiert wurde — ist Schindelmeiser auf jeden Fall nicht.
I don’t know what you did last summer
Das hat vor allem einen Grund: Kein Mensch weiß, was er in den letzten sechs Jahren genau gemacht hat, seit er bei der TSG auf eigenen Wunsch ausschied. In den zwanzig Jahren, in denen der ehemalige Oberliga-Fußballer im Sportmanagement tätig ist, war Hoppenheim seine einzige längere Station bei einem Verein. In den 90ern war er jeweils zwei Jahre lang bei Eintracht Braunschweig und Tennis Borussia Berlin als Manager tätig, beide Vereine spielten damals in der zweiten Liga. AlsTeBe die Lizenz verlor und zwangsabsteigen musste, nahm er sich die erste von zwei Auszeiten vom Vereinsmanagen und sammelte Erfahrungen und Kontakte in Südamerika. Nachdem er ein Engagement beim FC Augsburg wegen des Tods seiner Frau abbrechen musste, schaffte er es schließlich mit den SAP-Millionen Dietmar Hopps, sich in Deutschland einen Namen zu machen.
Diese vier Jahre zwischen 2006 und 2010 als Referenz heranzuziehen fällt schwer. Zwar verpflichtete er durchaus auch Spieler für kleines Geld — wie den in Berlin aussortierten Salilhovic — auf der anderen Seite gab Hoppenheim im einzigen Zweitliga-Jahr des Vereins auch wesentlich mehr Geld für neue Spieler aus als alle Mitbewerber. Selbst wenn diese später für wesentlich mehr Geld weiterverkauft wurden: Nicht jeder Zweitligist kann einfach mal so einen Sechs-Millionen-Transfer aus der Hüfte schießen. Zumal in Sinsheim damals ein ganz anderes Umfeld herrschte: Der mit Hopp-Millionen befeuerte Durchmarsch war eigentlich gar nicht so schnell geplant, Einflüsse von außen gab in den nordbadischen Wäldern und Wiesen auch nicht.
Vom Land in die Großstadt
Ganz anders seine neue Herausforderung: Jeder erwartet vom VfB den Wiederaufstieg und es gibt genügend Leute, die gerne mitreden würden am Wasen. Schindelmeiser wird in Bad Cannstatt wesentlich exponierter sein als in Sinsheim, wo sich alles auf Ralf Rangnick und Dietmar Hopp konzentrierte. Immerhin: Der VfB hat momentan reichlich Geld für Spielertransfers zur Verfügung und könnte notfalls auch mal ein bißchen mehr investieren. Aber wie sieht das nach einem möglichen Wiederaufstieg in der folgenden Saison aus? Um sich wieder in der ersten Liga zu etablieren sind entweder große oder intelligente Investitionen notwendig. Da der Verein in der zweiten Liga keine Millionen scheffeln wird, braucht es als Sportvorstand jemanden, der aus wenig Geld viel machen kann.
Mag sein, dass Schindelmeiser das kann. Durchaus möglich, dass er auch in Hoppenheim mit weniger Geld einen Kader zusammengestellt hätte, der durch die Liga marschiert wäre. Das große Problem: Wir wissen es nicht. Wir wissen nicht, was er in den letzten sechs Jahren gemacht hat und wir wissen nicht, ob er den Erfolg im Kraichgau unter anderen Rahmenbedingungen reproduzieren kann. Im Gegensatz zu der Verpflichtung eines erfahrenen Aufstiegstrainers und des Torschützenkönigs der zweiten Liga ist Schindelmeiser ein Experiment. Ein Schritt in unbekanntes Terrain.
Terra incognita
Das zieht zwei Probleme nach sich. Zum einen sind die VfB-Fans gebrannte Kinder, was unbekanntes Terrain angeht. Wer möge ihnen deshalb verdenken, dass sie nach Bekanntgabe der Personalie nicht gleich in Jubelstürme ausbrachen? Fast jeder, der in den letzten Jahren beim VfB einen Posten antrat, erhielt zunächst einen Vertrauensvorschuss, den alle, bis vielleicht auf Huub Stevens, erschreckend schnell durch Erfolglosigkeit aufbrauchten. Nachdem das alles in die zweite Liga geführt hat, ist man natürlich skeptisch gegenüber einem Sportvorstand, der nicht in den letzten sechs Jahren Vereine durch kluge Kaderplanung in die 1. Liga geführt hat.
Das zweite Problem: Der VfB kann sich in dieser Situation eigentlich keine Experimente leisten. So reaktionär “Keine Experimente” klingen mag: Der Verein muss so schnell wie möglich wieder raus aus dieser Liga und zwar nach oben, wenn uns nicht das vielzitierte Schicksal von Kaiserslautern und 1860 München ereilen soll. Dass Schindelmeiser mit einem Drei-Jahres-Vertrag ausgestattet wurde spricht nicht gerade dafür, dass man ihn beim VfB als Versuchskaninchen sieht. Man traut ihm anscheinend zu, den VfB langfristig zu führen.
Hoffen wir, dass die Vereinsführung mit dieser Einschätzung richtig liegt. Die Folgen eines weiteren personellen Fehlgriffs wären fatal.