Gnadenlos effizient

Der VfB gewinnt auch gegen Hof­fen­heim und macht im letz­ten Heim­spiel eigent­lich nicht viel außer Tore schie­ßen.

Ich fürch­te, so lang­sam kom­me ich in die Bre­douil­le. Denn mir feh­len die Wor­te für das, was der VfB in die­sen letz­ten Sai­son­spie­len abzieht. Vor vier Wochen habe ich noch geschimpft, die Mann­schaft wür­de mit dem 1:1 und dem spä­ten Gegen­tref­fer gegen Han­no­ver die Sai­son locker aus­lau­fen las­sen. Seit­dem haben mich die Brust­ring­trä­ger eines Bes­se­ren belehrt. Erst mit dem 2:0‑Heimsieg gegen Bre­men und dem damit auch fest­ste­hen­den Klas­sen­er­halt, dann mit dem unglaub­li­chen 1:0‑Auswärtssieg in Lever­ku­sen und erst recht an die­sem Wochen­en­de mit einem nicht min­der unwahr­schein­li­chen 2:0 im Neckar­sta­di­on gegen die SAP-Betriebs­sport­grup­pe.

Wie gesagt, mir feh­len die Wor­te, was natür­lich etwas sub­op­ti­mal ist, wenn man einen Blog­ar­ti­kel schrei­ben will. Aber wie will man das Rie­sen­lob, dass ich der Mann­schaft schon nach dem Lever­ku­sen-Spiel aus­sprach, noch über­tref­fen? “Die Sah­ne auf der Kir­sche auf der Sah­ne”? Nee, ver­su­chen wir lie­ber, das Erleb­te in Wor­te zu fas­sen.

Zwei aus drei

Ja, dann drückt halt endlich den Button!
Ja, dann drückt halt end­lich den But­ton!

Sobald der Spiel­plan im ver­gan­ge­nen Som­mer fest­stand, war eigent­lich klar: Den Klas­sen­er­halt müs­sen wir bis zum 31. Spiel­tag per­fekt machen, ansons­ten wird es ver­dammt schwer. In der Tat hat der VfB am 31. Spiel­tag die Klas­se gehal­ten und ja, es wur­de ver­dammt schwer danach, aber wir haben es trotz­dem geschafft, zwei die­ser drei letz­ten Spie­le zu gewin­nen. Der Klas­si­ker: Hät­te mir das jemand im August pro­phe­zeit… . Im Gegen­satz zum Lever­ku­sen-Spiel war ich dies­mal im Sta­di­on und die Weh­mut, die­ses beson­de­re Spiel in der Vor­wo­che ver­passt zu haben, war rela­tiv schnell ver­flo­gen. Denn abge­se­hen vom Kai­ser­wet­ter und der groß­ar­ti­gen Cho­reo­gra­phie, die das Com­man­do Cannstatt in die Kur­ve zau­ber­te, war auch sonst die Stim­mung präch­tig. Was natür­lich auch der ent­spann­ten Tabel­len­si­tua­ti­on geschul­det war.

Aber sie war nicht nur präch­tig! Nach dem 1:0 und vor allem nach dem zwei­ten, ent­schei­den­den Tref­fer erreich­te nicht nur die Kur­ve, son­dern das gan­ze Sta­di­on eine solch bra­chia­le Laut­stär­ke, wie ich sie lang nicht mehr erlebt habe. Das war nicht der Schrei der Erleich­te­rung wie beim Tor gegen Ham­burg vor drei Jah­ren. Das war die pure, ungläu­bi­ge Aus­ge­las­sen­heit, dass man auch die­ses Spiel gewin­nen wür­de. Und das, ohne sich dabei am eige­nen Schopf aus irgend­ei­ner miss­li­chen Tabel­len­si­tua­ti­on zu zie­hen. Son­dern ein­fach, weil man es kann. Weil man einen Mario Gomez hat.

Erwartete und unerwartete Tore

Der traf näm­lich zum ers­ten Mal seit 2009 wie­der im Neckar­sta­di­on im VfB-Tri­kot und zwar gleich dop­pelt. Ich weiß gar nicht, wel­ches Tor ich mir lie­ber anschaue. Das 1:0, vor dem er mit einer wil­den Ver­ren­kung die Flan­ke von Chris­ti­an Gent­ner unter Kon­trol­le bringt und den Ball dann fach­män­nisch ein­netzt. Oder das 2:0:

Ein Kon­ter­tor! Vom VfB! Nach einem Zucker­pass von Erik Thom­my. Wie er den Schuss antäuscht, den Geg­ner ins lee­re Rut­schen lässt und dann dem Tor­wart das Ding noch durch die Hosen­trä­ger jagt. Ja, ich gera­te ins Schwär­men, muss auch mal sein. Denn so viel Spaß hat der VfB schon sehr, sehr lan­ge nicht mehr gemacht.

Die ande­re Extre­me die­ses Spiels war die Abwehr um Ron-Rober Zie­l­er. Der spiel­te zum mitt­ler­wei­le zwölf­ten Mal zu Null und teilt sich die Spit­zen­po­si­ti­on in die­ser Sta­tis­tik jetzt mit vier ande­ren Tor­hü­tern. Wobei ich erneut sei­ne Leis­tung fast noch höher ein­schät­zen wür­de, denn die VfB-Ver­tei­di­gung war vor allem zu Beginn ordent­lich am Wackeln. Aber sie fiel eben nicht, weil doch immer irgend­wer sein Bein dazwi­schen brach­te oder die Gäs­te ein­fach kei­ne gute Schuss­po­si­ti­on fan­den. So war dann der Unter­schied zwi­schen den expec­ted goals (1,18 zu 0,98 für Hof­fen­heim) und den wirk­lich erziel­ten nicht ganz so so absurd groß wie in der Vor­wo­che (2,49 zu 0,63 für Lever­ku­sen).

Abwehrkampf

Der Blick in die Sta­tis­tik zeigt aber auch: Außer gei­le Tore schie­ßen mach­te der VfB an die­sem Sams­tag nicht viel: Fünf Tor­schüs­sen, davon die bereits beschrie­be­nen zwei aufs Tor, stan­den 22 Tor­schüs­se (7 aufs Tor) der Hof­fen­hei­mer gegen­über. Der VfB spiel­te nur etwas mehr als halb so viel Päs­se wie die Gäs­te und hat­te nur 35 Pro­zent Ball­be­sitz. Statt­des­sen war Kampf ange­sagt, vor allem nach­dem Sant­ia­go Ascací­bar es im vor­letz­ten Spiel der Sai­son doch end­lich geschafft hat­te, des Fel­des ver­wie­sen zu wer­den. Sein Abgang war sicher­lich auch dem Frust über sei­nen Platz­ver­weis und der schwa­chen Zwei­kampf­be­wer­tung von Felix Zway­er bei der ers­ten gel­ben Kar­te und ganz all­ge­mein geschul­det, aber aber es zeigt halt auch, wel­ches Feu­er in die­sem Spie­ler brennt.

Jetzt ist die Sai­son also fast been­det und der VfB kann in der Tabel­le nicht mehr tie­fer als Platz neun rut­schen. In der Rück­run­den­ta­bel­le steht der VfB auf Platz zwei, in der Heim­ta­bel­le auf Platz drei und wenn man sich die Anzahl der Gegen­to­re anschaut, dann hat der VfB ins­ge­samt nach den Bay­ern die zweit­bes­te Abwehr der Liga und zu Hau­se sogar die Bes­te: Neun (!) Gegen­to­re in 17 Spie­len. Das schaff­te weder die Meis­ter­mann­schaft 2007 noch Timo Hil­de­brands Rekord-Abwehr 2004. Dass Frank­furt und Leip­zig eben­falls gewan­nen und der VfB den UEFA-Pokal jetzt nur über einen Aus­wärts­sieg in Mün­chen errei­chen könn­te — geschenkt.

Seelenbalsam

Dass der Ver­ein über­haupt in der Lage ist, Spit­zen­po­si­tio­nen in irgend­wel­chen Tabel­len ein­zu­neh­men und irgend­wel­che Rekor­de auf­zu­stel­len, tut unglaub­lich gut. In den ers­ten zehn Jah­ren die­ses Jahr­tau­sends war so etwas an der Tages­ord­nung. Sei es die bereits ange­spro­che­nen 881 Minu­ten ohne Gegen­tor, die deut­sche Meis­ter­schaft oder der kon­stan­te Blick nach oben statt nach unten. Schaut man aber auf das sich lang­sam zum Ende nei­gen­de zwei­te Jahr­zehnt des 21. Jahr­hun­derts, dann erkennt man welch See­len­bal­sam die der­zei­ti­ge Situa­ti­on für uns Fans ist. Klar, ande­ren Ver­ei­nen geht es noch schlim­mer, aber wir muss­ten in den letz­ten 8 Jah­ren auch genug, Ver­zei­hung, Scheiß durch­ma­chen. Umso schö­ner ist es, sol­che Momen­te genie­ßen zu kön­nen.

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