Der Klassenerhalt steht seit letzter Woche fest, aber der VfB hört trotzdem nicht auf zu punkten. Diesmal nach einer Abwehrschlacht in Leverkusen.
Ein Auswärtssieg in Leverkusen. Fangen wir einmal damit an, dass allein die Seltenheit dieses Ereignisses etwas Besonderes ist, ganz unabhängig vom Kontext des 32. Spieltags der laufenden Saison. Der VfB hat in den letzten 40 Jahren nur eine Handvoll mal bei der Sportabteilung der Bayer AG gewonnen. Zuletzt im Februar 2009:
Hitz the Hammer ⚽?? #B04VfB #VfB #ThrowbackThursday @ThomasHitz pic.twitter.com/cSJk5S32cS
— VfB Stuttgart (@VfB) April 26, 2018
Davor traf ein gewisser Silvio Meißner im Herbst 2002 zu einem 1:0‑Sieg. Der letzte Sieg davor datiert vom 16. Mai 1992. Die Begleitumstände des 2:1 brauche ich Euch nicht zu erläutern. Und beim letzten Sieg davor trafen noch Allgöwer und Sigurvinsson für die Brustringträger, die zu diesem Zeitpunkt noch amtierender Deutscher Meister waren. Um es kurz zu machen: In Leverkusen sieht der VfB traditionell schlecht aus und es muss schon außergewöhnliches passieren, damit wir dort drei Punkte holen.
Nicht anders als ungewöhnlich kann man das Spiel am Samstag beschreiben. Auf der anderen Seite: Wer den VfB in dieser Saison verfolgt, für den war dieses Ergebnis alles andere als überraschend. Hätte die Mannschaft unter Tayfun Korkut eine Visitenkarte, es würde das Ergebnis dieses Spiels darauf stehen. Aber dass der VfB als Aufsteiger, am 32. Spieltag, nachdem der Klassenerhalt eingetütet und die Saison damit quasi rum ist, in Leverkusen gewinnt — bei einer Mannschaft, die dem VfB schon allein aufgrund der individuellen Stärke ihrer Spieler überlegen ist — das ist wirklich außergewöhnlich.
Mit einer Abwehr aus Granit, so wie einst Real Madrid…
Vor allem wenn man sich die Statistik dieses Spiels anschaut: 21 (!) Torschüsse gaben die Gastgeber auf das Tor von Ron-Robert Zieler ab, inklusive eines mit der Verzögerung von einer Minute, an die wir uns jetzt wohl gewöhnen müssen, gepfiffenen Elfmeters. Nicht ein einziger fand sein Weg ins Tor, womit besagter Zieler seine Bilanz auf elf von 32 Spielen ohne Gegentor ausbaute. Nur die Torhüter der Champions-League-Aspiranten aus München, Gelsenkirchen und Dortmund spielten häufiger zu null. Ohne deren Leistung schmälern zu wollen, haben die allerdings auch eine — zumindest auf dem Papier — besser besetzte Abwehr vor sich. Wobei: Wenn es derzeit und speziell an diesem Spieltag eine Mannschaft gibt, auf die der alte Kurven-Gassenhauer mit der Abwehr aus Granit zutrifft, dann wohl die im Brustring. Aber selbst als diese hilflos war, wie nach Zielers Fehlpass in den Rücken der eigenen Innenverteidigung, schafften es die Leverkusener nicht, ein Tor zu schießen. Nicht einmal durch den personalisierten VfB-Angstgegner Stefan Kießling.
Ich habe mich ja in den letzten Wochen, meiner Meinung nach auch zurecht, geärgert, dass man es versäumte, gegen Hannover mit einem 2:0 den Sack zuzumachen. Ganz anders die Ausgangslage in diesem Spiel. Ich war zur Halbzeit schon mit dem 0:0 und dem Auftreten der Mannschaft zufrieden. Den Torschützenkönig werden wir in dieser Saison nicht mehr stellen, aber ich konnte mit dem zu diesem Zeitpunkt geleisteten sehr gut leben.
Guter Auftritt bisher. Vielleicht rutscht Bayer hinten ja doch mal einer durch. Hinten auch solide. Entspannter Spieltag. Schön. #B04VfB
— Lennart Sauerwald (@l_sauerwald) April 28, 2018
Mit nichts gerechnet
Und wie ihnen einer durchrutschte! Der VfB sieht ja meistens gegen nominell überlegene Mannschaften nicht ganz so schlecht aus, auch wenn es dann meistens nicht für ein Tor reicht. Und als Daniel Ginczek den Ball im Strafraum zurücklegte, war ich schon zufrieden, dass man den Gegner einmal mehr erfolgreich vom eigenen Tor ferngehalten hätte. Genausowenig wie die Leverkusener rechnete ich damit, dass Dennis Aogo eine Flanke auf den völlig frei stehenden Christian Gentner schlagen würde, der die Kugel per Flugkopfball im Tor versenkte. Ich hatte mich schon auf ein entspanntes 0:0 oder schlechtestenfalls eine 0:1‑Niederlage eingestellt, mit der ich auch hätte leben können.
Stattdessen musste der VfB plötzlich auswärts beim Tabellenvierten eine Führung verteidigen und man erwischt sich dabei, wie man, obwohl die Saison ja eigentlich so ruhig auslaufen sollte, trotzdem mit jeder Verteidigungsaktion von Pavard, Badstuber und Co. mitfiebert, als ginge es für den VfB noch darum, dem Abstieg von der Schippe zu springen. Es ist natürlich nicht das gleiche, nicht mal ansatzweise. Aber gerade das macht diesen Auswärtssieg ja so unfassbar geil.
Kirsche und Kür
Es ist mir völlig egal, wie viele Punkte Rückstand wir jetzt auf einen UEFA-Pokal-Platz haben. Da müsste in den letzten beiden Spielen schon einiges zusammen kommen, damit das klappt. Auf der anderen Seite ist ja der HSV auch in vier aufeinander folgenden Spielzeiten eigentlich abgestiegen. Egal. Die Tatsache, dass ich mir ein VfB-Spiel anschauen kann, ohne dass es für den Verein um die Erstliga-Existenz geht, ist schon eine umgemeine Befriedigung. Dieses Spiel dann auch noch völlig überraschend und gegen große Gegenwehr zu gewinnen, ist die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Ich war leider diesmal nicht im Gästeblock vor Ort, aber es muss die pure Party gewesen sein. Wir haben sie uns verdient.
Heißt das, dass wir jetzt Hoppenheim und die Bayern genauso wegfideln — also irgendwie ein Tor machen und die Führung über die Zeit bringen? Wahrscheinlich nicht. Aber selbst zwei Niederlagen könnten mir jetzt die Laune nicht mehr verderben. Der VfB hat die Pflichtaufgabe gelöst und mit dem Sieg am Samstag auch eine ziemlich gute Kür hingelegt. Die Sommerpause kann kommen.