Die Kür

Der Klas­sen­er­halt steht seit letz­ter Woche fest, aber der VfB hört trotz­dem nicht auf zu punk­ten. Dies­mal nach einer Abwehr­schlacht in Lever­ku­sen.

Ein Aus­wärts­sieg in Lever­ku­sen. Fan­gen wir ein­mal damit an, dass allein die Sel­ten­heit die­ses Ereig­nis­ses etwas Beson­de­res ist, ganz unab­hän­gig vom Kon­text des 32. Spiel­tags der lau­fen­den Sai­son. Der VfB hat in den letz­ten 40 Jah­ren nur eine Hand­voll mal bei der Sport­ab­tei­lung der Bay­er AG gewon­nen. Zuletzt im Febru­ar 2009:

Davor traf ein gewis­ser Sil­vio Meiß­ner im Herbst 2002 zu einem 1:0‑Sieg. Der letz­te Sieg davor datiert vom 16. Mai 1992. Die Begleit­um­stän­de des 2:1 brau­che ich Euch nicht zu erläu­tern. Und beim letz­ten Sieg davor tra­fen noch All­gö­wer und Sigur­vins­son für die Brust­ring­trä­ger, die zu die­sem Zeit­punkt noch amtie­ren­der Deut­scher Meis­ter waren. Um es kurz zu machen: In Lever­ku­sen sieht der VfB tra­di­tio­nell schlecht aus und es muss schon außer­ge­wöhn­li­ches pas­sie­ren, damit wir dort drei Punk­te holen.

Nicht anders als unge­wöhn­lich kann man das Spiel am Sams­tag beschrei­ben. Auf der ande­ren Sei­te: Wer den VfB in die­ser Sai­son ver­folgt, für den war die­ses Ergeb­nis alles ande­re als über­ra­schend. Hät­te die Mann­schaft unter Tay­fun Korkut eine Visi­ten­kar­te, es wür­de das Ergeb­nis die­ses Spiels dar­auf ste­hen. Aber dass der VfB als Auf­stei­ger, am 32. Spiel­tag, nach­dem der Klas­sen­er­halt ein­ge­tü­tet und die Sai­son damit qua­si rum ist, in Lever­ku­sen gewinnt — bei einer Mann­schaft, die dem VfB schon allein auf­grund der indi­vi­du­el­len Stär­ke ihrer Spie­ler über­le­gen ist — das ist wirk­lich außer­ge­wöhn­lich.

Mit einer Abwehr aus Granit, so wie einst Real Madrid…

Keine Chance gegen Magic Zieler. Bild: © VfB-Bilder.de
Kei­ne Chan­ce gegen Magic Zie­l­er. Bild: © VfB-Bilder.de

Vor allem wenn man sich die Sta­tis­tik die­ses Spiels anschaut: 21 (!) Tor­schüs­se gaben  die Gast­ge­ber auf das Tor von Ron-Robert Zie­l­er ab, inklu­si­ve eines mit der Ver­zö­ge­rung von einer Minu­te, an die wir uns jetzt wohl gewöh­nen müs­sen, gepfif­fe­nen Elf­me­ters. Nicht ein ein­zi­ger fand sein Weg ins Tor, womit besag­ter Zie­l­er sei­ne Bilanz auf elf von 32 Spie­len ohne Gegen­tor aus­bau­te. Nur die Tor­hü­ter der Cham­pi­ons-League-Aspi­ran­ten aus Mün­chen, Gel­sen­kir­chen und Dort­mund spiel­ten häu­fi­ger zu null. Ohne deren Leis­tung schmä­lern zu wol­len, haben die aller­dings auch eine — zumin­dest auf dem Papier — bes­ser besetz­te Abwehr vor sich. Wobei: Wenn es der­zeit und spe­zi­ell an die­sem Spiel­tag eine Mann­schaft gibt, auf die der alte Kur­ven-Gas­sen­hau­er mit der Abwehr aus Gra­nit zutrifft, dann wohl die im Brust­ring. Aber selbst als die­se hilf­los war, wie nach Ziel­ers Fehl­pass in den Rücken der eige­nen Innen­ver­tei­di­gung, schaff­ten es die Lever­ku­se­ner nicht, ein Tor zu schie­ßen. Nicht ein­mal durch den per­so­na­li­sier­ten VfB-Angst­geg­ner Ste­fan Kieß­ling.

Ich habe mich ja in den letz­ten Wochen, mei­ner Mei­nung nach auch zurecht, geär­gert, dass man es ver­säum­te, gegen Han­no­ver mit einem 2:0 den Sack zuzu­ma­chen. Ganz anders die Aus­gangs­la­ge in die­sem Spiel. Ich war zur Halb­zeit schon mit dem 0:0 und dem Auf­tre­ten der Mann­schaft zufrie­den. Den Tor­schüt­zen­kö­nig wer­den wir in die­ser Sai­son nicht mehr stel­len, aber ich konn­te mit dem zu die­sem Zeit­punkt geleis­te­ten sehr gut leben.

Mit nichts gerechnet

Gentner köpft, der Gästeblock eskaliert. Bild: © VfB-Bilder.de
Gent­ner köpft, der Gäs­te­block eska­liert. Bild: © VfB-Bilder.de

Und wie ihnen einer durch­rutsch­te! Der VfB sieht ja meis­tens gegen nomi­nell über­le­ge­ne Mann­schaf­ten nicht ganz so schlecht aus, auch wenn es dann meis­tens nicht für ein Tor reicht. Und als Dani­el Gin­c­zek den Ball im Straf­raum zurück­leg­te, war ich schon zufrie­den, dass man den Geg­ner ein­mal mehr erfolg­reich vom eige­nen Tor fern­ge­hal­ten hät­te. Genau­so­we­nig wie die Lever­ku­se­ner rech­ne­te ich damit, dass Den­nis Aogo eine Flan­ke auf den völ­lig frei ste­hen­den Chris­ti­an Gent­ner schla­gen wür­de, der die Kugel per Flug­kopf­ball im Tor ver­senk­te. Ich hat­te mich schon auf ein ent­spann­tes 0:0 oder schlech­tes­ten­falls eine 0:1‑Niederlage ein­ge­stellt, mit der ich auch hät­te leben kön­nen.

Statt­des­sen muss­te der VfB plötz­lich aus­wärts beim Tabel­len­vier­ten eine Füh­rung ver­tei­di­gen und man erwischt sich dabei, wie man, obwohl die Sai­son ja eigent­lich so ruhig aus­lau­fen soll­te, trotz­dem mit jeder Ver­tei­di­gungs­ak­ti­on von Pavard, Bad­s­tu­ber und Co. mit­fie­bert, als gin­ge es für den VfB noch dar­um, dem Abstieg von der Schip­pe zu sprin­gen. Es ist natür­lich nicht das glei­che, nicht mal ansatz­wei­se. Aber gera­de das macht die­sen Aus­wärts­sieg ja so unfass­bar geil.

Kirsche und Kür

Beeindruckende Kür. Bild: © VfB-Bilder.de
Beein­dru­cken­de Kür. Bild: © VfB-Bilder.de

Es ist mir völ­lig egal, wie vie­le Punk­te Rück­stand wir jetzt auf einen UEFA-Pokal-Platz haben. Da müss­te in den letz­ten bei­den Spie­len schon eini­ges zusam­men kom­men, damit das klappt. Auf der ande­ren Sei­te ist ja der HSV auch in vier auf­ein­an­der fol­gen­den Spiel­zei­ten eigent­lich abge­stie­gen. Egal. Die Tat­sa­che, dass ich mir ein VfB-Spiel anschau­en kann, ohne dass es für den Ver­ein um die Erst­li­ga-Exis­tenz geht, ist schon eine umge­mei­ne Befrie­di­gung. Die­ses Spiel dann auch noch völ­lig über­ra­schend und gegen gro­ße Gegen­wehr zu gewin­nen, ist die Kir­sche auf dem Sah­ne­häub­chen. Ich war lei­der dies­mal nicht im Gäs­te­block vor Ort, aber es muss die pure Par­ty gewe­sen sein. Wir haben sie uns ver­dient.

Heißt das, dass wir jetzt Hop­pen­heim und die Bay­ern genau­so weg­fi­deln — also irgend­wie ein Tor machen und die Füh­rung über die Zeit brin­gen? Wahr­schein­lich nicht. Aber selbst zwei Nie­der­la­gen könn­ten mir jetzt die Lau­ne nicht mehr ver­der­ben. Der VfB hat die Pflicht­auf­ga­be gelöst und mit dem Sieg am Sams­tag auch eine ziem­lich gute Kür hin­ge­legt. Die Som­mer­pau­se kann kom­men.

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