Am Samstagabend tritt der VfB zum vorletzten Auswärtsspiel dieser Saison in Leverkusen an. Wie schon vor dem Hinspiel sprachen wir mit Bayer-Experte Dorian (@Dorian1338) von der Rheinischen Post.
Rund um den Brustring: Hallo Dorian, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen zum Spiel am Samstagabend nimmst. Wir haben ja schon vor dem Hinspiel miteinander gesprochen, deswegen verzichte ich darauf, Dich nochmal vorzustellen. Stattdessen: Welches Thema rund um Bayer Leverkusen bewegt Euch in der Redaktion derzeit am Meisten?
Dorian: Derzeit beschäftigen wir uns vor allem mit den Vorzeichen des Transfersommers. Bernd Leno scheint vor dem Absprung zu stehen. Sein Vertrag hat eine Ausstiegsklausel und dem Vernehmen nach soll unter anderem Atlético Madrid bereit sein, die 20 Millionen Euro für Bayers Nummer eins zu zahlen. In Frankfurts Lukas Hradecky soll aber ein Ersatz bereits ebenso fix sein. Auch das brasilianische Toptalent Paulinho scheint als möglicher neuer Rekordtransfer des Klubs auf dem Weg nach Leverkusen zu sein – und dann ist ja auch noch Berlins Mitchell Weiser, der bei Bayer unterschrieben haben soll. Die Gerüchteküche brodelt derzeit also ordentlich. Abgesehen davon dreht sich natürlich alles um die große Frage: Champions League oder doch „nur“ die Europa League?
Du sprichst es an: Für Leverkusen geht es immer noch um die direkte Qualifikation um die Champions League, während die Pokalsaison schon beendet ist. Wie bewertest Du die extremen Ergebnisse — 4:1 gegen Leipzig und Frankfurt, 2:6 gegen München, 0:4 in Dortmund — der letzten Wochen und traust Du Bayer die direkte Qualifikation zu?
Die deftigen Niederlagen gegen Bayern und Dortmund haben sicherlich schmerzhaft gezeigt, dass der Werkself noch ein gutes Stück fehlt, um mit den beiden „Großen“ im deutschen Fußball mithalten zu können. Besonders verheerend war aber das Spiel in Dortmund, wo im Gegensatz zum Halbfinale gegen München kaum nennenswerte Gegenwehr zu sehen war. Allerdings war der BVB an diesem Tag auch blendend aufgelegt und wäre in der Form wohl für jedes Team der Bundesliga schwer zu schlagen gewesen. Ob die Demontage einen Knacks hinterlassen hat, wird sich am Samstag gegen Stuttgart zeigen. Bayer 04 gehört abgesehen davon trotz der beiden deutlichen Niederlagen zu den vier, fünf stärksten Mannschaften der Liga, die das Potenzial für die Champions League haben. Noch hat Leverkusen es in der eigenen Hand, in die Königsklasse einzuziehen. In den noch ausstehenden drei Partien müssen dafür aber möglichst drei Siege her, denn die Konkurrenz lauert bereits auf einen Patzer.
Stefan Kießling wird im Sommer seine Karriere beenden. Diese Saison kam er nur auf sechs Einsätze. Steht schon fest, wie es danach weiter geht und wie wichtig war er in dieser Saison noch für die Mannschaft?
Auch wenn er auf dem Platz nur noch eine Nebenrolle spielt, ist er neben dem Platz immer noch sehr wichtig für das Team. Er hängt sich in jedem Training rein, pusht seine Mitspieler vor den Partien und steht den vielen jungen Spielern im Kader als erfahrener Ansprechpartner zur Verfügung. Nach der Saison beendet er nach zwölf Jahren bei Bayer 04 seine aktive Laufbahn und bleibt dem Verein in einer anderen Rolle erhalten, die noch nicht klar definiert ist. Für die Fans ist er eine der großen Ikonen der Werkself – vergleichbar mit Ulf Kirsten, Bernd Schneider oder Rüdiger Vollborn. Seinen Platz in der Vereinsgeschichte hat die Identifikationsfigur sicher.
In der Winterpause hat Bayer nur zwei Spieler abgegeben. Wo siehst Du, abhängig natürlich vom Saisonausgang, die größten Transferbaustellen für den Sommer?
Sollte die Qualifikation für die Champions League gelingen, müsste der mit 23 Profis vergleichsweise schmale Kader nicht nur wegen der Dreifachbelastung deutlich aufgestockt werden. In der Offensive wäre ein weiterer Mittelstürmer vom Typ Lucas Alario wohl sinnvoll. Im zentralen Mittelfeld ist Bayer 04 bereits gut besetzt. Ein erfahrener, robuster Verteidiger würde der Stabilität der Defensive sicher ebenfalls gut tun. Es deutet vieles darauf hin, dass die Verantwortlichen um Sportdirektor Rudi Völler und Manager Jonas Boldt frühzeitig ihre Transfers in trockene Tücher bringen wollen.
Du hast Ex-VfB-Spieler Bernd Leno schon erwäht: Im März schrieb der kicker, dass er Anfragen aus Madrid, Neapel und London hatte. Glaubst Du, er bleibt noch ein weiteres Jahr in Leverkusen?
Wechselgerüchte um Bernd Leno sind eine Art „Running Gag“ der vergangenen Jahre. Immer wieder kommen sie auf und immer wieder verlieren sie sich im nichts. Er selbst hat allerdings immer wieder gesagt, wie sehr in das Ausland reizen würde. Ich denke, dass er nach dieser Saison ernst machen und Bayer 04 verlassen wird. Aber das ist wie so vieles im Fußball nur eine Vermutung.
Und wie ist deine Bilanz nach einem Jahr Heiko Herrlich? Denkst Du, die derzeitige Entwicklung wird sich unter ihm fortsetzen?
Das ist für Bayer 04 zu hoffen, denn die Saison ist bislang insgesamt gelungen. Herrlich hat nach einer turbulenten Vorsaison, in der ja auch der jetzige VfB-Coach Tayfun Korkut eine wichtige Rolle gespielt hat, Ruhe und Kontinuität in den Verein gebracht. Er hat eine klare Idee, wie er Fußball spielen will und setzt diese mit hoher taktischer Variabilität und teils erfrischend mutigem Offensivfußball um. Außerdem stellt er die klassischen Grundtugenden des Fußballs in den Mittelpunkt: Fleiß, Arbeit, Teamgeist und Beharrlichkeit. Das tut der mit vielen jungen Edeltechnikern ausgestatteten Mannschaft gut. Spieler wie Jonathan Tah, Dominik Kohr, Leon Bailey oder Kai Havertz haben in dieser Saison den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung gemacht. Dass dabei etablierte Kräfte wie Karim Bellarabi oft ins Hintertreffen geraten, verursacht erstaunlich wenig Nebengeräusche. Auch das ist ein Zeichen für den intakten Mannschaftsgeist. Ich sehe derzeit keinen Grund davon auszugehen, dass Herrlich in der kommenden Saison Schwierigkeiten haben wird, diese Entwicklung fortzusetzen.
Über Kevin Volland und Leon Bailey haben wir schon vor dem Hinspiel gesprochen, aber auch Julian Brandt hat schon acht Mal getroffen. Vor wem müssen wir uns noch in Acht nehmen am Samstag?
Abgesehen von den bereits genannten, die freilich jederzeit für ein Tor gut sind, würde ich noch Kai Havertz nennen. Er ist zwar erst 18 Jahre alt, hat aber dafür schon sein 50. Bundesligaspiel hinter sich. An guten Tagen ist diesem vielleicht größten Offensivtalent des deutschen Fußballs alles zuzutrauen, was Fußball schön und sehenswert macht.
Und welche Schwächen der Bayer-Elf könnte der VfB ausnutzen?
Leverkusen hat große Schwierigkeiten, wenn der Gegner gallig, giftig, körperbetont und konzentriert zur Sache geht. Das war beim 0:0 in Freiburg ebenso zu sehen, wie bei der 0:2‑Niederlage in Köln oder den beiden krassen Niederlagen zuletzt. Die jungen Spieler lassen sich mitunter von aggressiven, physisch präsenten und abgeklärten Gegnern beeindrucken.
Zum Schluss: Dein Tipp fürs Spiel?
Der VfB erlebt unter Tayfun Korkut zwar eine Renaissance, aber die Punkte bleiben im Rheinland – 3:1 für Bayer 04.
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