Geht das? Ein Fußballspiel mit Glück, aber trotzdem verdient zu gewinnen? Der VfB zeigte am Freitagabend beim 2:1 Heimsieg gegen 1860 München, wie man es macht.
Obwohl das Spiel ähnlich begann wie der letzte Heimauftritt gegen Fürth, mussten die VfB-Fans erneut bis zur letzten Minute zittern, bis drei Punkte und zumindest über Nacht der Sprung auf Platz 2 feststanden. Während der VfB gegen die Franken dem Gegner keine Chancen ließ und sich gegen Dresden derer innerhalb kurzer Zeit wieder selbst beraubte, entschied er sich am Freitagabend für einen leider allzu vertrauten Mittelweg: Erst mit viel Energie die Führung herausschießen, um dann so viele Gänge runterzuschalten, dass man fast zum Stillstand kommt.
Aber zunächst zeigte die VfB-Offensive, wie im Heimspiel zuvor, was sie mit indisponierten Zweitliga-Abwehrreihen anstellen kann, wenn sie möchte. Özcan setzte sich überragend durch, kurze Zeit später bugsierten Terodde und Baumgartl gemeinsam (und am Ende wohl Terodde) den Ball zum 2:0 über die Linie. So weit so gut, manch einer wird schon auf ein erneutes Schützenfest gehofft haben.
Mannschaft entschleunigt, Schiedsrichter überfordert
Dazu stellte sich die Mannschaft aber in der Folge nicht klug genug an. Auch wenn man in diesem Spiel erneut einen völlig überforderten Zweitliga-Schiedsrichter beobachten konnte, der erst mit gelben Karten um sich warf und sich in der zweiten Halbzeit dann scheute, Platzverweise zu verteilen: Einige Fouls konnte er nicht ungeahndet lassen. Zum Beispiel Christian Gentners sinnlose Grätsche vor dem Strafraum der Sechziger. Dem Freistoß, aus dem der Anschlusstreffer entstand ging zwar nicht wirklich ein Foul von Baumgartl voraus, aber bereits vorher hatte man den Löwen zu viel Platz gelassen und Zimmermann sich ebenfalls Gelb abgeholt. Was dann folgte, nannte Trainer Hannes Wolf “Entschleunigungsphase”, ich nenne es “betteln ums Gegentor”.
Ein Phänomen, welches beim VfB in der Vergangenheit schon häufiger aufgetreten ist. Natürlich muss man sich seine Kräfte einteilen, keiner möchte wieder so ein Debakel erleben wie gegen Frankfurt vergangene Saison. Dennoch sollte die Mannschaft zumindest so sehr am Ball bleiben, im übertragenen wie im wortwörtlichen Sinn, dass nach einer schnellen 2:0‑Führung nicht gleich wieder das große Zittern losgeht. Sechzig versuchte, wie schon Bochum vor ihnen, die VfB-Abwehr mit dem eher überraschend zurück gekehrten Toni Sunjic mit langen Bällen auszuhebeln. Zum Glück für uns und für Sunjic gelang das diesmal nicht. Ich gehe davon aus, dass Wolf den jungen Pavard nach dem von ihm teilweise mit verschuldeten Dresden-Debakel erstmal schützen wollte. Grundsätzlich eine sinnvolle Maßnahme. Es bedeutet aber auf der anderen Seite auch, dass wir in solchen Fällen nur noch eben jenen Sunjic als Rückfallebene haben, was nach den ersten Spielen nicht gerade zur Beruhigung beiträgt. Ist die Innenverteidigung doch seit Jahren ein neuralgischer Punkt, von dem man hoffte, dass mit der Verpflichtung Pavards die Probleme erstmal gelöst seien.
Schiedsrichter im Tiefschlaf, Stuttgart hellwach
Und so wäre es am Ende beinahe gekommen, wie es kommen musste: Langerak faustet den Ball zu kurz weg und Sechzig macht den Ausgleich. Zum Glück für den VfB übersah das Schiedsrichtergespann aber nicht nur das Handspiel der Münchner im eigenen Strafraum, sondern auch die Tatsache, dass beim Tor der Münchner nicht mal annäherungsweise eine Abseitsstellung vorlag. Sei’s drum, die Orientierungslosigkeit der Unparteiischen glich sich also aus. Und die zweite Halbzeit zeigte dann, warum der VfB am Ende doch verdient gewonnen hat.
Denn die Mannschaft beendete ihre Entschleunigungsphase und wachte wieder auf. Gleichzeitig verfiel die Abwehr der Münchner in einen Tiefschlaf und erlaubte dem VfB mehrere hochkarätige Chancen. Zuerst fingen sie ein zu kurzes Rückspiel zum Torwart ab, dann erkämpften sie sich einen Ball, den der Löwen-Verteidiger eigentlich ins Aus rollen lassen wollte. Dass Carlos Mané alle diese Geschenke nicht verwertete und wie schon gegen Dresden aufsehenerregend scheiterte, kann man, auch wegen des Endergebnisses, als Pech bezeichnen. Bei der ersten Chance war der Winkel schon sehr spitz, auch die vergebenen Kopfballchancen waren schwerer zu verwerten als es aussah. Klar: Hätte der VfB am Ende verloren, hätten wir uns über den jungen Portugiesen wahrscheinlich mehr aufgeregt und ihm Harniksche Nachlässigkeit unterstellt. Aber immerhin erarbeitete sich die VfB-Offensive mit Mané diese Chancen und setzte die Münchner so unter Druck, dass diese beinahe spielentscheidende Fehler machten.
Jetzt den Derbysieg!
Wichtige drei Punkte also. Und erneut möchte ich an dieser Stelle die Worte von Hannes Wolf aufgreifen, der im Interview nach Spielende sagte, dass das Debakel von Dresden mit diesem Spiel noch lange nicht wieder gut gemacht sei. Er hat recht. Er und die Mannschaft haben noch viel Arbeit vor sich. Immerhin zeigten die Brustringträger eine erste Reaktion. Jetzt muss Wolf es nur noch schaffen, der Mannschaft das Runterschalten auszutreiben. Am Besten schon am kommenden Sonntag im Derby. Eine Niederlage dort würde noch größere Wunden reißen als das Dresden-Spiel. Vielleicht kann die Mannschaft das am Dienstag im Pokal in Mönchengladbach schon einmal üben. Und mit einem Derbysieg Dresden nicht nur tabellarisch, sondern auch in den Köpfen hinter sich lassen.
PS: Danke für alles, Cacau!