Glücklich

Ja, beim VfB geht es hin­ter den Kulis­sen wie­der drun­ter und drü­ber. Aber wie viel Spaß macht bit­te die­se Mann­schaft?


Was hat der VfB eigent­lich in den letz­ten zehn Jah­ren bei mir kaputt gemacht, dass ich mich nicht mal bei einer 3:1‑Führung ent­span­nen kann, weil ich immer noch den­ke, dass eine Mann­schaft mit Brust­ring durch einen mög­li­chen Anschluss­tref­fer so den Faden ver­liert, dass sie das Spiel noch her­schenkt? Dabei ist doch in die­ser Sai­son her­spie­len statt her­schen­ken das Mot­to des VfB. Und die 2010er Jah­re stellt der Ver­ein sta­tis­tisch grad locker in den Schat­ten. Lasst Euch das mal schön genüss­lich auf der Zun­ge zer­ge­hen: Der VfB hat nach 15 Spie­len schon 21 Punk­te und ist die bes­te Aus­wärts­mann­schaft der Liga. Das ist schon jetzt die dritt­bes­te Hin­run­de der ver­gan­gen Deka­de und die bes­te seit acht Jah­ren. 4:1 in Mainz, 5:1 in Dort­mund und jetzt 4:1 in Augs­burg: Mit 30 Tref­fern schießt der VfB im Schnitt zwei Tore pro Spiel und hat nach 15 Spie­len so vie­le Tore erzielt wie seit der Sai­son 1997/1998 nicht mehr und über­haupt nur drei Mal in den ver­gan­ge­nen 30 Jah­ren.

Was für Spielzüge! 

Und unab­hän­gig von der his­to­ri­schen Signi­fi­kanz die­ses 15. Spiel­tags der Sai­son 2020/2021 hat der VfB mit dem Sieg auch gleich­zei­tig im Hier und Jetzt jeg­li­che Befürch­tun­gen zer­streut, die Mann­schaft könn­te nach nur einem Tref­fer in den letz­ten drei Pflicht­spie­len das Tore­schie­ßen ver­lernt haben. Man kann über die Berech­ti­gung des Elf­me­ters, den Nico Gon­za­lez in gewohn­ter (Zuver-)Lässigkeit ver­wan­del­te, geteil­ter Mei­nung sein. Wenn aber FCA-Trai­ner Hei­ko Herr­lich meint, er habe das Spiel ent­schie­den, so tut er sei­ner Mann­schaft Unrecht und soll­te, anstatt nach Aus­re­den zu suchen, drin­gend über sein in-game coa­ching nach­den­ken. Denn der FCA kam mir sei­nem hohen Pres­sing und vie­len Ball­ge­win­nen im Mit­tel­feld schon ziem­lich bis­sig daher und war nicht ganz ein­fach zu bespie­len. Aber der VfB setz­te genau die rich­ti­gen Nadel­sti­che, um das Spiel zu ent­schei­den.

Und was für wel­che! Bor­na Sosa hat­te auf sei­nem Flü­gel de fac­to kei­nen Gegen­spie­ler und nutz­te die uner­klär­li­che Frei­heit für beein­dru­cken­de Flan­ken­läu­fe, teil­wei­se sogar an der Tor­aus­li­nie ent­lang. Beein­dru­ckend auch die Über­sicht, als Marc Oli­ver Kempf ihn mit einem wahn­sin­ni­gen Pass auf die Rei­se Rich­tung Augs­bur­ger Tor schick­te und Sosa den Ball nicht etwa kurz auf Gon­za­lez rüber­leg­te, son­dern quer durch den Straf­raum auf den her­an­stür­men­den Waman­gi­tu­ka. Als Augs­burg nach dem kreu­zun­nö­ti­gen Anschluss­tref­fer etwas Ober­was­ser bekam, schlug Gon­za­lez eine genia­le Flan­ke auf Gon­za­lo Cas­tro und als Mar­co Rich­ter sei­ne Mann­schaft durch die unsag­bar däm­li­che gelb-rote Kar­te end­gül­tig aus dem Spiel nahm, kopier­ten Wal­de­mar Anton und Dani­el Dida­vi das Tor zum 3:1 ein­fach, anstatt sich auf der Füh­rung aus­zu­ru­hen. Und es hät­ten am Ende noch mehr als vier Tref­fer sein kön­nen.

Das pure Glück

Kurz: Die­se VfB-Mann­schaft macht einen der­zeit ein­fach glück­lich und lässt kurz­zei­tig ver­ges­sen, was auf der Geschäfts­stel­le für eine shit show abgeht. Sei­en es die unzäh­li­gen Tore oder das schnel­le Umschalt­spiel nach Ball­ge­win­nen im Mit­tel­feld. Die guten Leis­tun­gen von Gre­gor Kobel oder das meist siche­re Kurz­pass-Auf­bau­spiel in der eige­nen Hälf­te. Die klei­nen Hacken­päs­se, die nicht wie frü­her sinn­lo­ser Selbst­zweck sind, son­dern ein effek­ti­ves Mit­tel, um den Ball so schnell wie mög­lich nach vor­ne zu tra­gen. Dass die Mann­schaft weder Rück­stän­de noch Füh­run­gen ver­wal­tet.

Und vor allem: Dass man sich auf das nächs­te VfB-Spiel wie­der freut, weil man sich fragt, was der Mann­schaft wohl gegen einen Geg­ner wie Mön­chen­glad­bach ein­fällt. Hin­zu kommt der oben ange­spro­che­ne rela­tiv kom­for­ta­ble Tabel­len­stand, der Mann­schaft wie Fans den ganz gro­ßen Druck nimmt. Ein gutes, schö­nes Gefühl, sich Woche für Woche, Monat für Monat über sei­ne Mann­schaft freu­en zu dür­fen. Ein Gefühl, dass uns viel zu lan­ge vor­ent­hal­ten wur­de.

Ach, wenn nur der ande­re Mist nicht wäre…

Titel­bild: © Pres­se­fo­to Bau­mann / Alex­an­der Kepp­ler / Pool 

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