Erneut holt der VfB ein Unentschieden und damit als einzige Mannschaft im Tabellenkeller überhaupt einen Punkt. Mit ein bisschen mehr Cleverness hätten es drei sein können.
Ich habe mit diesem Artikel extra bis zum Sonntagabend gewartet, um zu wissen, was das Unentschieden am Freitagabend tabellarisch wert war. Der VfB kann sich ein wenig als Gewinner fühlen: Den Vorsprung auf die direkten Abstiegsplätze ausgebaut, den Rückstand auf Platz 15 verkürzt, außerdem unter Sebastian Hoeneß weiter ungeschlagen und überhaupt: in Augsburg muss man erstmal gewinnen. Hat während der gesamten Augsburger Bundesliga-Zugehörigkeit erst zwei Mal geklappt und man kann ja nicht erwarten, dass Markus Weinzierl jedes Mal bereit steht, wenn der VfB einen Auswärtsdreier braucht. Alles richtig. Aber warum so, wenn es auch anders ginge?
Tobias Escher schreibt in seiner Analyse auf 11Freunde.de (Paywall) sehr treffend:
Das Spiel zeigte, dass Hoeneß beim VfB keine Wunderdinge vollbringt. Die großen Schwächen bleiben: Der VfB hat kaum Ideen, vom ersten ins zweite, geschweige denn ins letzte Drittel zu gelangen. Das sticht umso mehr hervor, als die Mannschaft durch Abwehrpatzer immer wieder in Rückstand gerät.
Und ehrlich gesagt erwartet beim VfB auch niemand Wunderdinge von einem Trainer, der neun Spieltag vor Schluss übernimmt und aus dem Kader und den Fehlern seines Vorgängers in der Mannschaftsführung das Beste machen muss. Ich erwarte auch nicht von der Mannschaft, dass sie jeden Gegner locker flockig auseinander spielt. Abstiegskampf ist Knochenarbeit. Genau das erwarte ich von der Mannschaft: Einsatz und Konzentration.
Doppeltes Geschenk
Also ziemlich genau nicht das, was in der 8. Minute passierte und von Escher höflich als Abwehrpatzer umschrieben wird: Sosa lässt sich auf der Außenbahn aus dem Spiel nehmen und in der Mitte weiß von drei Innenverteidigern keiner etwas mit dem freistehenden Augsburger anzufangen, der den ersten und letzten Schuss der Augsburger aufs Stuttgarter Tor in diesem Spiel zur Augsburger Führung verwandelte. Ein Geschenk in zweierlei Hinsicht. Nicht nur brachte die Stuttgarter Teilnahmslosigkeit den Hausherren die Führung, sie ermöglichte ihnen auch, eine ihrer größten Stärken auszuspielen: Kompakter, aggressiver, teilweise giftiger Arbeitsunfall, der darauf abzielt, das Geschenk auch zu Hause zu behalten. Gott sein Dank bekam Kapitän Endo seine Beine noch irgendwie sortiert.
Bisweilen rümpft man ja in Stuttgart, wo einige den VfB für die Reinkarnation des schönen Spiels, die Nase über Mannschaften wie Union und Freiburg, Mainz oder Augsburg. Das habe ja nun nichts mit Fußball zu tun, am Freitagabend musste natürlich auch der in Tat überforderte Christian Dingert herhalten, um zu erklären, warum der VfB den bayrischen Schwaben nicht alle Punkte anknüpfen konnte. Wir spielen doch manchmal wo attraktiven Fußball, warum können wir uns dann nicht bei diesen minimalistischen Rumpeltruppen durchsetzen? Nun, es würde dem ein oder anderen gut tun, eine andere Haltung zum Abstiegskampf einzunehmen. Ist mir doch egal, wie lange Augsburg die ängstliche Kartenvergabe von Dingert ausnutzt und dass sie nach dem 1:0 ihre Offensivbemühungen fast komplett einstellen. Sie waren da, als es drauf ankam und nutzten die Schwächen des VfB eiskalt aus. Und wann wollen wir zumindest anfangen zu versuchen, das zu verhindern, wenn nicht jetzt?
Die Bescherung muss vorbei sein
Am Ende zeigte die Mannschaft immerhin das, was man gemeinhin als Moral bezeichnet, den Willen, das Spiel wieder gerade zu biegen. Und eine Weile hatte ich auch das Gefühl, wir würden gleich alle im Gästeblock freudestrahlend durcheinander taumelt und den nächsten späten Sieg gegen den FCA feiern. Aber es reichte eben nur gut diesen “nicht Fisch, nicht Fleisch”-Punkt, weil der Abstiegskampf eben nicht nur aus Rennen und Grätschen besteht und die Mannschaft ihre Probleme auch unter diesem Trainer nicht komplett in den Griff kriegt. Und so weiß man beim VfB wie bei so Vielem aktuell gerade nicht, woran man ist: Welches Gesicht werden die Jungs gegen Gladbach zeigen? Sechs Gegentore und sieben eigene Tore in den letzten drei Spielen lassen eine Antwort vermuten: beide. Wir müssen hoffen, dass das gegen die nächsten Gegner gut geht. Denn immer noch steht der VfB auf Platz 16 und kann sich aktuell vor allem über die Tordifferenz freuen, die man als weiteren Punkt rechnen kann.
Dennoch werden die Karten kommendes Wochenende neu gemischt: Der VfB muss sein Heimspiel gewinnen und darauf hoffen, dass Werder auf Schalke den nächsten Sahne-Auswärtstag erwischt und Hertha und Bochum unter dem sich zuspitzenden Meisterschaftskampf leiden. Der VfB kriegt im Abstiegskampf nichts geschenkt. Also hört auf, selber Geschenke zu verteilen!
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass findet: “Hätte der VfB elf Endos, wir müssten uns um den Klassenerhalt keine Sorgen machen.” Stuttgart.International schreibt der Mannschaft ins Klassenbuch: “Wenn du das ganze Schuljahr vertrödelt hast, reicht eine Vier in Mathe halt nicht mehr”.
Titelbild: © Adam Pretty/Getty Images