Der VfB beendet die Hinrunde mit 17 Punkten auf dem Relegationsplatz. Kein Grund für Weltuntergangsstimmung, es darf jetzt aber nichts mehr schiefgehen.
Zu dritt, gar zu viert standen sie um Anthony Modeste herum. Jenen Anthony Modeste, der sie schon im Pokalspiel nach seiner Einwechslung mit seinen zwei Toren düpiert hatte. Und der in diesem Moment das gleiche Tat, was er schon das ganze Spiel über gemacht hatte: Im entscheidenden Moment machte einen Schritt vom gegnerischen Tor, löste sich damit von allen Bewachern und überraschte Florian Müller mit einem platzierten, wenn auch nicht besonders energischen Kopfball ins lange Eck. Und die ganze Hoffnung der VfB-Elf, mit der an diesem Tag gezeigten Leistung doch noch mit einem Punkt rauszugehen, fiel in sich zusammen.
Ich habe hier immer wieder gelobt, wie diese Mannschaft sich auch nach erbärmlich schlechten Leistungen aufgerappelt und zurückgekommen ist. Nicht nur in dieser Saison, auch in der vergangenen gab es immer mal wieder Durchhänger — manchmal über mehrere Spiele — aber anschließend arbeitete sich die Mannschaft wieder zu einem knappen Sieg gegen einen direkten Konkurrenten und bewies, dass sie zwar starken Schwankungen unterliegt, aber nicht grundsätzlich ins Wanken gerät. Dass es grundsätzlich in der Mannschaft stimmt, davon bin ich auch weiterhin überzeugt. Was eine Leistung wie die in Köln noch unerklärlicher macht.
Folgerichtiger Modeste-Treffer
Dass es gegen den 1. FC Modeste schwierig werden würde, war klar. Die Mannschaft bewies schon mehrfach in dieser Saison, dass sie defensiv selbst in Bestbesetzung manchem Offensivspieler qualitativ unterlegen ist. Andere Mannschaften haben mehrere solcher Spieler, wenn man sich nur die Zusammenfassung des Köln-Spiels anschaut, kann man den Eindruck gewinnen, als habe Modeste alleine gegen den VfB gespielt. Modeste trifft nach Handspiel, Modeste schießt Müller aus dem Abseits an und leitet damit den zweiten zurückgenommenen Treffer der Kölner ein. Modeste hier, Modeste da und trotzdem steht es 89 Minuten 0:0. Nicht schmeichelhaft für den VfB, aber praktisch.
Der späte Siegtreffer war aber folgerichtig, denn wenn Du es schon mit einem qualitativ überlegenen Spieler zu tun hast, darfst Du dir keine Leichtsinnsfehler erlauben, wie es der VfB zuhauf tat. Fehlpässe, leichte Ballverluste, schlechte Zweikämpfe und dann noch so unfassbare Szenen, in denen sich ein Kölner an drei VfB-Spielern vorbeitanzte, ohne auch nur ansatzweise gestört zu werden. Die Mentalitätsdiskussion ist so abgedroschen wie die Lieder über Anthony Modeste, aber es gelang der Mannschaft erneut nicht, an ihre Grenzen zu gehen. Nicht in Zweikämpfen und auch nicht in der Offensive, wo stellvertretend Teto Klimowicz einen vielversprechenden Angriff völlig hilflos an die Kölner Defensive übergab.
Keine einfachen Erklärungen
Natürlich, es gibt auch in diesem Spiel Gründe für die schlechte Leistung, die sich nicht beeinflussen lassen: Mit Borna Sosa und Roberto Massimo fielen beide etatmäßigen Wingbacks aus. An ihrer Stelle spielten mit Coulibaly und Führich zwei Spieler, denen vorne (immer) noch die Durchsetzungskraft fehlt und die mit Defensivaufgaben völlig überfordert sind — man schaue sich nur Führichs Verhalten vor dem Abseitstor an. Hinzu kam, dass die Mannschaft in dieser offensiven Formation — Klimowicz und Förster hinter Marmoush, unterstützt von eben Coulibaly und Führich auf den Außenbahnen, so noch kaum zusammengespielt hat. Dass reihenweise Bälle verloren gingen, lag auch an fehlenden Automatismen. Ein Problem, das nicht erst am 17. Spieltag zutage trat.
Aber es liegt eben auch daran, dass der Mannschaft die Zielstrebigkeit und Aggressivität abging, die sie beispielsweise gegen Wolfsburg gezeigt hat und mit der die Kölner immer wieder ihren besten Stürmer in Szene setzten. Ob das an Erschöpfung liegt, an Überforderung oder an Lustlosigkeit, vermag ich nicht zu sagen. Die bisherige Amtszeit von Pellegrino Matarazzo und Sven Mislintat und der Verlauf der aktuellen Saison verleiten mich nicht zu der Annahme, dass es dafür eine einfache Erklärung gibt, auch wenn die jetzt wieder allerorten gesucht wird: Die Mannschaft sei zu unerfahren, es fehle ein richtiger Führungsspieler, der Sturm sei qualitativ zu schlecht besetzt, die Abwehr zu instabil, der Trainer vercoache sich und überhaupt rasen wir wieder ungebremst sehenden Auges auf den Abgrund zweite Liga zu.
Diese Hinrunde darf sich nicht wiederholen
Stimmt teilweise so, aber eben auch nicht. Die Mannschaft ist mit wenigen Ausnahmen die gleiche, die in der letzten Saison sicherlich auch am oberen Ende ihrer Möglichkeiten gespielt hat. Dass sie das nicht würde wiederholen können, kann niemanden überraschen. Dass sie personell nicht in der Lage ist, diese natürliche Schwankung zu kaschieren, wurde im Lauf der Hinrunde deutlich. Wenn dann noch unnötige Fehler hinzukommen, wird es verdammt schwer, da muss man eigentlich schon froh sein, dass es überhaupt für 17 Punkte reichte. Klar ist aber auch: Diese Hinrunde darf sich so nicht wiederholen.
Der Weg, mit einer entwicklungsfähigen, aber schwankenden Mannschaft auch in diese Saison zu gehen, war genauso mutig wie in der letzten Saison. Letzte Saison ging die Wette auf das Potenzial der Mannschaft auf und das muss sie auch diese Saison. Der VfB konnte sich schon 2016 und 2019 den Abstieg nicht erlauben. 2022 wäre er nicht sportlich, sondern auch emotional und vor allem finanziell eine mittlere Katastrophe. Die Mannschaft muss ab dem achten Januar zeigen, dass sie immer noch in der Lage ist, auf Probleme zu reagieren und eine Reaktion zu zeigen. Spiele wie der Punktverlust in Berlin dürfen in der Rückrunde eigentlich gar nicht mehr passieren. Mit Rückrundenbeginn sollten die Langzeitverletzten wieder im Kader stehen. Dass sie noch nicht direkt bei 100 Prozent sind, ist auch logisch.
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Aber die Verletzungen der Hinrunde, die Überforderung der jungen Spieler mit der Situation, all das darf in der Rückrunde keine Rolle mehr Spielen. Mannschaft und Trainer müssen jetzt liefern, an die von Matarazzo angesprochenen Grenzen und darüber hinausgehen. Der von der sportlichen Führung eingeschlagene Weg muss sich jetzt, wie schon in der zweiten Liga, beweisen. Mit einem dritten Abstieg in sechs Jahren wären wir wieder bei Null angekommen, vielleicht sogar darunter. Dessen muss sich jeder im Verein bei seinen Entscheidungen vor und in der Rückrunde bewusst sein.
Titelbild: © Lars Baron/Getty Images
Wenn man in Köln in einem Kampfspiel gegen den Abstieg unbelehrbar auf einen Klimovicz setzt, der zum xten mal bewies, dass er nicht Bundesliga kann — weder kämpferisch noch technisch — muss sich nicht wundern, wenn nichts zustande kommt. Auch das stümperhafte Passspiel und die fehlende Zuordnung sind mit dem Trainer anzukreiden. Dass nach 60 Minuten alle platt sind, wirft kein gutes Bild auf die Kondition der Mannschaft. Verletzte hin oder her. Hoffen wir auf einen Restart, aber nicht drauf, dass und Kalaidzic allein da unten raus schießt.