Endlich, endlich, endlich gewinnt der VfB wieder ein Auswärtsspiel. Emotional setzt er damit den Trend vom Pokalspiel am Mittwoch fort. Die Tabellenlage ist weiter prekär und das Restprogramm schwierig aber immerhin: Die Hoffnung ist zurück.
Normalerweise passiert sowas nicht. Nicht uns, nicht wenn wir auf dem letzten Platz stehen. Dass der gegnerische Torwart, der letzte Saison noch als einer der besten der Liga galt und nicht erst seitdem mit einem entsprechenden Ego auftritt, unter einer stinknormalen Flanke hindurch springt, die, of all people, Neu-Nationalspieler und Ex-Bankdrücker Josha Vagnoman auf den Kopf und von dort ins Tor fällt. Oder dass der VfB auf die Enttäuschung eines so zweifelhalften wie unnötigen Elfmeters gegen sich sofort eine Antwort hat und zwar indem Borna Sosa nach der Flanke mit links und der mit rechts sein Repertoire um eine Außenrist-Flanke erweitert. Nicht zu sprechen von Hiroki Itos zweitem Bundesliga-Treffer: Wie sein erstes damals gegen Mainz ein Strahl von einem Schuss. Um es kurz zu machen; Der Auswärtssieg in Bochum war außergewöhnlich, nicht nur weil er diese leidige 15monatige Negativserie beendete.
Es ist natürlich nach gerade einer Woche Amtszeit noch viel zu früh, von einem richtigen Trainereffekt und einer Trendwende zu schreiben. Als VfB-Fan ist die Skepsis Deine ständige Begleitung. Und dennoch ertappte ich mich dabei, wie ich mich in einigen Phasen des Spiels an seligere Zeiten erinnert fühlte, genauer die vorletzte Saison. Als der VfB Ballgewinne im Mittelfeld nicht mit einem Querpass und drei Rückpässen und einem langen Ball verpuffen ließ, sondern versuchte, so schnell wie möglich zum gegnerischen Strafraum zu kommen. Was durchaus erfolgreich hätte sein können, wenn Chris Führich immer ähnlich zielstrebig wäre wie vor dem 1:0. Vor allem aber hatte ich das Gefühl, die Mannschaft sei jederzeit in der Lage, noch ein weiteres Tor zu schießen. Eine Fähigkeit, die angesichts der beim Anschlusstreffer offenbarte Defensivschwäche auch in den kommenden Wochen wichtig sein wird.
Feuer gefunden
Einen entscheidenden Anteil daran hatte, wenig überraschend, Serhou Guirassy, was vielleicht auch den Trainereffekt noch ein wenig abmildert. Als einer der wenigen Führungsspieler holte er sich teilweise Bälle in der eigenen Hälfte ab, forderte seine Hinterleute zum Nachrücken auf und erzielte in seiner unnachahmlichen Kaltschnäuzigkeit die erneute Führung. Wieviel dem VfB ohne ihn fehlt, war nach seiner Auswechslung zu beobachten, als die Mannschaft nochmal ins Wanken geriet und den bereits erwähnten viel zu einfachen Gegentreffer hinnahm, der aus einem Kopfball des gegnerischen Torwarts an der Mittellinie resultierte, und es in Person von Silas verpasste, den Deckel auf dieses Spiel zu machen.
So war auch dieses Spiel, wie der Erfolg in Nürnberg, neben viel Engagement auch von viel Nervosität geprägt, die die Mannschaft aber spätestens in der Schlussphase und den vom zusehends überforderten Schiedsrichter Willenborg gewährten sieben Minuten Nachspielzeit ablegte. Nicht zuletzt als Dinos Mavropanos sich nicht unwidersprochen an der Seitenlinie abräumen lassen wollte, war klar: Die Mannschaft hat ihr Feuer wieder gefunden. Und das könnte viel mehr noch als die überraschend einfache Maßnahme, Spieler ihren Stärken nach einzusetzen, der größte Beitrag von Sebastian Hoeneß zum Klassenerhalt sein: Die Mannschaft endlich aus ihrer Lethargie zu holen, die durch Bruno Labbadia noch verstärkt wurde, sich aber durch viele Spiele der letzten eineinhalb Jahre zieht.
Ein Funken
Zunächst einmal beschert und dieser Auswärtssieg den Relegationsplatz und einen Funken Hoffnung. Es wird nun entscheidend sein, den von Hoeneß ausgemachten “fighting spirit” auch in den letzten sieben Spielen an den Tag zu legen. In Augsburg, Berlin und gegen Hoffenheim in den Spielen gegen die direkte Konkurrenz, aber auch gegen Mannschaften wie Gladbach oder Mainz, die an einem guten Tag durchaus schlagbar sind. Wenn dann am Ende wirklich der Klassenerhalt feststehen sollte, könnte man mit viermonatiger Verspätung wirklich von einem Trainereffekt reden — und muss in der von Alex Wehrle in der Halbzeitpause angekündigten schonungslos Analyse auch thematisieren, was der Plan mit Labbadia war, der diese Rettungsaktion erst nötig machte.
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass sieht durchaus einen Trainereffekt, vor allem aber eine leidensfähige Mannschaft.
Titelbild: © Lars Baron/Getty Images