Erneut zeigt der VfB in der ersten Halbzeit eine gute Leistung, gegen Bremen reicht das anders als gegen Leipzig immerhin zu einem Punkt. Aber reicht das auch in der Zukunft?
Als Schiedsrichter Robert Hartmann am Freitagabend das Auswärtsspiel des VfB in Bremen abpfiff, wusste man als Fan des Brustrings gar nicht, ob man sich freuen oder ärgern sollte:
Es bleibt am Ende beim 1:1, auch weil sich beide Mannschaften in der zweiten Halbzeit neutralisieren und der @VfB keine Offensivgefahr mehr entwickelt. #VfB
Eure Meinung zu #SVWVfB?
— RundumdenBrustring (@RundudBrustring) February 22, 2019
Grund zum Ärgern hatten wir durchaus. Denn so stark Werder in dieser Saison teilweise schon aufgetreten ist, so unkonzentriert zeigten sich die Bremer in der ersten Hälfte. Der VfB nutzte das direkt aus, als Gomez einen langen Ball von Beck auf den diesmal häufig in die Mitte rückenden Steven Zuber verlängerte, der bereits im zweiten Spiel hintereinander traf nach bisher eher enttäuschenden Auftritten seine beste Szene im Brustring zeigte. Diesmal war es kein zweifelhafter Elfmeter, sondern ein platzierter Schuss nach einem sehenswerten Konter — für VfB-Verhältnisse etwas Unerhörtes. Zu allem Überfluss passierte das auch noch nach gerade mal 61 gespielten Sekunden. Die Brustring-Welt stand Kopf und der Gästeblock auch.
Moment, warum jetzt nochmal ärgern? Weil Bremen auch weiterhin völlig von der Rolle war und Mario Gomez mindestens eine seiner beiden Chancen zum 2:0 hätte nutzen müssen. Schon alleine um die aggressive, gedankenschnelle Spielweise des VfB zu belohnen, der Werder nicht zur Ruhe kommen ließ und immer wieder auf Balljagd ging. Ja, ich weiß, Gomez hat seine Rolle sonst gut ausgefüllt, nicht zuletzt auch das Tor von Zuber eingeleitet und sich den Ball vor seiner ersten hochkarätigen Chance gut erkämpft. Das wurde aber eben genauso wenig belohnt wie Ozan Kabaks energischer Sturmlauf und am Ende war es unter anderem das, was uns die drei Punkte gekostet hat.
Die Chance nutzen
Denn die brauchen wir weiterhin, das wurde einem spätestens bewusst, als der 1. FC Nürnberg am Samstagabend in Unterzahl (!) in Düsseldorf in Führung ging und der VfB auf Platz 17 abrutschte. Natürlich kann man gegen Bremen nicht unbedingt von vornherein auf einen Sieg hoffen, aber wenn einem ein überlegener Gegner die drei Punkte auf dem Silbertablett darbietet, sollte man zuschlagen. Wie man an den Konkurrenten im Abstiegkampf sieht, ist es nicht verboten, unerwartete Punkte einzusammeln. Stattdessen kassierten die Brustringträger kurz vor der Pause den Ausgleich, am Spielstand sollte sich in der zweiten Halbzeit nichts mehr ändern.
Und das war, man muss es nach den zweiten 45 Minuten festhalten, gut so. Denn der VfB bekam nach dem Seitenwechsel vorne gar nichts mehr auf die Reihe. Von Bremer Seite wurde hinterher Zeitspiel beklagt, aber wir kennen unseren VfB und wissen es besser — es war wohl eher Unvermögen. Nur noch einen einzigen Schuss gab der VfB in der zweiten Halbzeit ab und der wurde geblockt. Bremen hingegen drehte noch einmal richtig auf und kam zwischenzeitlich dem zweiten Tor näher als es die Gäste es in der ersten Halbzeit je waren. So schraubten sie ihren xG-Wert von 0,24 zur Halbzeit am Ende auf über 1 hoch — was ja das Ergebnis des Spiels dann doch ziemlich gut wiedergibt.
Nullsummenspiel
Sollten wir uns also lieber freuen, dass der VfB den Punkt über die Zeit gebracht hat und nach Abschluss des Wochenendes sogar als einziger des Abstiegskampfquartetts gepunktet hat? Auffällig ist, dass es die Mannschaft erneut nach einer guten ersten Halbzeit nicht schafft, die gleiche Energie nach der Pause auf den Platz zu bringen. Waren die Gegner einfach zu stark? Beim Leipzig-Spiel mag das zutreffen, gegen Bremen lag es aber meiner Meinung nach vor allem am personellen Wechsel in der Halbzeit: Marc Oliver Kempf musste mit Übelkeit runter, der VfB stellte auf Viererkette um und Christian Gentner kam aufs Feld. In der Folge stand die Abwehr nicht mehr ganz so stabil wie in der ersten Halbzeit und im Umschaltspiel blieb der Ball viel zu oft im Mittelfeld hängen. Was nicht nur, aber eben auch an Gentner lag und offenbart, warum er jetzt anderthalb Spiele lang auf der Bank saß.
Enttäuschend war auch die Einwechslung von Anastasios Donis, von dem ich mir eigentlich mehr erhofft hatte.
Selber schuld, wenn Du so ne Wackelabwehr nicht bestrafst. Sehe keinen Grund warum #Gomez nach der Pause noch aufm Platz stehen sollte. #SVWVfB
— Lennart Sauerwald (@l_sauerwald) February 22, 2019
Ich hatte echt gedacht: “Donis hätte die gemacht”. Leider sah man von ihm erneut zu wenig, außer bei seiner kreuzdämlichen gelben Karte wegen Ballwegschlagens. Das lag nur teilweise daran, dass das Offensivspiel nach der Herausnahme von Gomez und der Einwechslung von Gentner zum Nullsummenspiel wurde. Die Brustringträger versuchten nun, den Ball ins Tor zu tragen und waren, auch weil Bremen sich besser im Griff hatte, nicht mehr in der Lage, zügig und ohne Schnörkel nach vorne zu spielen. Mit dem Comebackle von Badstuber stellte der VfB dann wieder auf Fünferkette zurück, dem Offensivspiel half es nicht.
Spiel zu Spiel
Also, was jetzt? Freuen oder ärgern? Für Sportvorstand Thomas Hitzlsperger war die Sache klar, als er gefragt wurde, ob sich Weinzierls Gnadenfrist um eine weitere Woche verlängern würde:
„Na klar. Wir haben einen Punkt in Bremen geholt. Das ist aller Ehren wert. Es war ein Schritt nach vorne“
Zwar schränkte Hitz seine Euphorie später noch etwas ein, man hat aber das Gefühl, als sei der VfB stimmungsmäßig im Aufwind. Mit der Frage, woran das liegt, möchte ich mich am liebsten gar nicht beschäftigen. Kann es sein, dass eine Mannschaft so erbärmlich spielt, weil Ihr der Sportvorstand auf die Nerven geht? Denn die Einmischung des Sportvorstands an sich kann nicht das Problem gewesen sein, denn Thomas Hitzlsperger ist offensichtlich ähnlich nah dran am Team wie Michael Reschke es war. Ich wehre mich immer noch ein wenig gegen einen “Hitzlsperger-Effekt”, denn ich habe eigentlich keine Lust, der Mannschaft ein Alibi für die schlechteste Bundesliga-Saison der Vereinsgeschichte auszustellen.
Sollte uns die gute Stimmung aber zu einem Heimsieg im #ElKackico2 am kommenden Sonntag gegen Hannover verhelfen, nehme ich das gerne mit. So ganz traue ich dem Braten aber noch nicht. Zu fahrlässig haben wir am Freitag die Chance auf einen großen Schritt liegen gelassen. Zu eindeutig war Bremen am Ende überlegen, davon zeugen 69 Prozent Ballbesitz für die Hausherren und eine unterirdische Passquote des VfB von 63 Prozent. Gegen Hannover wird eine gute Halbzeit nicht reichen, dann müssen es zwei sein! Auch beim VfB denkt personaltechnisch anscheinend weiterhin von Spiel zu Spiel, nach einer Niederlage gegen Hannover könnte Weinzierl Geschichte sein, wie man hört. Nach wie vor also eine unbefriedigende Situation für alle Beteiligten. Aber hey, wenigstens haben wir nicht 1:5 in Freiburg verloren!
Größere Probleme
Abschließend noch ein paar Worte zu Ron-Robert Zieler: Vielleicht bin ich etwas befangen, weil ich seine Verpflichtung damals durchaus begrüßt habe, erst recht nachdem sich Mitch Langerak beleidigt aus dem Staub gemacht hat. Ich halte ihn weiterhin für den Besten VfB-Torhüter seit Jens Lehmann, was allerdings auch nicht besonders schwer ist. Jetzt stellen Riky und Sebastian in der neuesten Folge von VfB STR die Frage, ob der VfB ein Torwartproblem hat, auch Gregor Preiß spricht das Thema in den Stuttgarter Nachrichten an und kritisiert neben dem Gegentreffer vor allem das langsame Aufbauspiel Zielers. Sicherlich würde ich mir auch wünschen, dass er die Fehler, die er gemacht hat, nicht gemacht hätte. Dennoch hat er uns diese Saison mehr gerettet als kaputt gemacht und auch der Schuss von Klaassen war für mich nicht unbedingt haltbar. Die Probleme, vor allem defensiv, liegen bei uns auch ehrlich gesagt woanders, schließlich kassierte der VfB schon wieder ein Tor aus dem Rückraum, wie schon gegen Düsseldorf und Freiburg. Den Treffer muss sich also eher der sonst überraschend starke Gonzalo Castro ankreiden. Ich kann die Diskussion um Zieler jedenfalls nicht so ganz nachvollziehen.