Eine Geschichte von zwei Halbzeiten

Erneut zeigt der VfB in der ers­ten Halb­zeit eine gute Leis­tung, gegen Bre­men reicht das anders als gegen Leip­zig immer­hin zu einem Punkt. Aber reicht das auch in der Zukunft?

Als Schieds­rich­ter Robert Hart­mann am Frei­tag­abend das Aus­wärts­spiel des VfB in Bre­men abpfiff, wuss­te man als Fan des Brust­rings gar nicht, ob man sich freu­en oder ärgern soll­te:

Grund zum Ärgern hat­ten wir durch­aus. Denn so stark Wer­der in die­ser Sai­son teil­wei­se schon auf­ge­tre­ten ist, so unkon­zen­triert zeig­ten sich die Bre­mer in der ers­ten Hälf­te. Der VfB nutz­te das direkt aus, als Gomez einen lan­gen Ball von Beck auf den dies­mal häu­fig in die Mit­te rücken­den Ste­ven Zuber ver­län­ger­te, der bereits im zwei­ten Spiel hin­ter­ein­an­der traf nach bis­her eher ent­täu­schen­den Auf­trit­ten sei­ne bes­te Sze­ne im Brust­ring zeig­te. Dies­mal war es kein zwei­fel­haf­ter Elf­me­ter, son­dern ein plat­zier­ter Schuss nach einem sehens­wer­ten Kon­ter — für VfB-Ver­hält­nis­se etwas Uner­hör­tes. Zu allem Über­fluss pas­sier­te das auch noch nach gera­de mal 61 gespiel­ten Sekun­den. Die Brust­ring-Welt stand Kopf und der Gäs­te­block auch.

Moment, war­um jetzt noch­mal ärgern? Weil Bre­men auch wei­ter­hin völ­lig von der Rol­le war und Mario Gomez min­des­tens eine sei­ner bei­den Chan­cen zum 2:0 hät­te nut­zen müs­sen. Schon allei­ne um die aggres­si­ve, gedan­ken­schnel­le Spiel­wei­se des VfB zu beloh­nen, der Wer­der nicht zur Ruhe kom­men ließ und immer wie­der auf Ball­jagd ging. Ja, ich weiß, Gomez hat sei­ne Rol­le sonst gut aus­ge­füllt, nicht zuletzt auch das Tor von Zuber ein­ge­lei­tet und sich den Ball vor sei­ner ers­ten hoch­ka­rä­ti­gen Chan­ce gut erkämpft. Das wur­de aber eben genau­so wenig belohnt wie Ozan Kabaks ener­gi­scher Sturm­lauf und am Ende war es unter ande­rem das, was uns die drei Punk­te gekos­tet hat. 

Die Chance nutzen

Denn die brau­chen wir wei­ter­hin, das wur­de einem spä­tes­tens bewusst, als der 1. FC Nürn­berg am Sams­tag­abend in Unter­zahl (!) in Düs­sel­dorf in Füh­rung ging und der VfB auf Platz 17 abrutsch­te. Natür­lich kann man gegen Bre­men nicht unbe­dingt von vorn­her­ein auf einen Sieg hof­fen, aber wenn einem ein über­le­ge­ner Geg­ner die drei Punk­te auf dem Sil­ber­ta­blett dar­bie­tet, soll­te man zuschla­gen. Wie man an den Kon­kur­ren­ten im Abstieg­kampf sieht, ist es nicht ver­bo­ten, uner­war­te­te Punk­te ein­zu­sam­meln. Statt­des­sen kas­sier­ten die Brust­ring­trä­ger kurz vor der Pau­se den Aus­gleich, am Spiel­stand soll­te sich in der zwei­ten Halb­zeit nichts mehr ändern.

Und das war, man muss es nach den zwei­ten 45 Minu­ten fest­hal­ten, gut so. Denn der VfB bekam nach dem Sei­ten­wech­sel vor­ne gar nichts mehr auf die Rei­he. Von Bre­mer Sei­te wur­de hin­ter­her Zeit­spiel beklagt, aber wir ken­nen unse­ren VfB und wis­sen es bes­ser — es war wohl eher Unver­mö­gen. Nur noch einen ein­zi­gen Schuss gab der VfB in der zwei­ten Halb­zeit ab und der wur­de geblockt. Bre­men hin­ge­gen dreh­te noch ein­mal rich­tig auf und kam zwi­schen­zeit­lich dem zwei­ten Tor näher als es die Gäs­te es in der ers­ten Halb­zeit je waren. So schraub­ten sie ihren xG-Wert von 0,24 zur Halb­zeit am Ende auf über 1 hoch — was ja das Ergeb­nis des Spiels dann doch ziem­lich gut wie­der­gibt.

Nullsummenspiel

Soll­ten wir uns also lie­ber freu­en, dass der VfB den Punkt über die Zeit gebracht hat und nach Abschluss des Wochen­en­des sogar als ein­zi­ger des Abstiegs­kampf­quar­tetts gepunk­tet hat? Auf­fäl­lig ist, dass es die Mann­schaft erneut nach einer guten ers­ten Halb­zeit nicht schafft, die glei­che Ener­gie nach der Pau­se auf den Platz zu brin­gen. Waren die Geg­ner ein­fach zu stark? Beim Leip­zig-Spiel mag das zutref­fen, gegen Bre­men lag es aber mei­ner Mei­nung nach vor allem am per­so­nel­len Wech­sel in der Halb­zeit: Marc Oli­ver Kempf muss­te mit Übel­keit run­ter, der VfB stell­te auf Vie­rer­ket­te um und Chris­ti­an Gent­ner kam aufs Feld. In der Fol­ge stand die Abwehr nicht mehr ganz so sta­bil wie in der ers­ten Halb­zeit und im Umschalt­spiel blieb der Ball viel zu oft im Mit­tel­feld hän­gen. Was nicht nur, aber eben auch an Gent­ner lag und offen­bart, war­um er jetzt andert­halb Spie­le lang auf der Bank saß.

Ent­täu­schend war auch die Ein­wechs­lung von Ana­sta­si­os Donis, von dem ich mir eigent­lich mehr erhofft hat­te.

Ich hat­te echt gedacht: “Donis hät­te die gemacht”. Lei­der sah man von ihm erneut zu wenig, außer bei sei­ner kreuz­däm­li­chen gel­ben Kar­te wegen Ball­weg­schla­gens. Das lag nur teil­wei­se dar­an, dass das Offen­siv­spiel nach der Her­aus­nah­me von Gomez und der Ein­wechs­lung von Gent­ner zum Null­sum­men­spiel wur­de. Die Brust­ring­trä­ger ver­such­ten nun, den Ball ins Tor zu tra­gen und waren, auch weil Bre­men sich bes­ser im Griff hat­te, nicht mehr in der Lage, zügig und ohne Schnör­kel nach vor­ne zu spie­len. Mit dem Come­back­le von Bad­s­tu­ber stell­te der VfB dann wie­der auf Fün­fer­ket­te zurück, dem Offen­siv­spiel half es nicht.

Spiel zu Spiel

Also, was jetzt? Freu­en oder ärgern? Für Sport­vor­stand Tho­mas Hitzl­sper­ger war die Sache klar, als er gefragt wur­de, ob sich Wein­zier­ls Gna­den­frist um eine wei­te­re Woche ver­län­gern wür­de:

„Na klar. Wir haben einen Punkt in Bre­men geholt. Das ist aller Ehren wert. Es war ein Schritt nach vor­ne“

Zwar schränk­te Hitz sei­ne Eupho­rie spä­ter noch etwas ein, man hat aber das Gefühl, als sei der VfB stim­mungs­mä­ßig im Auf­wind. Mit der Fra­ge, wor­an das liegt, möch­te ich mich am liebs­ten gar nicht beschäf­ti­gen. Kann es sein, dass eine Mann­schaft so erbärm­lich spielt, weil Ihr der Sport­vor­stand auf die Ner­ven geht? Denn die Ein­mi­schung des Sport­vor­stands an sich kann nicht das Pro­blem gewe­sen sein, denn Tho­mas Hitzl­sper­ger ist offen­sicht­lich ähn­lich nah dran am Team wie Micha­el Resch­ke es war. Ich weh­re mich immer noch ein wenig gegen einen “Hitzl­sper­ger-Effekt”, denn ich habe eigent­lich kei­ne Lust, der Mann­schaft ein Ali­bi für die schlech­tes­te Bun­des­li­ga-Sai­son der Ver­eins­ge­schich­te aus­zu­stel­len.

Soll­te uns die gute Stim­mung aber zu einem Heim­sieg im #ElKackico2 am kom­men­den Sonn­tag gegen Han­no­ver ver­hel­fen, neh­me ich das ger­ne mit. So ganz traue ich dem Bra­ten aber noch nicht. Zu fahr­läs­sig haben wir am Frei­tag die Chan­ce auf einen gro­ßen Schritt lie­gen gelas­sen. Zu ein­deu­tig war Bre­men am Ende über­le­gen, davon zeu­gen 69 Pro­zent Ball­be­sitz für die Haus­her­ren und eine unter­ir­di­sche Pass­quo­te des VfB von 63 Pro­zent. Gegen Han­no­ver wird eine gute Halb­zeit nicht rei­chen, dann müs­sen es zwei sein! Auch beim VfB denkt per­so­nal­tech­nisch anschei­nend wei­ter­hin von Spiel zu Spiel, nach einer Nie­der­la­ge gegen Han­no­ver könn­te Wein­zierl Geschich­te sein, wie man hört. Nach wie vor also eine unbe­frie­di­gen­de Situa­ti­on für alle Betei­lig­ten. Aber hey, wenigs­tens haben wir nicht 1:5 in Frei­burg ver­lo­ren! 

Größere Probleme

Abschlie­ßend noch ein paar Wor­te zu Ron-Robert Zie­l­er: Viel­leicht bin ich etwas befan­gen, weil ich sei­ne Ver­pflich­tung damals durch­aus begrüßt habe, erst recht nach­dem sich Mitch Lan­ge­rak belei­digt aus dem Staub gemacht hat. Ich hal­te ihn wei­ter­hin für den Bes­ten VfB-Tor­hü­ter seit Jens Leh­mann, was aller­dings auch nicht beson­ders schwer ist. Jetzt stel­len Riky und Sebas­ti­an in der neu­es­ten Fol­ge von VfB STR die Fra­ge, ob der VfB ein Tor­wart­pro­blem hat, auch Gre­gor Preiß spricht das The­ma in den Stutt­gar­ter Nach­rich­ten an und kri­ti­siert neben dem Gegen­tref­fer vor allem das lang­sa­me Auf­bau­spiel Ziel­ers. Sicher­lich wür­de ich mir auch wün­schen, dass er die Feh­ler, die er gemacht hat, nicht gemacht hät­te. Den­noch hat er uns die­se Sai­son mehr geret­tet als kaputt gemacht und auch der Schuss von Kla­as­sen war für mich nicht unbe­dingt halt­bar.  Die Pro­ble­me, vor allem defen­siv, lie­gen bei uns auch ehr­lich gesagt woan­ders, schließ­lich kas­sier­te der VfB schon wie­der ein Tor aus dem Rück­raum, wie schon gegen Düs­sel­dorf und Frei­burg. Den Tref­fer muss sich also eher der sonst über­ra­schend star­ke Gon­za­lo Cas­tro ankrei­den. Ich kann die Dis­kus­si­on um Zie­l­er jeden­falls nicht so ganz nach­voll­zie­hen.

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