Eine Frage der Einstellung

Der VfB hat nach einer gefühl­ten Ewig­keit wie­der ein Bun­des­li­ga-Spiel ver­lo­ren. Das 1:2 gegen Han­no­ver ist kei­ne Kata­stro­phe, aber es war ver­meid­bar. Auf jeden Fall soll­te es für die Mann­schaft ein Weck­ruf sein, dass man gegen jeden Geg­ner voll kon­zen­triert auf­tre­ten muss und sei es auch gegen eine Mann­schaft, die vor­her acht Nie­der­la­gen in Fol­ge ver­kraf­ten muss­te.

Natür­lich: Hät­te der VfB eine sei­ner zahl­rei­chen Chan­cen genutzt oder aus einer sei­ner 17 Ecken ein Tor erzielt, wür­den wir jetzt über einen ver­dien­ten Arbeits­sieg reden. Lei­der taten die Jungs im Brust­ring weder das eine noch das ande­re. Wie vie­le ande­re auch hat­te ich nach dem Schal­ke-Spiel gewarnt, das Spiel gegen den Tabel­len­letz­ten nicht als Selbst­läu­fer zu betrach­ten. Anschei­nend ver­geb­lich.

Die Grün­de für die Nie­der­la­ge sind erschre­ckend ein­fach: Han­no­ver woll­te gewin­nen, der VfB ging davon aus, er habe das Spiel schon gewon­nen. Anders lässt es sich nicht erklä­ren, dass von Beginn an in der Defen­si­ve der Zugriff auf die aggres­si­ven Angrif­fe der 96er miss­lang. Natür­lich offen­bar­te auch der Geg­ner deut­li­che spie­le­ri­sche Schwä­chen, die bele­gen, war­um ihm das Lei­ne­was­ser bis zum Hals steht. Aber nach acht Nie­der­la­gen in Fol­ge hat­te man beim form­stärks­ten Team der Rück­run­de nichts zu ver­lie­ren und so rann­ten sie auch uner­müd­lich an, ohne dass die VfB-Abwehr sie wirk­lich dar­an hin­der­te. Viel­leicht der geschick­tes­te (unge­woll­te) Schach­zug war das 1:0 durch Timo Wer­ner. Die­ser stand nach einem Frei­stoß von Alex­an­dru Maxim der­art frei, dass der Jubel in der Cannstat­ter Kur­ve erst mit leich­ter Ver­zö­ge­rung ein­setz­te, weil sich vie­le erst­mal ver­si­chern muss­ten, dass Wer­ner weder im Abseits gestan­den, noch über das Tor geköpft hat­te.

Ein gutes Pferd…

Trainingsziel für die kommende Woche: Tore nach Ecken. Bild © Eric C. Späte
Trai­nings­ziel für die kom­men­de Woche: Tore nach Ecken. Bild © Eric C. Spä­te

Dum­mer­wei­se war sich die Mann­schaft danach umso siche­rer, das Spiel in der Tasche zu haben und pass­te sich spie­le­risch den Gäs­ten an. Zwei­kämp­fe wur­den leicht­fer­tig abge­schenkt, Bäl­le nicht erlau­fen und immer häu­fi­ger unnö­ti­ge Fehl­päs­se gespielt. Auch offen­siv beschränk­te man sich auf lan­ge Bäl­le, da die Abwehr offen­sicht­lich im Mit­tel­feld kei­ne Anspiel­sta­tio­nen fand. Und so plät­scher­te das Spiel vor sich hin. Der VfB spiel­te nicht wirk­lich schlecht, aber man hat­te auch nicht wirk­lich das Gefühl,  als hät­ten die Brust­ring­trä­ger Lust, sich mehr als nötig anzu­stren­gen.

Das soll­te sich rächen, als Han­no­ver durch zwei Stan­dard­si­tua­tio­nen das Spiel dreh­te. Über­haupt: Die Stan­dards. Weder das Erzie­len, noch das Ver­hin­dern von Toren nach ruhen­den Bäl­len schien beim VfB in letz­ter Zeit auf dem Trai­nings­plan gestan­den zu haben. Dass sich Wer­ner beim 1:0 von der ver­penn­ten 96-Deckung lösen konn­te: Geschenkt. Die Ecken von Alex­an­dru Maxim und Filip Kostic jedoch fan­den nur in Aus­nah­me­fäl­len den Weg in den Fünf­me­ter­raum. Ent­we­der sie flo­gen über die im Straf­raum ver­sam­mel­ten Mann­schaf­ten oder blie­ben am kur­zen Pfos­ten hän­gen. Gleich­zei­tig bleibt es uner­klär­lich, wie man sel­ber zwei­mal bei Frei­stö­ßen so pen­nen konn­te,  dass die Han­no­ve­ra­ner frei zum Kopf­ball kamen.

Der alte Feind Bequemlichkeit

Am Ende war das Spiel wie eine Hom­mage an die Hin­run­de. Der VfB spiel­te nach vor­ne eini­ger­ma­ßen offen­siv, kam zu Chan­cen, aber ver­gab die­se kläg­lich. Im Nach­hin­ein und noch unter dem Ein­druck einer ver­meid­ba­ren Nie­der­la­ge, sprach ich bei Face­book von einem Rück­fall in dunk­le Zei­ten:

Nicht zu fas­sen. Der VfB Stutt­gart 1893 e.V. spielt Auf­bau­geg­ner für eine Mann­schaft, die nichts zu ver­lie­ren hat­te. Dem…

Pos­ted by Rund um den Brust­ring on Sams­tag, 27. Febru­ar 2016

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Auch mit die­sem Frei­stoß hat­te Dida­vi-Ver­tre­ter Maxi­me kei­nen Erfolg. Bild © VfB-Bilder.de

Natür­lich bedeu­tet die­se Nie­der­la­ge nicht, dass es mit uns jetzt wie­der steil berg­ab geht. Aber nach der ver­schla­fe­nen ers­ten Halb­zeit in Gel­sen­kir­chen war der Auf­tritt gegen Han­no­ver erneut ein Indiz dafür, dass die Mann­schaft immer noch hin und wie­der zu einer gewis­sen Bequem­lich­keit und, ja, Über­heb­lich­keit ten­diert. Das mani­fes­tiert sich in mei­nen Augen unter ande­rem (!) in Alex­an­dru Maxim, der es mit trau­ri­ger Regel­mä­ßig­keit ver­passt, einen Aus­fall von Dani­el Dida­vi für Wer­bung in eige­ner Sache zu nut­zen und zu bewei­sen, dass er die­sen im nächs­ten Jahr voll­stän­dig erset­zen kann. Natür­lich hing die Nie­der­la­ge ges­tern kei­nes­falls allein an ihm. Aber wo Dida­vi ver­hält­nis­mä­ßig schnör­kel­los nach vor­ne spielt, ver­zet­telt sich Maxim regel­mä­ßig in klei­ne­ren Spie­le­rei­en. Hier eine Dre­hung zu viel, da ein der Situa­ti­on völ­lig unan­ge­mes­se­ner Hacken­pass. Dazu meist die feh­len­de Bereit­schaft, mit nach hin­ten zu arbei­ten, die auch Filip Kostic ab und an befällt. Über die feh­len­de Gefähr­lich­keit sei­ner ruhen­den Bäl­le habe ich ja bereits wei­ter oben gespro­chen.

Den Klassenerhalt gewinnt man in direkten Duellen

Hof­fen wir, dass die­se Nie­der­la­ge die Mann­schaft wach­ge­rüt­telt hat. Denn nach wie vor steckt der VfB im Abstiegs­kampf. Und den besteht man nicht, in dem man über­ra­schend gegen den Tabel­len­drit­ten gewinnt, son­dern in dem man die Mann­schaf­ten, die in der Tabel­le hin­ter und direkt vor einem ste­hen, besiegt. Mei­ne Frus­tra­ti­on über die­se Nie­der­la­ge rührt vor allem daher, dass man in der Mann­schaft die War­nun­gen offen­sicht­lich nicht in letz­ter Kon­se­quenz ernst genom­men hat. Auch wäh­rend der Sie­ges­se­rie zu Beginn der Rück­run­de ver­gab der VfB vie­le Chan­cen, zwang dann am Ende den­noch, wie ich häu­fig schrieb, das Glück auf sei­ne Sei­te. Gegen Han­no­ver ver­fiel die Mann­schaft hin­ge­gen wie­der in alte Mus­ter. Und eines muss man bei der gan­zen Eupho­rie über den groß­ar­ti­gen Rück­run­den­start auch mal fest­hal­ten: Die Mann­schaft hat, trotz aller Feh­ler Alex­an­der Zor­ni­gers, noch eine gro­ße Anzahl spie­le­risch und ein­stel­lungs­tech­nisch unter­ir­di­scher Auf­trit­te wie­der gut zu machen.

Und genau des­halb fällt auch mei­ne Kri­tik so scharf aus: Weil wir uns sol­che ver­meid­ba­ren Nie­der­la­gen gera­de auf­grund der ver­schenk­ten Hin­run­de nicht leis­ten kön­nen. Als nächs­tes steht jetzt ein schwe­res Aus­wärts­spiel in Mön­chen­glad­bach und ein Heim­spiel gegen Hop­pen­heim an, die von ihrem Trai­ner­wech­sel mehr pro­fi­tie­ren zu schei­nen, als einem lieb sein kann. Holen wir aus die­sen bei­den Par­tei­en drei bis vier Punk­te, kann man das Han­no­ver-Spiel getrost als Aus­rut­scher abtun.

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