Ein Punkt für eine gute Halbzeit

Gegen Hof­fen­heim lässt sich der VfB erneut nach der Pau­se das Spiel aus der Hand neh­men, holt aber trotz­dem ein Unent­schie­den. Das vier­te in Fol­ge und das fünf­te in acht Spie­len. Eine Situa­ti­on, die nicht ein­fach zu bewer­ten ist.


Wenn der VfB sei­nem Geg­ner im Mit­tel­feld den Ball abluchst und sich durch eine vom Gegen­pres­sing schein­bar völ­lig über­rasch­te und ‑for­der­te Hin­ter­mann­schaft kom­bi­niert, kommt man aus dem Stau­nen nicht mehr her­aus. Zum Bei­spiel beim Angriff, der über Umwe­ge am Sams­tag in der zwi­schen­zeit­li­chen 2:1‑Führung mün­de­te. Und was geht bit­te mit Nico Gon­za­lez? Da kriegt er den Ball von Wata­ru Endo qua­si quer neben den Straf­raum gelegt und dann macht er ein­fach da wei­ter, wo er in der argen­ti­ni­schen Natio­nal­mann­schaft auf­ge­hört hat und tanzt sich erfolg­reich durch eine geg­ne­ri­sche Abwehr, der zuge­ge­be­ner­ma­ßen durch Coro­na und die erwart­ba­re Igno­ranz der DFL die Abstim­mung fehlt — aber dazu spä­ter. Dass der VfB nicht nur einen Rück­stand dreht, son­dern in der 94. Minu­te einen wei­te­ren ega­li­siert, ist auch nichts, an das man sich schon gewöhnt hat. Nur eine Nie­der­la­ge und Platz 8 nach acht Spie­len, es gibt vie­les, mit dem man als VfB-Fan der­zeit zufrie­den sein kann.
Atemberaubende Tore... © imago
Atem­be­rau­ben­de Tore… © ima­go

Aber es gibt eben auch die zwei­te Halb­zeit gegen Hof­fen­heim. Und die gegen Frank­furt. In denen bei­de Geg­ner jeweils mit einer per­so­nel­len Umstel­lung auf das rasan­te Offen­siv­spiel des VfB reagier­ten und den Brust­ring­trä­gern damit den Spiel­fluß und zwei mög­li­che Punk­te nah­men. Viel ärger­li­cher als die Unent­schie­den gegen Mann­schaf­ten, die auf dem Papier bes­ser sind, gegen uns aber schlech­te Spiel­pha­sen hat­ten, näm­lich Lever­ku­sen, Frank­furt und Hof­fen­heim, sind die Punk­te­tei­lun­gem gegen Köln und beson­ders Schal­ke. So haben wir zwar elf Punk­te aus acht Spie­len, in den nächs­ten Wochen aber zwei Spie­le, in denen aus einer auf Unent­schie­den auf­ge­bau­ten Serie von Spie­len ohne Nie­der­la­ge schnell eine Nega­tiv­se­rie sieg­lo­ser Spie­le wer­den kann.

Berauschender Offensivfußball, zu einfache Gegentore

Es ist die klas­si­sche Glas-halb-voll-oder-halb-leer-Situa­ti­on für Ver­ein und Fans. Die Mann­schaft spielt berau­schen­den Offen­siv­fuß­ball, bekommt aber Pro­ble­me, sobald ein Geg­ner mit der ent­spre­chen­den Grund­qua­li­tät sich dar­auf ein­stellt. Der VfB schießt vie­le und schö­ne Tore — im Schnitt zwei pro Spiel, so vie­le wie nur zwei Mal in den ver­gan­ge­nen 20 Jah­ren zu die­sem Zeit­punkt — macht sich aber sei­ne größ­ten­teils soli­de Defen­siv­ar­beit immer wie­der durch gra­vie­ren­de Schnit­zer zunich­te. So wie an die­sem Tag Manga­la, der ver­such­te, Baum­gart­ner mit einem Ali­bi-Begleittack­ling zu stop­pen, Sten­zel, der sich beim 2:2 von Ses­se­gnon über­lau­fen ließ und Anton, der Kra­ma­ric von den Bei­nen hol­te, obwohl Marc Oli­ver Kempf noch hät­te ret­ten kön­nen. Kann alles pas­sie­ren, führt in der Sum­me aber zu zu vie­len ein­fa­chen Gegen­to­ren. Und Lewan­dow­ski und Haa­land kom­men ja erst noch.

Klar, die es gibt nur vier Par­tien pro Sai­son gegen Bay­ern und Dort­mund und wesent­lich mehr gegen Geg­ner auf Augen­hö­he, wie zum Bei­spiel vor Weih­nach­ten noch gegen Bre­men und Uni­on. Gegen die könn­te ein Nico Gon­za­lez, das hat man am Sams­tag gese­hen, durch­aus einen Unter­schied machen, sei­ne Ver­let­zung ist super bit­ter. Ande­rer­seits hat die Mann­schaft zu Sai­son­be­ginn gezeigt, dass sie ihn auch ver­tre­ten kann.Dafür muss man aber aber Sasa Kalajd­zic auch wie­der in Situa­tio­nen brin­gen, in denen er tref­fen kann. Unplat­zier­te Distanz­schüs­se hel­fen da weni­ger, mei­ne Hoff­nung liegt eher auf Silas Waman­gi­tu­ka, der gegen Hof­fen­heim stark spiel­te und immer wie­der hin­ter die Abwehr kam, was sei­nem Gegen­über Tan­guy Cou­li­ba­ly lei­der weni­ger gelang.

...aber auch zu einfache Gegentore. © Matthias Hangst/Getty Images
…aber auch zu ein­fa­che Gegen­to­re. © Mat­thi­as Hangst/Getty Images

Keine Rücksicht auf Corona

Vor allem aber muss die Mann­schaft eine Lösung für Druck­pha­sen des Geg­ners fin­den. Wie schon gegen die Ein­tracht konn­te sich der VfB plötz­lich nicht mehr aus dem hohen Pres­sung befrei­en und wenn doch folg­ten häu­fig Fehl­päs­se und zwar teil­wei­se ohne geg­ne­ri­schen Druck. Dass Mat­a­raz­zo in sol­chen Situa­tio­nen qua­si posi­ti­ons­ge­treu wech­selt — Sosa für Cou­li­ba­ly, Kli­mo­wicz für Dida­vi, Förs­ter für Cas­tro — ist natür­lich einer­seits dem loh­nens­wer­te Ansatz geschul­det weder Füh­run­gen, noch Rück­stän­de zu ver­wal­ten. Es wird aber häu­fig nach dem glei­chen Plan wei­ter­ge­spielt, nur eben mit ande­rem Per­so­nal, wäh­rend die geg­ne­ri­sche Mann­schaft Mor­gen­luft wit­tert und sieht, dass ihre Umstel­lung Erfolg ver­spricht oder bringt. Am Ende, manch­mal sehr spät, fängt sich der VfB dann regel­mä­ßig und ist auch des­halb so schwer zu besie­gen. Aber es reicht dann eben auch nicht für drei Punk­te. Und die soll­ten wir, bei allem Lob für die Spiel­wei­se und die Moral, bald mal wie­der holen, eben auch, um sich genau dafür zu beloh­nen.

Zum Abschluss noch ein paar Wor­te zu den Rah­men­be­din­gun­gen die­ses Spiels. Man muss mit der TSG Hof­fen­heim kein Mit­leid haben, weil ihnen die DFL eine Ver­le­gung des Spiels um 24 Stun­den ver­wei­ger­te und ihnen damit gegen­über dem von Coro­na-Infek­tio­nen zum Glück ver­schon­ten VfB mög­li­cher­wei­se einen Wett­be­werbs­nach­teil auf­er­leg­te. Schließ­lich genießt man in der Dis­co­scheu­ne an der A6 seit über einem Jahr­zehnt den Wett­be­werbs­vor­teil, dass man sich um nach­hal­ti­ges Wirt­schaf­ten dank Impf­stoff­ver­spre­cher Diet­mar Hopp einen feuch­ten Dreck sche­ren muss. Es muss aber jedem, auch mit einer voll­kom­men nach­voll­zieh­ba­ren Ableh­nung Hof­fen­heim gegen­über ein­ge­rech­net, klar sein, dass die DFL auf den VfB genau­so­we­nig Rück­sicht neh­men wür­de wie auf Hof­fen­heim oder letz­te Sai­son Dyna­mo. Da muss man schon Bay­ern Mün­chen hei­ßen und sich im Cham­pi­ons-League-Fina­le für den deut­schen Fuß­ball und damit für jeden ein­zel­nen von uns auf­op­fern, damit Spie­le ver­legt wer­den. Ich bin gespannt, wie lan­ge die Liga das in die­sem Win­ter noch so durch­zie­hen kann. Von Demut und Soli­da­ri­tät fan­ge ich gar nicht erst an. Der Zug ist schon lan­ge abge­fah­ren.

Titel­bild: © Mat­thi­as Hangst/Getty Images

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