Der VfB gewinnt in Bremen, holt verdammt wichtige drei Punkte im Abstiegskampf und zeigt, dass er in dieser Saison alte Muster abstreifen kann.
Der Gegner presst hoch, der Gegner stürmt an, der Gegner belagert das Tor des VfB — das haben wir in dieser Saison schon ein paar Mal erlebt und meistens konnte der VfB diesem Druck dann doch nicht standhalten. In Bremen war das anders: Werder hatte sich vorgenommen, seine Gäste direkt mit Anpfiff zu überrollen, zerschellte aber, nimmt man Osakos Schuss mal aus, immer wieder an der diesmal ziemlich stabilen Stuttgarter Abwehr und musste nach einer Viertelstunde feststellen, dass die Brustringträger nicht gewillt waren, sich schon wieder nur mit einem Punkt zufrieden geben zu müssen. Stattdessen wurde es am Ende ein Auswärtssieg. Der dritte der Saison, der dritte Saisonsieg und der dritte Sieg bei einem Gegner, gegen den man sehr lange nicht gewinnen konnte. Im Falle der Bremer waren es 14 lange Jahre.
Die Wichtigkeit dieses Sieges kann man nicht nur deshalb gar nicht überschätzen. Nach vier Unentschieden und der erwartbaren Niederlage gegen München hätte schon ein weitere Punktverlust die Stimmung und den Optimusmus in der Mercedesstraße erheblich eingetrübt. Denn wir befinden uns trotz des ansehnlichen Fußballs und der lobenswerten Einstellung der Mannschaft immer noch im Abstiegskampf und in dem muss man sich dann auch irgendwann wieder belohnen. Das gelang gegen Werder anders als gegen die direkten Konkurrenten aus Köln und Gelsenkirchen sowie die auf dem Papier besser besetzten Frankfurter und Hoppenheimer. Was, so ehrlich muss man sein, auch daran lag, dass Bremen eben etwas besser als Köln und wesentlich besser als das desolate Schalke ist, aber nicht die Qualitäten der Eintracht oder von SAP hat.
Unansehnlich, aber effektiv
Denn nach dem Pressing und dem Torschuss von Osako kam außer einer Druckphase in der zweiten Halbzeit und dem späten und glücklicherweise irrelevanten Anschlusstreffer von Selke nur wenig von den Hausherren. Sie schossen zwar 15 Mal Richtung Tor, einmal mehr als der VfB, nur drei dieser Versuche gingen aber wirklich auf den Kasten, drei weitere wurden geblockt. Alles andere verteidigte die VfB-Hintermannschaft geschickt weg und zeigte sich im Gegenzug abgezockt — vor allem in Person von Silas Wamangituka. Der versenkte den nach Foul von Chong an Endo fälligen Elfmeter zum 1:0, war vorne immer wieder hellwach und passte auch gut auf, als sich Toprak und Pavlenka jeglicher Professionalität entledigten. Ein Fortschritt zu den letzten Spielen, als man sich selber Patzer und unnötige Elfmeter erlaubte und gute Chancen ungenutzt ließ.
Schön anzusehen war das Spiel selten, vor allem in der ersten Halbzeit überbrückte der VfB das Mittelfeld häufig einfach mit langen Bällen, weil die Bremer auf dem Boden nur wenig zuließen. Es gab, abgesehen von Wamangituka auch keinen Spieler, der groß herausragte: Sosa war aktiv, in den Flanken aber oft zu ungenau, Coulibaly häufig wirkungslos und Kalajdzic vor dem Tor kaum zu sehen. Aber auch das kriegt die Mannschaft in dieser Spielzeit hin. Unansehnlich spielen und trotzdem gewinnen, weil man in den entscheidenden Momenten da ist und die Fehler des Gegners eiskalt ausnutzt. Der nette Nebeneffekt: Mit jetzt 14 Punkten aus zehn Spielen ist man dem fiktiven Ziel von 20 Punkten aus der Hinrunde, die hochgerechnet für den Klassenerhalt reichen sollten, einen großen Schritt näher. Ein wichtiger Sieg zum richtigen Zeitpunkt also.
Unnötige Handlung
Damit die Begleitumstände des 2:0 das Spiel und seine Leistung nicht in den Schatten stellen, rede ich erst am Ende dieses Spielberichts nochmal über Silas Wamangituka, tun möchte ich es aber dennoch. Wir haben ja gestern Abend schon einen Podcast zum Spiel und diesem Thema aufgenommen, deswegen will ich es kurz machen: Ich finde, man kann sein Verhalten als respektlos gegenüber Pavlenka bezeichnen, der sich natürlich seinerseits, wie schon erwähnt, vorher äußerst unprofessionell verhält. Wenn Du in der 91. Minute das 2:0 machst, ist das Spiel für gewöhnlich durch, dann brauchst Du keine Zeit mehr schinden. Vergleiche mit einem ähnlichen Tor vor 40 (!) Jahren sind genauso unangebracht wie die mit dem Torwart, der den Stürmer anlaufen lässt. Silas zögert das Unvermeidliche, nämlich das Tor und damit die sichere Niederlage, unnötig heraus. Ist auf dem Bolzplatz ein Schenkelklopfer, im Profifußball hat es meiner Meinung nach nichts zu suchen und von VfB-Spielern möchte ich so etwas nicht sehen. Und die Vehemenz, mit der dieses Verhalten teilweise verteidigt wird, befremdet mich etwas.
That being said: Die Kritik, die sich an ihm entzündet geht in Teilen weit über das erträgliche Maß hinaus. Man kann, und das tue ich auch, Silas für seine Handlung kritisieren. Das ist aber nicht gleichzusetzen mit Kritik an seiner Person oder seiner Persönlichkeit. Wer sich dann noch dazu veranlasst sieht, ihn wegen seiner Hautfarbe zu attackieren, hat in einer Diskussion über Fußball nichts verloren — eigentlich in keiner Diskussion.
Titelbild: Oliver Hardt/Getty Images