Am Ende einer emotional und körperlich anstrengenden Woche schlägt der VfB den Tabellenvorletzten aus Mainz in einem arbeitsreichen Spiel und beweist: Es geht auch so.
Natürlich mutet es komisch an, wenn der Tabellendritte, der mittlerweile auch schon wieder drei Siege in Folge gefeiert hat, den Tabellenvorletzten mit 3:1 besiegt und genug Chancen für einen höheren Heimsieg liegen lässt und man dann von einem Arbeitssieg spricht. Aber so fühlte es sich an, nachdem die Mannschaft nicht nur das Aus im Pokal nach einem fordernden Spiel in Leverkusen psychisch verarbeiten, sondern auch auf Stammtorhüter Nübel verzichten musste. Auch beide Topstürmer standen am Freitagnachmittag noch auf der Kippe und damit wäre in den vergangenen Jahren eigentlich schon klar gewesen, was passiert: Der VfB empfängt eine Mannschaft, die mit dem Rücken zur Wand steht und kann deren Mut der Verzweiflung nichts entgegensetzen.
Nicht so, und das schreibe ich jetzt nicht zum ersten Mal, in dieser Saison. Da vergibt zwar Chris Führich eine Chance, die so groß war, dass Enzo Millot deswegen fast den Pfosten durchgetreten hätte, aber dann schlagen in der verlängerten Nachspielzeit einfach zwei Spieler zu, die letztens ihre ersten beiden Tore im Brustring überhaupt erzielen konnten: Maxi Mittelstädt und Jamie Leweling. Deniz Undav machte mit seinem 14. Saisontor den Deckel drauf und Sebastian Hoeneß konnte es sich leisten, Serhou Guirassy 60 Minuten lang zu schonen. Es passt auch zu diesem Spiel, dass Pascal Stenzel, der zu Beginn des Spiels große Probleme mit Ngankam und Caci auf seiner Seite hatte, am Ende zwei Tore auflegte und vom Kicker zum Spieler des Spiels gewählt wurde. Da konnte selbst der Anschlusstreffer von Ajorque die Stimmung im Neckarstadion nicht trüben oder gar den 14. Saisonsieg — den neunten zu Hause — verhindern.
Kraft schöpfen
Dennoch merkte man der Mannschaft an, dass das Pokalspiel Kräfte gekostet hatte — und Personal. Alex Nübel hatte sich bei einer Parade gegen Leverkusen scheinbar die Hüfte geprellt, Deniz Undav muskulär reagiert und Serhou Guirassy den Afrika-Cup noch nicht aus den Knochen geschüttelt. Ein bisschen profiterte die Brustring-Mannschaft auch davon, dass die vor dem Tor glücklosen Mainzer ihre wenigen Chancen nicht nutzten, wie das nun mal bei Abstiegskandidaten der Fall ist. Der exptected goals-Wert von 1,82 offenbart, dass die Gäste auch diesmal unter ihren Möglichkeiten blieben, was Trainer Jan Siewert vermutlich heute den Job kostet. Beim VfB hingegen läuft es sowieso und dann gelang es der Mannschaft irgendwann, sich in die Partie reinzubeißen und Ball und Gegner laufen zu lassen. Teilweise sah man die Erschöpfung der Woche auch im Passspiel, das mitunter sehr gemütlich und behäbig daher kam, gleichzeitig hätte der VfB das Spiel mit dieser Spielweise schon in der ersten Halbzeit komplett entscheiden können.
Es sind also nicht nur die üblichen Erklärungsansätze, die bei diesem Sieg greifen: Es war nicht nur Glück, ein Lauf oder ein schlechter Tag des Gegners, die die Erfolgssträhne verlängerten, sondern auch die Widerstandsfähigkeit der Mannschaft, die sie ja nicht zum ersten Mal an den Tag legte. Am Ende bissen sich die Brustringträger durch das Spiel durch und können nun in einer vollen Trainingswoche vor der verhältnismäßig kurzen Auswärtsfahrt nach Darmstadt wieder Kraft schöpfen und hoffentlich das ein oder andere Wehwehchen auskurieren. Für mich ist spätestens mit diesem Sieg das Leverkusen-Spiel endgültig abgeschlossen. Ändern lässt es sich sowieso nicht mehr und wir müssen offensichtlich auch nicht befürchten, dass die Mannschaft dadurch den Fokus verloren hat. Wahrscheinlich werden wir auch in den kommenden beiden Spielen nicht unbedingt so ein Spektakel erleben wie im Pokal — mit sechs weiteren Punkten im Februar könnte sich die Mannschaft aber weiterhin für die verpasste Chance im Pokal entschädigen und an den Punkteabständen in der Liga schrauben. Nach unten und vielleicht sogar nach oben.
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass stellt fest: “An das Spiel wird sich nach der Saison niemand mehr erinnern. Aber wenn Du genau diese Spiele gewinnst, humorlos, letztlich ungefährdet, dann bist Du eine Spitzenmannschaft, die zu Recht auf Platz 3 der Tabelle steht.” Stuttgart.international feiert Maxi Mittelstädt und sieht Europa am Horizont auftauchen.
Titelbild: © Sebastian Widmann/Getty Images