Wer die Vereinspolitik auf beiden Seiten der Mercedesstraße seit einer Weile verfolgt, den dürften selbst die neuesten Enthüllungen des Spiegels nicht überraschen. Sie dokumentieren lediglich das Ausmaß der Dreistigkeit.
Schwenkt man beim VfB in den letzten Wochen in der Berichterstattung weg vom Sportlichen und hin zum Geschehen abseits des Rasens, kann man sich vor Superlativen kaum retten. Der Verein für Bewegungsspiele ist wahlweise in der größten Krise seiner 127jährigen Vereinsgeschichte, vor einer Zerreissprobe oder blickt unmittelbar in den Abgrund. Der Grund liegt auf der Hand: Es ist natürlich nicht der bewusst hochstilisierte Showdown zwischen Claus Vogt und Thomas Hitzlsperger, der mit dem Rückzug Hitzlspergers aus dem Präsidentschaftsrennen in sich zusammenfiel. Nein, es ist der — zur Abwechslung mal nicht geleakte — Befund des Landesdatenschutzbeauftragten Stefan Brink, der beim VfB “erhebliche Datenschutzverstöße” festgestellt hat und jetzt ein Bußgeldverfahren eröffnen wird. Außerdem der — natürlich — geleakte Abschlussbericht von Esecon, der in Auszügen an diesem Wochenende im Spiegel erscheint.
Und dessen Begleitumstände, denn am Donnerstag schaltete Claus Vogt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wegen Geheimnisverrats in Bad Cannstatt ein. Klingt dramatisch, wird aber im Kontext der Spiegel-Veröffentlichung nachvollziehbar. Denn auf den ersten Blick profitiert vom Leak und der im Bericht erwähnten Namen nur der, dessen Name nicht erwähnt wird — ein Framing, was sich durchaus verfangen wird bei jenen, die immer noch glauben, Vogt sei der Erzfeind unseres Meisterschützen von 2007 und nach seiner Wiederwahl würden Kalajdzic, Wamangituka und Co sofort den Verein verlassen. Dass Vogt sich aber als Nebelkerze die Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen ins Haus holt, also quasi das Streichholz wirft und dann Feuer ruft, halte ich für eher unwahrscheinlich. Er hat schließlich noch etwas zu verlieren.
Nicht überraschend
Anders als andere Menschen im Präsidium, deren Namen bereits im Zwischen- und folgerichtig auch im Abschlussbericht im Kontext der Mitgliederverarsche genannt wurden. Wenn man nach Veröffentlichung des Abschlussberichts als Präsidiumsmitglied sowieso nicht mehr haltbar ist, kann man wenigstens noch den Eindruck erwecken, der Präsident stecke Interna durch. Und liefert damit der Mehrheit des Vereinsbeirats endlich den handfesten Grund, nach dem dieser schon händeringend sucht, um Vogt nicht für die Präsidentschaftswahl zuzulassen. Wenn der Wind ganz günstig steht, kann man sich dann vielleicht doch bis zu einer Mitgliederversammlung im März oder einer noch früheren außerordentlichen Mitgliederversammlung durchhangeln und vom neuen Präsidenten öffentlichkeitswirksam begnadigt werden. Esecon hin, FokusVfB her.
Aber das wisst ihr natürlich alles schon. Denn es ist eben nicht dieser Supergau, der von vielen herbeigeschrieben wird, um dir Vorgänge in Worte zu fassen. Dass vielen Funktionären der AG und ihrer beiden Anteilseigner egal ist, was Fans und Mitglieder von ihnen halten oder in einem demokratisch organisierten Verein für Rechte haben sollten, ist lange bekannt: Einfach mal durch die Rubrik “Gedanken rund um den Brustring” in diesem Blog scrollen. Wer diese Funktionäre sind und waren, weiß auch jeder und das nicht erst, seit Esecon ihre Namen zu Papier gebracht hat. Um das sprachliche Bild aus der Überschrift aufzugreifen und zu erklären: Es stinkt seit Jahren aus den Führungsetagen der Geschäftsstelle und wir wissen auch wer die Haufen legt. Das einzige, was uns die letzten Wochen und diverse Enthüllungen, Leaks und offene Briefe verdeutlichen, ist die Größe des Haufens, den sie auf uns scheißen.
Beeindruckende Dreistigkeit
Denn die Dreistigkeit, mit der man auch eineinhalb Jahre nach dem Rücktritt von Wolfgang Dietrich noch Mitglieder brüskiert, ist schon beeindruckend. Sei es, indem man den Esecon-Bericht rechtlich von einer Kanzlei prüfen lässt, deren Nähe zum Ankerinvestor und Treiber der Ausgliederung unübersehbar ist. Indem man womöglich versucht, dem Präsidenten einen Leak in die Schuhe zu schieben und damit die Mitglieder der Möglichkeit beraubt, ihre Funktion als oberstes Vereinsorgan wahrzunehmen. Und indem man die Ermittlungen, in denen es darum geht, wer wann wie Mitglieder betrogen hat, sabotiert. Hoffen wir, dass bald jemand die Spülung findet, um uns des Haufens und seines Gestanks, der uns jetzt schon Jahre begleitet, zu entledigen.
Oder, um es ganz ohne sprachliche Bilder noch einmal ganz deutlich zu machen: Die im vom Spiegel zitierten Esecon-Bericht genannten unmittelbar an der Mitgliederverarsche beteiligten AG-Vorstände Stefan Heim und Jochen Röttgermann sowie ihre Mitarbeiter Oliver Schraft und Uwe Fischer und natürlich die e.V.-Präsidiumsmitglieder Rainer Mutschler und Bernd Gaiser dürfen nicht länger im Namen des VfB tätig sein und müssen zurücktreten oder von Ihren Aufgaben entbunden werden. Je früher, desto besser.
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