Der Aufsteiger

Der VfB hat die Posi­ti­on des Vor­stands­vor­sit­zen­den intern besetzt: Mit Tho­mas Hitzl­sper­ger. Was wie­der­um die Fra­ge auf­wirft, wie beim Ver­ein für Bewe­gungs­spie­le Per­so­nal aus­ge­wählt wird.

Vor­ab, auch wenn man das natür­lich nicht mehr beto­nen muss, weil sich alle einig sind: Ich hal­te Tho­mas Hitzl­sper­ger für einen sehr sym­pa­thi­schen Men­schen, zumin­dest aus­ge­hend von dem, was ich aus der Ent­fer­nung wahr­neh­me, ohne ihn per­sön­lich zu ken­nen. Nach den Jah­ren der Dampf­plau­de­rei unter Wolf­gang Diet­rich und zeit­wei­se Micha­el Resch­ke ist er erfri­schend geer­det, authen­tisch und scheint jede Auf­ga­be mit der nöti­gen Ernst­haf­tig­keit und Demut anzu­ge­hen. Das sieht auch Dr. Bernd Gai­ser so, der als Inte­rims­auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der auf der VfB-Web­sei­te zur Bekannt­ga­be der Per­so­na­lie zitiert wur­de:

Er ver­kör­pert all jene Wer­te, die der VfB für den nach­hal­ti­gen und lang­fris­ti­gen Erfolg benö­tigt: Ihn zeich­nen sei­ne hohe Sport­kom­pe­tenz, Ent­schei­dungs­stär­ke, sein kla­res Bekennt­nis zum VfB und zu unse­rem Weg der ‚Jun­gen Wil­den‘, sei­ne hohe Glaub­wür­dig­keit und eine moder­ne Auf­fas­sung von Lea­der­ship und Unter­neh­mens­kul­tur aus. Tho­mas Hitzl­sper­ger genießt ein hohes Anse­hen bei unse­ren Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern, in den Gre­mi­en des Clubs, bei unse­ren Mit­glie­dern, Fans, Part­nern und Spon­so­ren.

Damit stellt Gai­ser erst­mal das Offen­sicht­li­che fest: Jeder mag Hitzl­sper­ger. Ich auch und ich wün­sche ihm und uns, dass er als Vor­stands­vor­sit­zen­der sowie in sei­nen zusätz­li­chen Res­sorts Sport, Unter­neh­mens­stra­te­gie und Kom­mu­ni­ka­ti­on Erfolg haben wird. Ich kann aber mei­ne Hoff­nung bis­her an nicht viel mehr fest­ma­chen als an den Punk­ten die Gai­ser auf­zählt. Denn Tho­mas Hitzl­sper­ger hat­te in den jetzt 40 Mona­ten, in denen er beim VfB Ämter aus­füllt, einen sol­chen Durch­lauf an Visi­ten­kar­ten, dass der Ver­ein zum Aus­gleich einen hal­ben Wald pflan­zen müss­te.

Viel­leicht ist Tho­mas Hitzl­sper­ger ein­fach ein Natur­ta­lent und kann sich genau­so gut Wis­sen in neu­en Auf­ga­ben­ge­bie­ten im Pro­fi­fuß­ball aneig­nen, wie er frü­her den Ball in die Maschen knall­te. Der Ver­ti­kal­pass, dem offen­bar die Stel­len­aus­schrei­bung vor­liegt, hat das in sei­nem Arti­kel gut zusam­men­ge­fasst:

Doch der Job ist nicht ohne: Für ihn völ­lig frem­de Auf­ga­ben­ge­bie­te wird er zu beackern haben, wie bei­spiels­wei­se die Ent­wick­lung einer Gesamt­stra­te­gie, er wird sich mit Fra­gen des Rechts, der Finan­zen und der Com­pli­ance beschäf­ti­gen müs­sen, er soll Ver­mark­tungs­po­ten­tia­le erken­nen und inter­na­tio­na­le Part­ner­schaf­ten schmie­den, so steht es jeden­falls im Anfor­de­rungs­pro­fil, das uns vor­liegt.

Das klingt nach einem ziem­li­chen Bro­cken für jeman­den, der Anfang des Jah­res noch “nur” für den Nach­wuchs­be­reich zustän­dig war und nach sei­ner Vor­stel­lung als Sport­di­rek­tor noch beton­te, wie sehr er als Neu­ling auch auf ein star­kes Team ange­wie­sen sei. Wel­che Auf­ga­be Hitzl­sper­ger da bevor­steht, haben aller­dings die eben zitier­ten Kol­le­gen schon sehr gut her­aus­ge­ar­bei­tet, da brau­che ich nicht das zu wie­der­ho­len, was ande­re bereits geschrie­ben haben. Mir geht es hier nicht um die Per­spek­ti­ve Hitzl­sper­gers, son­dern der des Ver­eins, bezie­hungs­wei­se des Kon­glo­me­rats aus Ver­ein und AG.

Gunter wusste Bescheid

Das geht schon damit los, dass die Exklu­sivin­fos zur Per­so­na­lie natür­lich kein gerin­ge­rer als Gun­ter Bar­ner hat­te, der pas­sen­der­wei­se auch gleich einen Kom­men­tar zur Per­so­na­lie aus der Tasche zau­ber­te. Jetzt ist es natür­lich rei­ne Spe­ku­la­ti­on, von wem der StN-“Exklusivautor” die Infor­ma­ti­on einen Tag vor der offi­zi­el­len Bekannt­ga­be zuge­steckt bekam. Oder ob die Per­so­na­lie nur heu­te bekannt gege­ben wur­de, weil sowie­so schon jeder Bescheid wuss­te. Wenn man sich anschaut, wer aus dem drei­köp­fi­gen Prä­si­di­al­rat nicht nur für die Aus­wahl die­ser Per­so­na­lie, son­dern bereits in der Ver­gan­gen­heit für die Per­so­nal­aus­wahl zustän­dig war, dann legt das die Ver­mu­tung nahe, dass die Exklu­sivin­fos für den Exklu­siv­au­tor von der gegen­über­lie­gen­den Sei­te der Mer­ce­des­stra­ße kamen. Aber das nur am Ran­de.

Viel ver­wun­der­li­cher fin­de ich die Maß­stä­be, nach denen die­ser beim VfB so wich­ti­ge Pos­ten besetzt wird.

Schließ­lich beauf­trag­te man eine exter­ne Per­so­nalagen­tur, mit der ja auch Jür­gen Klins­mann und offen­sicht­lich Bern­hard Heus­ler schon Kon­takt hat­ten. Hitzl­sper­ger hat­te sich in das Amt des Sport­vor­stan­des gera­de erst ein­ge­fun­den und muss­te zumin­dest bis Ende der ver­gan­ge­nen Sai­son erst­mal die Scher­ben sei­nes Vor­gän­gers auf­keh­ren. Er hat­te also gera­de ein­mal drei Mona­te Zeit, um in sei­ner bis­he­ri­gen Funk­ti­on den sport­li­chen Bereich neu aus­zu­rich­ten. Das lässt sich zwar alles schon recht gut an, für eine abschlie­ßen­de Bewer­tung ist es mir aller­dings noch viel zu früh, genau­so wie ich nicht wil­lens war, Micha­el Resch­ke nach drei gewon­ne­nen Spie­len unter Tay­fun Korkut zu attes­tie­ren, er habe alles rich­tig gemacht. Gera­de nach den Erfah­run­gen der letz­ten Jah­re soll­ten wir uns mit vor­schnel­len Bewer­tun­gen und Beur­tei­lun­gen zurück­hal­ten.

Die nächste Beförderung

Wel­chen Ein­fluss Hitzl­sper­ger in sei­nem Jahr als NLZ-Chef auf die Jugend­ar­beit hat­te, ver­mag ich auch nicht zu beur­tei­len. Auch hier lässt sich noch nicht abschlie­ßend beur­tei­len, ob er sei­nen Job gut gemacht hat, auch wenn ich das ger­ne glau­ben möch­te. Und schon bei sei­ner Beru­fung zum Sport­vor­stand war ich nicht der Ein­zi­ge, der mut­maß­te, dass Wolf­gang Diet­rich sich mit die­ser Per­so­na­lie vor allem sel­ber aus der Schuss­li­nie neh­men woll­te. Jetzt wird Hitzl­sper­ger, ohne dass man sei­ne Arbeit als Sport­vor­stand ange­mes­sen bewer­ten kann, zum nächs­ten Pos­ten beför­dert. Nur weil man ihm die benö­tig­te Lern­fä­hig­keit zutraut, oder auch, weil auch Diet­richs Nach­lass­ver­wal­ter weiß, dass man mit die­ser Per­so­na­lie auf gro­ße Zustim­mung stößt? Wel­chen lang­fris­ti­gen Plan ver­folgt der Auf­sichts­rat des VfB, wenn Auf­ga­ben­be­rei­che so schnell und so mas­siv aus­ge­wei­tet wer­den und die Grund­la­ge für die Eva­lua­ti­on des Kan­di­da­ten vor allem auf der Arbeit weni­ger Mona­te und einem sym­pa­thi­schen Auf­tre­ten beruht? War­um wird der Pos­ten, der im Nach­gang der letz­ten Sai­son als der­art wich­tig für die Zukunft des VfB ange­se­hen wur­de, mit jeman­dem besetzt, dem man nur weni­ge Mona­te vor­her einen ähn­lich wich­ti­gen, für die­sen aber völ­lig neu­en Job anver­traut hat? 

Ich hof­fe, dass ich unrecht habe, aber mir geht das alles etwas zu schnell und zu sehr aus dem Bauch her­aus. Das ist natür­lich kei­ne popu­lä­re Mei­nung, weil sich jeder wünscht, auch ich, dass Tho­mas Hitzl­sper­ger auch in sei­ner neu­en Rol­le Erfolg hat. Wie heu­te bekannt wur­de, wird Tho­mas Hitzl­sper­ger auch wei­ter­hin Sport­vor­stand blei­ben, so dass zumin­dest auf die­ser Posi­ti­on Kon­ti­nui­tät herrscht. Hof­fent­lich kom­men wir irgend­wann auch dort­hin, sei­ne Arbeit lang­fris­tig bewer­ten zu kön­nen. Trotz­dem über­wiegt, nur weni­ge Mona­te nach der kata­stro­pha­len Mit­glie­der­ver­samm­lung, immer noch die Skep­sis dar­über, mit wie viel Weit­sicht der Ver­ein sei­ne Per­so­nal­ent­schei­dun­gen trifft.

Titel­bild: © Getty/Bongarts

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