Das System Walter überzeugt – trotz Unentschieden in Heidenheim

Der VfB tat sich gegen Hei­den­heim schwe­rer, als vie­le nach dem Sieg gegen Han­no­ver gedacht hat­ten. Doch die Fans und Ver­ant­wort­li­chen kön­nen zwar mit dem Ergeb­nis nicht unbe­dingt zufrie­den sein, mit dem Auf­tritt des VfB aber defi­ni­tiv schon.

Das Unent­schie­den gegen den Nach­barn von der Ost­alb sorg­te bei den Ver­ant­wort­li­chen für gemisch­te Reak­tio­nen: Sven Mislin­tat etwa sag­te nach dem Spiel, er sei sehr zufrie­den und hät­te ein Unent­schie­den vor dem Spiel auch unter­schrie­ben. Die Sie­ger­men­ta­li­tät sei­nes Coa­ches ließ denn aber ver­laut­ba­ren, man hät­te doch gewin­nen müs­sen – und vie­le Spie­ler pflich­te­ten Tim Wal­ter bei.© Getty / Bongarts

Das 2:2 war am Ende ein gerech­tes Unent­schie­den, in dem bei­de Teams etli­che Tor­chan­cen lie­gen lie­ßen. Der VfB hät­te bis zur 30. Minu­te in Füh­rung gehen müs­sen, Hei­den­heim bis zur 45. Minu­te aber auch ein oder zwei Tore schie­ßen kön­nen. Das 0:0 zur Pau­se war zwar gerecht, gab den Spiel­ver­lauf aber nicht annä­hernd wie­der. Und nach der zwei­ten Hälf­te, in der auch nach dem 2:2‑Ausgleich noch Rie­sen­chan­cen en mas­se für bei­de Teams ver­ge­ben wur­den, hät­te es eigent­lich eher 4:4 ste­hen müs­sen.

Die Zuschau­er kamen auf jeden Fall auf ihre Kos­ten. Eine Tat­sa­che, die vor allem die Fans aus Cannstatt laut­stark quit­tier­ten. Über 90 Minu­ten wur­de ange­feu­ert, was die Lun­ge her­gab. Und das mit einer Laut­stär­ke, die den Hei­den­hei­mern wenig Chan­cen gab, dage­gen­zu­hal­ten.

Die Sym­bio­se aus Anfeue­rung neben und Lei­den­schaft und Spiel­freu­de auf dem Platz zeig­te sich jetzt schon im zwei­ten Spiel unter Tim Wal­ter. Dani­el Dida­vi, in der letz­ten Sai­son noch ver­lo­ren über den Platz lau­fend, zeig­te erneut, dass er ein unver­zicht­ba­rer Teil des VfB ist. Ata­kan Kara­zor hat­te zwar ein weni­ger star­kes Spiel als gegen Han­no­ver, war aber trotz­dem ein Aktiv­pos­ten. Sant­ia­go Asca­ci­bar ist mitt­ler­wei­le von der rei­nen defen­si­ven Stüt­ze als „Aus­put­zer“ zum spiel­freu­di­gen Mit­tel­feld­spie­ler mutiert. Und selbst ein Hol­ger Bad­s­tu­ber, letz­te Sai­son eine Kata­stro­phe, ent­deck­te sei­ne ver­lo­re­ne Ball­si­cher­heit wie­der und erziel­te sogar ein Tor.

Was kann man aus dem Spiel mitnehmen?

Nun, der VfB ist wie­der ein Ver­ein, dem es extrem Spaß macht, zuzu­schau­en. Das Sta­di­on wird auch die­ses Jahr voll sein, trotz des zwei­ten Abstiegs inner­halb von drei Jah­ren. Der Trai­ner ver­mit­telt den Spie­lern eine Spiel­freu­de, die sich auch auf die Fans über­trägt. Selbst nach dem ärger­li­chen Aus­gleich waren am Tag nach dem Spiel in den sozia­len Medi­en wenig Dis­kus­sio­nen über den Punkt­ver­lust zugan­ge. Man weiß, dass die Mann­schaft noch ein wenig Zeit braucht, das Sys­tem Wal­ter zu ver­in­ner­li­chen. Aber man weiß auch, dass sie auf einem guten Weg ist.

Als jemand, der sich bis­her nie beson­ders für Tak­tik inter­es­siert hat, schaue ich die Spie­le unter Wal­ter ganz anders als vor­her unter Korkut oder Wein­zierl. Denn es ist selbst für mich ein Sys­tem erkenn­bar. Und ich bin fas­zi­niert von die­sem Sys­tem und vom Trai­ner. Denn „Wal­ter­ball“ funk­tio­niert nur dann, wenn alle an einem Strang zie­hen. Es lässt die Spie­ler nicht allein, aber es über­trägt ihnen gro­ße Ver­ant­wor­tung, die rich­ti­gen Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Beim Spiel­auf­bau von Tor­wart Kobel aus hat man das immer wie­der gut beob­ach­ten kön­nen: Nach Dop­pel­päs­sen mit Innen- und Außen­ver­tei­di­gern kommt Kobel ab und zu in Bedräng­nis. Doch mit einem Pass zwi­schen den Stür­mern hin­durch (häu­fig auf Asca­ci­bar oder Cas­tro) sorgt er dann nicht nur für Ent­las­tung, son­dern lei­tet meist einen schnel­len Angriff ein, bei dem der VfB zügig vie­le Meter nach vor­ne macht. Die­se abso­lu­te Lauf­be­reit­schaft, die Arbeit nach hin­ten und die Bereit­schaft, die­se Meter zu gehen, muss vom Trai­ner imple­men­tiert wer­den. Dass ihm die­se Über­zeu­gungs­ar­beit gelingt, spricht sehr für den Men­schen Tim Wal­ter.

Denn in den ver­gan­ge­nen Jah­ren resul­tier­te aus der Bedräng­nis hin­ten ent­we­der ein Befrei­ungs­schlag in des Geg­ners Hälf­te oder ein Fehl­pass und ein schnel­les Gegen­tor. Eine Tat­sa­che und Ange­wohn­heit, die mir bei der Kame­ra­per­spek­ti­ve in Hei­den­heim, bei dem der zurück­lau­fen­de Mit­tel­feld­spie­ler häu­fig noch nicht im Bild war beim Pass von Kobel, immer noch regel­mä­ßig das Herz in die Hose rut­schen ließ.

Alles gut also?

Mit­nich­ten. Denn der VfB kas­sier­te nach einer 2:0 Füh­rung noch zwei Gegen­to­re, das zwar leis­tungs­tech­nisch gegen star­ke Hei­den­hei­mer in Ord­nung geht, aber allein auf­grund der Tat­sa­che, dass man mit zwei Toren in Front lag, nicht so zu akzep­tie­ren ist. Der VfB muss sich für die­sen Fall noch etwas ein­fal­len las­sen. Siche­res Ball­hal­ten, ohne in Kon­ter zu lau­fen, muss noch geübt wer­den. Und die Chan­cen­ver­wer­tung lässt auch zu wün­schen übrig – wobei die Tat­sa­che, dass oft schon der letz­te Pass nicht rich­tig saß, mich mehr stör­te.

Wir alle wuss­ten, dass die­se Ergeb­nis­se mit Tim Wal­ter pas­sie­ren kön­nen. Solan­ge das nicht zur Regel­mä­ßig­keit wird, kann ich per­sön­lich damit gut leben.

 

 

 

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