In der Krise ist Geld ein großes Thema — auch im Profifußball. Aber wo ist unsere Unterstützung sinnvoll?
Nach einer halben Stund bin ich endlich an der Reih
Mein Finger ist schon steif von der blöden Warterei.
Ich sag “Jetzt oder nie! Her mit der Marie!”
Der Kassier schaut mich an und fragt “Was haben Sie?”
Ich sag “An Hunger und an Durst, und keinen Plärrer!
Ich bin der böse Kassenentleerer!”
Der Kassier sagt “Nein, was fällt Ihnen ein?”
“Na gut”, sag ich, “dann zahl ich halt was ein!”
Wie allumfassend die durch das Coronavirus hervorgerufene Krise ist, habe ich ja in unserem letzten Blogbeitrag schon angesprochen. Überall herrscht Ausnahmezustand und der Fußball als nicht systemrelevante Unterhaltung hat da in jeglicher Hinsicht hintenan zu stehen. Tut er natürlich häufig nicht, weil er viel mehr zu emotionalisieren vermag als andere Branchen, ob in der Unterhaltung oder woanders. Und so schreibe ich dann an dieser Stelle doch wieder über den Fußball im Kontext der Krise, auch weil es das Thema ist, bei dem ich mich am Besten auszukennen glaube — darum gibt es diesen Blog ja überhaupt. Außerdem ist diese Krise so allumfassend, dass man es irgendwann leid ist, die Tagesschau-App zu öffnen oder auf Twitter zu schauen. Es gibt nur noch ein Thema und so viele davon beeinflusste Unterthemen, dass man ab und zu mal eine Nachrichtenpause braucht oder sich zumindest auf einen Teilaspekt konzentrieren muss, damit einem das Ganze gedanklich nicht über den Kopf wächst.
Geld oder Konservenfußball
Es soll also ums Geld gehen, aber nicht nur um Geisterspiele und Gehaltsverzicht, sondern auch um die Bereiche, wo es ebenso fehlt und wirklich zählt. Der Artikel beginnt in Österreich und, so viel kann ich schon mal verraten, er wird auch dort enden — das Titelbild dieses Artikels verrät vielleicht schon, womit. Bleiben wir aber erstmal bei den Diskussionen um die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Profifußball. Die bestehen zunächst einmal darin, dass derzeit nicht gespielt wird und es für eine gesamte Medienbranche, die am Profifußball hängt, eigentlich nichts weiter zu tun gibt, als über das vorliegende Thema zu reden und zu schreiben oder sich nostalgisch an die Zeiten vor der Krise zurück zu erinnern, indem man das 97er Pokalfinale nochmal ausstrahlt oder wie wir eine Podcast-Aufnahme mit Roberto Hilbert macht.
Ein weiterer Effekt der nicht stattfindenden Saison ist die Entschleunigung des Nachrichtenzyklus im Sport — ganz im Gegensatz zur restlichen Welt. Und so wurde die Diskussion um den Fußball und das Geld auch in der VfB-Blogosphäre schon von Sebastian Rose im Vertikalpass und Bernd Sautter auf Propheten der Liga geführt — zuerst schriftlich und dann neulich auch in der neuesten Folge von VfB STR. Weil es aber eben auch sonst keine Themen gibt — und die nächste Podcast-Folge mit historischem Bezug noch in der Planung ist — kann ich es mir erlauben, mich erst jetzt in die Diskussion einzuklinken, in der Hoffnung, dass nicht schon alles gesagt ist, und vor allem nicht von jedem. Ich will und kann hier allerdings auch keine allgemeingültige Lösung anbieten, sondern will vor allem meine Gedanken zu dieser Thematik loswerden. So bear with me.
Gei‑, Gei‑, Geisterspiele
Ein komplexes Thema anhand eines Popsongs aufzuziehen ist meist zum Scheitern verurteilt und nimmt man das oben zitierte österreichische Spaßlied herbei, wird es gerade zu absurd. Genauso wie das gewählte Zitat, denn welcher Bankräuber — zumal wenn er seine Straftat aus einer finanziellen Notsituation heraus begeht — zahlt Geld bei der Bank ein, anstatt es ihr zu entnehmen? Es ist genauso absurd, und damit komme ich endlich zum Thema, wie sich die Fußballwelt gerade darstellt. Denn eine Branche, in der es in den letzten 20 Jahren immer nur schneller, höher und weiter ging, die immer nur nahm, steht jetzt nach eigener Aussage vor dem teilweisen Kollaps, würde die Saison statt Mitte Mai zwei Monate früher beendet. Die Lösung sollen Geisterspiele sein, denn ohne die, so Liga Chef Seifert, gebe es nach dieser Saison keine 18 oder 20 Profivereine mehr. Es muss gespielt werden, (fast) auf Gedeih und Verderb.
Die Fußballvereine zahlen jetzt ein. Immerhin nicht nur im übertragenen Sinne, sondern auch ganz real und dankenswerter Weise, mit etwas Verzögerung, auch beim VfB, wo auch Spieler und Führungspersonal — genauso allerdings wie auch die restlichen Mitarbeiter — auf einen Teil ihres Gehalts verzichten, um den Verein zu unterstützen, dem im schlimmsten Fall angeblich 20 Millionen Euro verloren gehen würden. Hierzu hat Sebastian im STR-Podcast einen berechtigten Vergleich angebracht: Das ist in etwa halb so viel, wie den VfB ein Abstieg in der Vergangenheit gekostet hat. Natürlich auch ein Ereignis, das sich nicht allzuoft wiederholen sollte, wenn einem die wirtschaftliche Stabilität des Vereins am Herzen liegt.
Trikot, Karte, Rote
Aber, wie auch diese Auflistung im kicker zeigt: Die Warnung von Seifert erscheint leicht übertrieben — von der Wettbewerbsverzerrung durch Hoffenheim, Leverkusen, Leipzig und Wolfsburg ganz zu schweigen. Natürlich gibt es auch Vereine, vor allem in der zweiten und noch mehr in der dritten Liga, für die ein Ausfall von 20 Millionen wirklich existenzgefährdend ist. Die können auch nicht, wie in diesem Interview mit Ex-VfB-Finanzchef Uli Ruf in der Stuttgarter Zeitung angedeutet, Rücklagen anlegen. Es war ja übrigens unter anderem auch seine Sparsamkeit, ausgelöst durch einen Kader, der zwar verdiente wie in der Champions League, aber zu selten so spielte, die den VfB in den 2010er Jahren langsam aber sicher in die zweite Liga führte. Und je tiefer man die Ligaebene hinunter geht, desto größer wird die Abhängigkeit von zahlenden Zuschauern, denn selbst in den untersten Klassen kickt mittlerweile kaum noch einer für lau oder die Farben des Trikots.
Hier ist der DFB gefragt, der die Hoheit über die Ligen von der 3. Bundesliga abwärts hat. Der größte Sportverband der Welt muss in der Lage sein, seine Vereine vor dem Massenexodus — wer weiß, wie lange sie noch so auskommen müssen — zu bewahren. Was den Profifußball aber angeht, also die Vereine der ersten beiden Ligen, da fehlt mir größtenteils das Verständnis für die finanzielle Notlage. Schließlich hat man kein Problem damit, Fans für ein Trikot mindestens 80 Euro aus den Rippen zu leiern und twenty Euro für nen Stehplatz ist auch nur gerade so plenty. Von der klassischen Roten im Neckarstadion — außen verbrannt, innen kalt — oder der pappigen Pizza und den Preisen, die man dafür zahlt, will ich gar nicht sprechen. Die Stadien waren natürlich bislang trotzdem voll, genauso wie der VfB-Fanshop vor und nach dem Spiel.
Eintrittsgeld spenden?
Soll man nun also, wie von Sebastian und Bernd diskutiert, das für die Eintrittskarten bezahlte Geld dem VfB überlassen, selbst wenn der damit seine normalen und nicht seine kickenden Angestellten finanziert? Natürlich unterstützt man seinen Verein lieber selber, als Geld von den Champions League-Vereinen anzunehmen oder sich vom Daimler aufkaufen zu lassen, wenn 50+1 nach der Krise genauso sicher fällt wie das Amen in der Kirche. Aber muss es der Fußball im Allgemeinen und der VfB im Speziellen nicht auch so hinbekommen? Dann findet die EM 2024 eben nicht in Stuttgart statt und gerade jene Spieler, die in ihrer Karriere schon genug Geld angehäuft haben, greifen etwas tiefer in die Tasche als jene, die gerade den Sprung in den Profifußball geschafft haben.
Ich glaube auch nicht, dass die Krise den Profifußball nachhaltig verändern wird — genausowenig wie meiner Meinung nach die Gesellschaft, die zwar aktuell auch viel Gutes hervorbringt, aber eben auch Menschen, die Sicherheitsausstattungen klauen und Klopapier und Mehl horten. Das Geld wird hinterher bei vielen Vereinen immer noch da sein, vielleicht zunächst in geringeren Mengen. Aber warum sollten die Leute in Zukunft keine teuren Trikots, Eintrittskarten und Catering mehr bezahlen, wenn sie es können? Und es wird schon noch genügend geben, die es können. Ich verfolge die Diskussion über die Krisenfinanzierung der Fußballbranche deswegen zwar, berühren tut sie mich aber nur am Rande. Zum einen gibt es jene, die das Geld und das Mitgefühl dringender nötig haben — dazu gleich — und zum anderen gibt es einen guten Kompromissvorschlag, der scheinbar auch Anklang findet:
Fürs Ersten vielen Dank ??, wir wissen das sehr zu schätzen. Ich leite es intern weiter und dann melden wir uns
— Thomas Hitzlsperger (@ThomasHitz) March 27, 2020
Den Fußball wird es weiter geben
Die Mitarbeiter direkt zu unterstützen, ist auf jeden Fall eine sinnvolle Idee. Trotzdem möchte ich Euch noch ein paar weitere Empfehlungen aussprechen, denn, wie der geschätzte Kölner Blogger-Kolle Arne Steinberg auf effzeh.com schreibt: “Eines steht aber fest: Fußball wird es danach immer noch geben, egal in welcher Form. Und dieser Gedanke ist, trotz aller Untergangsszenarien, in diesen Tagen einigermaßen beruhigend. Irgendwann wird es wieder möglich sein, das eigene Lieblingsteam anzufeuern.” Es gibt aber auch Institutionen, die es nach der Krise vielleicht nicht mehr gibt oder Menschen, die in der Krise unsere sofortige Unterstützung brauchen. Eric hatte es bei uns im Podcast angesprochen und Bernd bei STR auch: Es wäre schön, wenn man sein Eintrittsgeld anderen als dem VfB zukommen lassen könnte. Eine Auswahl.
Menschen, die zur Risikogruppe gehören und deswegen das Haus nicht mehr verlassen können
Für Sie hat die Ultragruppe Schwabensturm eine Einkaufshilfe namens GemeinsamHelfen0711! organisiert und informiert darüber auf dem Twitter-Account @Gehelfen0711. Schaut Euch den Account an. Wenn ihr jemanden kennt, der Hilfe benötigt, gebt ihm diesen Flyer weiter.
Wenn Ihr selber Kapazitäten habt und helfen könnt und wollt, meldet Euch beim Schwabensturm. Weitere Infos gibt es auf deren Webseite.
Blut spenden!
Das Commando Cannstatt hat darauf aufmerksam gemacht, dass dem DRK Blutkonserven fehlen, weil Menschen aus Angst vor einer Infektion weniger spenden. Alle Infos hat die Ultragruppe hier zusammen gefasst.
Dennis
Ihr kennt Dennis, bei Twitter unter @DennisME1893 erreichbar, natürlich allein deshalb, weil wir in jeder Podcast-Folge über ihn reden. Er leidet am chronischen Erschöpfungssyndrom und gehört damit auch zur Risikogruppe. Er sammelt weiterhin Geld ein für seine Operation. Wenn Ihr ihn unterstützen wollt, könnt Ihr das hier tun.
Ballesterer brennt!
Zum Abschluss der angekündigte Schwenk zurück nach Österreich. Der ballesterer ist ein Fußballmagazin, das heuer, wie man in Österreich sagt, sein 20jähriges Bestehen feiert. Wie lange es dort noch etwas zu feiern gibt, ist allerdings fraglich, denn das Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Das hat erstmal nichts mehr mit Corona zu tun, sondern mehr mit den seit Jahren bestehenden Problemen des Printjournalismus. Beim ballesterer hat man, anders als bei den Kollegen der 11Freunde, die ich genauso sehr schätze, keinen großen Verlag im Hintergrund, was auch den Vorteil hat, dass sich redaktioneller Teil und Anzeigen nicht inhaltlich widersprechen. Aber so kommt eben auch weniger Geld in die Kasse. Wie wichtig guter Fußballjournalismus ist, haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder betont. Deswegen, wenn Ihr es Euch leisten könnt — und das gilt für alle aufgeführten Personen und Institutionen — helft mit einer Spende oder einem, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, sehr lohnenswertem Abo. Alle Infos zur aktuellen Lage und wie man helfen kann, findet Ihr hier.