Drei Tore beim Debüt: Das gelang nicht nur einem Dortmunder Wunderstürmer jüngst, sondern vor knapp 20 Jahren auch einem VfB-Neuzugang. Mit Adhemar blicken wir zurück auf eine verrückte Saison.
Wie schon angekündigt werden wir uns in der erzwungenermaßen spielfreien Zeit auch mit der Vergangenheit des VfB beschäftigen. Im Podcast haben wir das bereits mit Roberto Hilbert und der Meisterschaftssaison 2006/2007 getan und haben auch noch ein paar Sachen in Planung. Heute soll es aber um einen Spieler gehen, der mit dem VfB zwar keine Titel geholt hat, vielen Fans aber dennoch ein Begriff sein dürfte: Ferreira de Camargo Neto, oder kurz Adhemar.
Traumdebüt im Februar

Es ist der 3. Februar 2001, der 20. Spieltag jener Saison, die für den VfB beinahe im Abstieg geendet hätte, wäre es nicht am vorletzten Spieltag für den FC Schalke 04 um die Meisterschaft gegangen. Davon weiß aber an diesem Samstagabend noch niemand etwas. Der VfB steht auf Platz 17 tief im Abstiegskampf und hat den 1. FC Kaiserslautern zu Gast, die stehen auf Platz 5 nicht nur wesentlich weiter oben in der Tabelle als die Brustringträger, sondern sollten es im weiteren Saisonverlauf immerhin bis ins UEFA-Pokal-Halbfinale schaffen, wo sie jedoch gegen Deportivo Alaves zwei ziemliche Packungen kassierten. Alles andere als eine leichte Aufgabe also für den VfB, der in der Vorwoche noch in Leverkusen mit 0:4 ordentlich auf die Mütze bekommen hatte.
Gegen Kaiserslautern setzt Trainer Ralf Rangnick, in der Vorsaison als Nach-Nach-Nachfolger von Winnie Schäfer verpflichtet, jedoch das erste Mal einen seiner drei Winterneuzugänge ein. Der damals hoch verschuldete VfB hatte sich nämlich für immerhin 1,7 Millionen Euro einen Stürmer vom brasilianischen Verein São Caetano geleistet, um die Offensive um Sean Dundee und Ioan Viorel Ganea zu verstärken. Der hörte auf den Künstlernamen Adhemar und trug die Nummer 19 auf dem Trikot und sollte in seinem ersten Spiel direkt für Aufsehen sorgen.
Unter Rangnick und Magath gespielt

Denn der VfB feierte seinen erst fünften Saisonsieg im 20. Spiel (darunter immerhin ein 2:1 gegen die Bayern) und schoß die favorisierten Gäste mit sage und schreibe 6:1 aus dem Stadion. Drei Treffer schoß Ganea, das 1:0 sowie das 4:1 und das 5:1 steuerte Adhemar bei. Der heute 47jährige ist mittlerweile Jugendtrainer bei seinem ehemaligen Verein São Caetano und muss derzeit natürlich, wie jeder von uns, eine Zwangspause einlegen. Dafür ist er aber bei Instragram auf seinem Account adhemarsaocaetano durchaus aktiv, über den wir ihm ein paar Fragen gestellt haben. Er sei damals zum VfB gewechselt, weil er eine Herausforderung gesucht habe, erklärt er. Nach dem Spiel gegen Kaiserslautern sei er von der Bundesliga und der Fußballleidenschaft in Deutschland sehr beeindruckt gewesen.
Der Abstiegskampf war mit diesem einen Kantersieg natürlich noch nicht beendet. Es sollte im Februar 2001 der einzige Sieg bleiben und nachdem der VfB durch ein Abseitstor bei Celta Vigo aus dem UEFA-Pokal-Achtefinale ausschied, wurde Ralf Rangnick durch Felix Magath ersetzt. Adhemar war von beiden Trainern begeistert. Rangnick habe ihm den deutschen Fußball nähergebracht und sein Stellungsspiel geschult. Magath sei ein fordernder Trainer gewesen, wie man es vermutet, Adhemar sei aber mit ihm gut klar gekommen.
Glückliches Ende einer kuriosen Saison
Zwei weitere Spiele konnte Adhemar im Alleingang entscheiden: Beim 2:1 gegen Wolfsburg Anfang März sowie beim 2:1 gegen Bremen am 31. Spieltag schoss er jeweils beide Treffer und hatte so mit sieben Treffern in 11 Spielen — er saß in der Rückrunde vier Spiele lang auf der Bank — einen ziemlichen Einfluss auf den Klassenerhalt. Er habe sich gefreut, die Reaktionen der Fans auf diese wichtigen Siege zu sehen, erklärt er und der wichtigste sollte noch kommen: am 12. Mai 2001 machte der VfB mit einem 1:0 gegen den Tabellenführer und späteren Vier-Minuten-Meister Schalke den Klassenerhalt perfekt.
Ihm und der Mannschaft sei damals ein “Lastwagen voller Steine” vom Herzen gefallen, erinnert sich Adhemar, der Abstiegskampf sei sehr schwer gewesen. In der Tat gelang es den Brustringträgern ohne einen einzigen Auswärtssieg die Klasse zu halten. Selbst das bedeutungslose letzte Auswärtsspiel in Frankfurt ging mit 1:2 verloren.
Und auch sonst war es eine kuriose Saison: Der VfB schlug zu Saisonbeginn die Bayern und gewann gegen Leverkusen 4:1 und setzte sich trotz der schlechten Bundesligasaison in den Pokalwettbewerben immer wieder durch. Durch das Last-Minute-Unentschieden gegen Bielefeld am letzten Spieltag der Vorsaison musste er zunächst im UI-Cup antreten udn gewann diesen durch ein 2:0 bei AJ Auxerre. Im UEFA-Pokal war wie erwähnt erst im Achtelfinale gegen Celta Vigo Schluss, nachdem man sich zuvor gegen Heart of Midlothian, Tirol und Feyenoord durchgesetzt hatte. Und im DFB-Pokal schaffte man es, unter anderem nach einem Sieg gegen die eigenen Amateure in der zweiten Runde, die zuvor legendär die Eintracht aus Frankfurt aus dem Weg geräumt hatte, bis ins Halbfinale, wo der FC Schalke mit drei Toren in den ersten 18 Minuten kurzen Prozess machte.
Ein VfB-Fan in Brasilien

Der VfB hatte aber in der Liga seine Talsohle zunächst durchschritten und schloss die nächste Saison auf Platz 8 ab. Adhemar gab sechs Torvorlagen, konnte aber nur noch zwei eigene Tore beisteuern. Er fand sich häufiger auf der Ersatzbank wieder, “was mich traurig machte, ich wollte ja dem VfB helfen”. Zu Beginn der Saison 2002/2003, die für die Brustringträger mit der überraschenden Vizemeisterschaft enden sollte, kehrte er dann zu Sao Caetano zurück, wie er sagt, auch seiner Familie wegen. In den Medien war damals das Zitat zu lesen “Es ist vorbei, und ich glaube der VfB ist froh, dass er mein Gehalt sparen kann”
Den VfB hat er in all den Jahren, die ihn auch noch einmal nach Yokohama führten, weiter verfolgt. Er habe großartige Erinnerungen an den Verein, sagt Adhemar, und bezeichnet sich als VfB-Fan. Er ist immer noch in Kontakt mit Spielern wie Marcelo Bordon, Rui Marques, Fernando Meira, Silvio Meißner und Kevin Kuranyi und plant, Stuttgart im August zu besuchen. Zum Abschluss hat er noch eine emotionale Nachricht für die VfB-Fans: “Der Fußball ist für mich wie das Blut, das wir zum Leben brauchen und das Blut ist so rot wie der VfB. Vielen Dank für Eure Unterstützung und Anerkennung damals. Eure Nummer 19, Adhemar”.
Titelbild: © Imago/Pressefoto Baumann