Mit dem angekündigten und ab 1. Juli beim Stadionnamen schon umgesetzten Einstieg vom Porsche beim VfB ist den Verantwortlichen etwas gelungen, was vor ein paar Jahren noch undenkbar war. Sollte alles so kommen wie angekündigt, würde das wirtschaftlich eher mittel- bis langfristig wirken. Vielleicht besser so.
Oh Lord, won’t you buy me
A Mercedes Benz?
My friends all drive Porsches
I must make amends
I worked hard all my lifetime
No help from my friends
Oh Lord, won’t you buy me
A Mercedes Benz?
Ja, schon Janis Joplin wusste es 1970: Mercedes und Porsche, das macht was her. Und wenn die anderen nen Porsche fahren, dann brauch ich nen Mercedes Benz, wenn auch nur wegen des Reimschemas. Das war auch lange der Glaube in der Mercedesstraße (!): So lange der Autobauer mit dem Stern beim VfB als Ankerinvestor, Namenssponsor des Neckarstadions und irgendwie als Trikotsponsor drin ist, ist für die Konkurrenz aus Zuffenhausen nicht so richtig Platz. Schließlich hatte sich Porsche ja vor nicht allzu langer Zeit erst aus dem Nachwuchs-Sponsoring beim VfB zurückgezogen, den wirren Ankündigungen des Betriebsrats-Vorsitzenden zum Trotz. Und jetzt saßen da Porsche, Mercedes und das Beratungsunternehmen MHP, an dem Porsche über 80 Prozent hält, gemeinsam mit Claus Vogt und Alex Wehrle am Pressekonferenz-Tisch und durften sich von der anwesenden Presse Szenenapplaus abholen. Was erstmal etwas seltsam wirkt, aber vielleicht auch das Besondere dieser Pressekonferenz unterstreicht, vom VfB kurz vorher als “Württemberger Weltmarken-Bündnis” angekündigt hatte.
Anerkennung verdient
Und so sehr ich zuletzt auch Kritik an den Entscheidungen im sportlichen und personellen Bereich geübt habe, so muss man auch jetzt anerkennen, was den Verantwortlichen hier gelungen ist. Natürlich muss man noch schauen, wie viel vom bisherigen Sponsoringumfang von Mercedes durch neue Trikotsponsoren aufgefangen werden kann. Dass der VfB, vermutlich weil man im Hause Jako die designten Trikots auch irgendwann verkaufen wollte, heute einen blanken Brustring in limitierter Auflage im Shop anbietet, weist ja auch darauf hin, dass hier nicht alles optimal läuft. Denn der Klassenerhalt steht ja nun auch schon seit fast einem Monat fest und im Zweifelsfall hätte man ja sowieso einen Partner haben wollen, der ligaunabhängig dabei ist. Aber gesetzt den Fall, dass man sich mit Porsche auch keinen neuen Wilfried Porth in den Aufsichtsrat holt, ist das schon ein ziemlich starkes Zeichen, dass man gerade eine Firma, zu deren Ziegruppe in den vergangenen Jahrzehnten ohnehin nicht unbedingt der gemeinte Fußball-Fan zählte, zu einem finanziellen Engagement beim VfB bewegen konnte. Und auch was das von mir angesprochene Thema Professionalität angeht, sah das schon wesentlich besser aus.
Dass konterkariert auch zwei in den vergangenen Jahren gehegte Narrative. Einerseits bei mir, denn ich war der Meinung, man würde außerdem Ankerinvestor, der sich die Ausgliederung mutmaßlich ausgedacht hat, und dem Ausrüster Jako keinen weiteren seriösen Investor finden, der sein Geld in einen Club stecken würde, der jedes Jahr mit einem Bein in der zweiten Liga steht. Geht schließlich Vereinen wie Bremen oder Köln, die auch ausgegliedert, aber keine Anteile verkauft haben, nicht anders. Offenbar hat die Bereitschaft Daimlers, die Konkurrenz vor der eigenen Haustür zu akzeptieren und die räumliche Nähe doch Wunder bewirkt. Dass Mercedes den Stadionnamen abtritt ist angesichts der Tatsache, dass man diesen im Vergleich zu anderen Spielstätten fast geschenkt bekam, nur angemessen. Das andere Narrativ ist jenes, dem VfB würden wegen des Aufsichtsratsvorsitzenden die Sponsoren wegbrechen. Dass das nur teilweise stimmt, weil manche Konzerne einfach ihre Sponsoringstrategie überdachten, war immer genauso schwer zu beweisen wie zu widerlegen. So schlimm kann es aber um das Ansehen Vogts bei lokalen Wirtschaft nicht bestellt sein, wenn sich Porsche in Zukunft in seinen Aufsichtsrat setzen will.
Mehr aus dem Vorhandenen machen
Was auf der Pressekonferenz auch deutlich wurde: Man wird mit den irgendwie zusammengerechneten 100 Millionen Euro nicht den Transfermarkt fluten, lediglich der Verkaufsdruck sinke dahingehend etwas, dass man nicht jedes Angebot annehmen müsse. Neben der Tatsache, dass man beide Autobauer ins Haus geholt hat, ist das vielleicht die wichtigste Botschaft: Der VfB kann und wird damit keine großen Sprünge machen. Anders als bei 2017, als zwar auch ein Teil der etwas mehr als 40 Millionen Euro von Daimler ins Nachwuchsleistungszentrum und die dringend nötige Sanierung der Plätze investiert wurde, der Rest aber nach Michael Reschkes Shoppingtour ein Jahr später in die Beine von unter anderem Pablo Maffeo, Daniel Didavi oder Gonzalo Castro gesteckt wurde. Mit dem hochgesteckten Ziel, dass fünf Jahre später nur zwei Vereine größer als der VfB seien. In der Realität waren bereits 2019 15 Bundesliga-Vereine und Union Berlin besser als die Brustringträger. Heute wie damals heißt die sinnvollere Alternative dazu: Mehr aus dem Vorhandenen rausholen und das galt 2017 genauso für Jan Schindelmeiser, der die Ausgliederung mit vorantrieb, wie jetzt für Fabian Wohlgemuth.
Der Einstieg von Porsche, das Sponsoring von MHP und ein noch zu findender Trikotsponsor sind nach den gewonnenen Relegationsspielen die zweite wichtige wirtschaftliche Weichenstellung in diesem Monat. Ein Abstieg hätte uns in vielerlei Hinsicht weit zurückgeworfen und gerade im Hinblick auf das sich im Umbau befindliche Stadion schwerwiegende Folgen haben können. Mit dem jetzt endlich marktüblichen Preis für den Stadionnamen entspannt sich die Situation bei der Finanzierung es Umbaus hoffentlich etwas, gleichzeitig ist der Club mittel- bis langfristig finanziell etwas stabiler aufgestellt und muss nicht direkt den wirtschaftlichen Abstieg fürchten. Damit aus diesem Deal aber die erhoffte Sogwirkung und vielleicht endlich mal eine richtige Aufbruchsstimmung entsteht, müssen jetzt im sportlichen Bereich die richtigen Weichen gestellt werden. Denn wie schon ausgerechnet Stefan Heim auf einer der vergangenen Mitgliederversammlungen sagte: Der VfB hat meist kein Einnahme- sondern ein Ausgabeproblem. Es muss möglich sein, auch trotz des Verkaufs von Leistungsträgern eine Mannschaft zusammenzustellen, die nicht bis zur allerletzten Minute um den Klassenerhalt kämpft. Das kriegen schließlich auch Vereine hin, die nicht in der vielbeschworenen starken Wirtschaftsregion sitzen.
Zum Weiterlesen und ‑hören: Der Vertikalpass meint: “Die VfB AG hat die Grundlage geschaffen, sich positiv zu entwickeln. Das ist eine Riesen-Chance.” Martin setzt die 100 Millionen Euro in Kontext und Relation, der neue VfBlog sieht ein tolles Signal trotz finanziellem Overstatement und der neue Podcast 18hundert93 hat direkt eine Folge dazu aufgenommen.
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