Da viele Vereine und Stadien in der zweiten Liga für uns VfB-Fans Neuland sind (richtiges Neuland, nicht Internet-Neuland) befragen wir in unserer Kategorie “11 Fragen an…” in dieser Saison nicht nur Fans von ausgewählten Vereinen, sondern von allen 17 Zweitliga-Konkurrenten. Den Anfang machte letzte Woche Michael vom St. Pauli-Podcast Millernton. Diese Woche befragen wir Holger vom Halbangst-Blog zum VfB-Spiel in Düsseldorf, zur Fortuna und zu Düsseldorf.
Rund um den Brustring: Euer Blog “Halbangst” befasst sich nicht nur mit Fortuna Düsseldorf, sondern auch mit Borussia Mönchengladbach, die nicht unbedingt eine Fanfreundschaft verbindet. Wie kam es zu dieser Kombination und zum Namen? Und worüber schreibt ihr schwerpunktmäßig?
Holger: Gegründet haben Benedikt (der Fortune) und Christoph (ist der Gladbacher) den Blog 2012 kurz nach dem Aufstieg von F95 am grünen Tisch. Da hatte König Otto kurz vorher seine berühmte Halbangst – wie bei einem Luftangriff 1943 in seinem Essener Keller. Da war der Namen für den Blog vorprogrammiert. Die beiden hatten damals das Gefühl, dass es noch mehr Stimmen geben müsse, die über Fußball in unserer Region schreiben als die üblichen Lokalblätter. Da bleibt ja oft viel liegen. Und, was die anderen und ich auch unter anderem meist bemängeln bzw. vermissen, ist die in manchen Fällen recht einseitig Berichterstattung. Zu schreiben, finden wir immer was, ob im NRW-Fußball, die Nutella-Boys oder auch über Eishockey. Komisch ist nur, dass sich die sonst weltoffenen Düsseldorfer irgendwie nicht damit anfreunden können, dass wir über den Tellerrand schauen. Da dürften alle Fortunen weder den Boulevard noch andere (Internet-) Blätter lesen.
Rund um den Brustring: Nach dem Abstieg 2013 seid Ihr in der zweiten Liga jedes Jahr in der Abschlusstabelle um 4 Plätze nach unten gerutscht. Wie kam es dazu? Hat die erste Liga den Verein zu viel Kraft gekostet?
Holger: Ich denke, dass hier acht Trainernamen (9 Trainerwechsel seit Norbert Meier) in der jüngeren Historie als simple Antwort reichen sollten. Benedikt hatte es neulich sehr treffend formuliert: „Mangelnde fußballerische Kompetenz in dem Gremium, das den Trainerposten zu besetzen hatte, ist wohl der hauptsächliche Grund für den hohen Trainerdurchsatz bei uns.“ Und für mich vor allem der Grund für die stete Talfahrt. So etwas bringt jedes Team ins Wanken und kostet Kraft in allen Bereichen. Aber Kummer sind wir ja gewohnt.
Rund um den Brustring: Was stimmt Euch optimistisch, dass es in diesem Jahr mit der Fortuna wieder bergauf geht? Welchen Tabellenplatz traut Ihr Eurem Verein diese Saison zu?
Holger: Wenn’s noch tiefer geht als letzte Saison, sag‘ ich mal Hallo Liga drei. Als Fußballfan ist man doch immer auch Zweckoptimist, obwohl ich bei Fortuna immer den Pessimisten während der Partie gebe. Ich freue mich schon auf einen einstelligen Tabellenplatz – Platz sechs wäre super. Aber das wird für diese Mannschaft schwer.
Rund um den Brustring: Wo seht Ihr den VfB am Saisonende?
Holger: Vielleicht verliert ihr die Relegationsspiele gegen Schalke 04 und wacht dann auf, so wie Borussia in 2007/08, und müsst ein weiteres Jahr hinten dranhängen. Aber vielleicht ist das eine Jahr in der 2. Bundesliga auch nur ein kleiner Albtraum und seid Vizemeister hinter Hannover, weil die Roten ihren eigenen Torrekord mit 95 Treffern eingestellt haben und Nürnberg vier Tore weniger geschossen hat als der VfB (59 Tore). Also: Stuttgart ist einer der drei Favoriten um den (direkten Wieder-) Aufstieg, ist doch klar. Alles andere wäre für den sternigen Werbepartner auch eine herbe Enttäuschung – und für das verwöhnte VfB-Fanlager sicherlich auch.
Rund um den Brustring: Wie habt ihr den Abstieg des VfB wahrgenommen? Freut man sich in Düsseldorf auf die Duelle mit einem alten Bundesliga-Konkurrenten?
Holger: Ich hatte irgendwie immer Bremen auf dem Zettel, die den Klassenerhalt schaffen. Gewundert hat es mich schon ein wenig. Aber mit den acht Grottenkicks war das auch kein Wunder, dass Stuggi runter musste. Und das 2:6‑Debakel gegen Werder hat euch spätestens den Weg gewiesen. Ich hatte klar den Hamburger SV auf dem Zettel. War nichts.
Es ist immer schön, wenn die anderen Vereine viele Fans mitbringen. Hütte voll – gute Stimmung! Vor allem dann, wenn die Anfangseuphorie noch groß ist. Da kommen meist viele mit zu den Auswärtspartien. Ihr könnt euch schon auf Sandhausen oder Heidenheim freuen, wenn da 50 bis 200 Fans am Start sind.
Rund um den Brustring: Ihr habt am Samstag in letzter Minute in Sandhausen durch ein Eigentor noch ein 2:2 erreicht. Wie schätzt ihr Euren Saisonauftakt ein?
Holger: Das Glück ist mit den Dum…, ehm, den Tüchtigen. Mir persönlich hat die Stabilität in der Abwehr gefehlt. So einer Spieler wie Karim Haggui in der Zentrale. Aber er ist irgendwie für das Oldie-Trainergespann Friedhelm Funkel und Peter Hermann nicht der Richtige und steht auf dem Abstellgleis. Schade eigentlich, weil ich denke, dass unser Kapitän der letzten Saison dem VfB-Angriff alles abverlangen würde und mit seiner Erfahrung die Jungen hervorragend anleiten würde. Ein Madlung reicht da nicht. Nach vorne sind wir wie in der letzten Spielzeit die personifizierte Ungefährlichkeit. Deswegen sagen wir immer Danke für diese tollen Gastgeschenke wie das von SVS.
Rund um den Brustring: Wir spielen ja demnächst auch in Sandhausen. Was ist das für ein Gefühl, wenn zu einem Zweitliga-Spiel nur ca. 6000 Zuschauer kommen und der Großteil davon Gästefans sind? Wie findet Ihr das? Sind das die Schattenseiten der zweiten Liga?
Holger: Habt ihr jemals in einer Arena, in die über 54.000 Zuschauer passen, ein Spiel verfolgt mit weniger als 4.000 Zuschauern? Das ist die andere Richtung: Dann stellt euch das Düsseldorfer Stadion so leer vor und willkommen in unserer Welt. Das schmerzt immer. Vor allem, wenn die Ticketpreise dann wegen euch angehoben werden. So ein Zustand ist einer zweiten Liga nicht würdig: Die weite Fahrt fühlt sich meist nicht wie ein Heimspiel an – viel zu viele Kilometer von zu Hause weg. Aber dann die Stimmung. Vielleicht verkauft ihr ja mehr als 400 Gästekarten, wenn ihr Sandhausen oder Heidenheim an einem Freitag um 18 Uhr 30 erwartet. Das wäre doch was.
Rund um den Brustring: Im Kader der Fortuna stehen und standen verschiedene Spieler mit VfB-Vergangenheit. Wie hat sich Karim Haggui bei Euch gemacht? Wie treten Jerome Kiesewetter und Ari Ferati bisher auf? Und warum ist Sercan Sararer bereits nach einem Jahr nach Fürth weitergezogen?
Holger: Wie gesagt, mir fehlt Haggui in der Abwehr. Mit seiner Erfahrung wäre der ein oder andere Schnitzer in der Verteidigung weniger passiert. Pech hat Ferati mit seiner Muskelverletzung. Und da auch Kiesewetter, der doch Berliner durch und durch ist, noch kein Ligaspiel für uns bestritten hat, werde ich mich mit einer Beurteilung zurückhalten. Die Vorschusslorbeeren hängen für beide Spieler dennoch hoch. Der Weggang von Sararer ist schade, aber vielleicht ist er zu sehr „ein Typ“, den Funkel nicht tolerieren und immer wieder auf Spur bringen wollte. Fürth hat ihm einfach mehr Wertschätzung entgegen gebracht. Muss man auch den Trainer fragen, warum er so eine Kreativkraft ziehen lässt. Ist mir unbegreiflich. Uns haut der bestimmt einen rein.
Rund um den Brustring: Vor welchem Fortuna-Spieler müssen wir uns am Freitag in acht nehmen? Wie kann die Fortuna den VfB Eurer Meinung nach schlagen?
Holger: Vor jedem einzelnen Spieler auf dem Platz müsst ihr aufpassen. Wir sind eine Wundertüte. Der alte Trainerfuchs Funkel hat bestimmt mit seinem Buddy Ewald auf St. Pauli telefoniert und auch das Spiel der Lienen-Truppe gesehen. Nicht nur die erste Halbzeit, in der der FCSP um Längen besser war als der VfB, war sehr aufschlussreich. Da gibt es genügend Anhaltspunkte.
Rund um den Brustring: Und vor welchem unserer Spieler habt Ihr Respekt? Wo sind die Schwachstellen der Fortuna?
Holger: Respekt sollte man vor jedem Spieler haben. Aber wir haben keine Angst vor einem Kader, der vier Mal so teuer ist wie unserer mit knapp 9 Mio. Euro – wenn wir Haggui und Stürmer Mike van Duinen abziehen. Mir persönlich imponiert Alexandru Maxim, ein starker Spieler. Und Simon Terrode wollte ich schon vor Jahren in Düsseldorf sehen. Wurde mir aber nie erfüllt der Wunsch – ein sehr guter Stürmer. Jos Luhukay hat sicher auch unser Spiel verfolgt und zieht seine Schlüsse daraus. Wir haben an perfekten Tagen nie Schwachstellen!
Rund um den Brustring: Nach dem Freitagsspiel werden viele VfB-Fans wahrscheinlich noch das Wochenende am Rhein verbringen. Was kann man in Düsseldorf sehen und machen, wenn man nicht wie immer in die Altstadt will?
Holger: Vor dem Spiel könntet ihr schon nach Benrath zum deutschen Amateurmeister von 1954 aufmachen und euch dazu das Schloss (Baustilen Barock, Rokoko und Klassizismus in einem Bauwerk) anschauen. Mit der neuen U‑Bahn in den Süden und dann wieder zurück in die Stadtmitte mit der S‑Bahn oder dem RE. Am Hauptbahnhof über Little Tokyo nach einer Portion Ramen auf die Shopping-Meilen Schadowstraße und Kö. Anschließend zum verdienten Altbier ins Füchschen oder Uerige oder eine der anderen drei Altstadt-Brauereien. In Bilk und Friedrichstadt gibt es tolle Restaurants und in Flingern, der Heimat von Fortuna, auch. Für Fußballhistoriker ist ein Besuch im Paul-Janes-Stadion Pflicht. Obendrein habt ihr am Samstag die Möglichkeit, da den Klassiker Fortuna Düsseldorf gegen den VfL Borussia Mönchengladbach zu sehen. Die U23-Teams duellieren sich ab 14 Uhr. Die Stadionwurst ist hier auch um Längen besser als in der Arena. Ansonsten am Rhein spazieren und auf dem Rheinturm das alte Derby-Land mit Wuppertal, Uerdingen, Duisburg und auch Köln anschauen. Toll!
Rund um den Brustring: Holger, vielen Dank für das Gespräch.