Auch zum anstehenden Auswärtsspiel des VfB beim SV Darmstadt 98 haben wir wieder, wie schon zum Spiel in Gladbach, einen Fan des gegnerischen Vereins zum Interview gebeten. Diesmal ist es Matthias, der den Kickschuh-Blog betreibt und das Buch “111 Gründe den SV Darmstadt 98 zu lieben” geschrieben hat.
Rund um den Brustring: Hallo Matthias, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst, unsere Fragen zu beantworten. Stell Dich doch bitte kurz vor! Du bist Fan des SV Darmstadt 98, so viel wissen wir schon, aber was machst Du sonst so, wo kommst Du her und wo findet man Dich im Web?
Matthias: Meine Brötchen verdiene ich in der Pressestelle eines größeren IT-Unternehmens. Da der Fußball allerdings meine große Leidenschaft ist, blogge ich unter kickschuh.wordpress.com darüber. Anfänglich zunächst vermehrt über internationale und etwas abseitige Themen. Seit einiger Zeit fast ausschließlich über die Lilien. Das erste Mal, als sie Tabellenletzter in der 3. Liga waren. Meine Leidenschaft für die 98er begann während meines Studiums in Darmstadt. Ursprünglich komme ich hingegen aus dem Ländle, genauer gesagt aus dem Taubertal. Beim VfB habe ich sogar in der ersten Jahreshälfte 2003 ein Praktikum in der Pressestelle absolviert. Das war eine tolle Zeit, die mit den Jungen Wilden in der unfassbaren Vizemeisterschaft mündete. Vielleicht sollten sie am Wasen mal überlegen mich zurückzuholen. (lacht)
Rund um den Brustring: Wie kam es dazu, dass Du das Buch “111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben” geschrieben hast und wie sind die Rückmeldungen zur Veröffentlichung?
Matthias: Eine Agentur ist über meinen Blog gestolpert und kontaktierte mich im Dezember 2014. Nach ein paar Schreibproben lag das Angebot auf dem Tisch und ich habe nach kurzer Bedenkzeit zugestimmt. Die Resonanz in der Presse war bislang durchweg positiv, auch die, die mich persönlich erreichte. Das „Darmstädter Echo“ schrieb sinngemäß, man merke dem Buch an, dass ich als Kind nicht in Lilien-Bettwäsche geschlafen habe und deshalb mit der notwendigen Distanz an die Sache herangegangen sei. Und das war absolut positiv gemeint. Häufiger bedauert wird, dass das Buch keine Bilder enthalte. Aber das ist das Prinzip dieser Reihe, die mittlerweile über 50 Klubs umfasst.
Rund um den Brustring: Zur Begegnung: Der VfB ist gut in die Rückrunde gestartet und rutscht jetzt gerade wieder so ein wenig unten rein, die Lilien stehen nur wenige Punkte dahinter. Was traust Du Eurer und unserer Mannschaft in dieser Saison noch zu?
Matthias: Na unser Ziel ist klar: Platz 15. Das ist möglich, denn bislang haben wir oft genug mitgehalten und gepunktet. Uns fehlen einzig die Dreier, denn die bringen einen hinten raus, wie ihr bewiesen habt. Der Klassenerhalt ist realistisch, aber es wird eine ganz enge Kiste und uns kann es noch genauso ergehen wie Paderborn, die erst gegen Ende unten standen. Für euch geht nach vorne nicht mehr viel und ihr solltet und werdet euch darauf konzentrieren, der Sogkraft des Tabellenkellers zu entgehen. Das sollte drin sein. Wer sich so rettet, wie ihr vor einem Jahr, der befindet sich aktuell ja schon fast in einer komfortablen Situation. Gerade bei dem Offensivpotential.
Rund um den Brustring: Dein Verein hat im Stadion am Böllenfalltor erst ein Spiel gewonnen. Ekeln sich die eigenen Spieler mehr vor den Umkleiden als die Spieler der Gäste? 😉
Matthias: Na zumindest hat die Legende der kalten und verschimmelten Duschen kein Gästeteam davon abgehalten in Darmstadt zu punkten. Einzig Werder war die rühmliche Ausnahme. Unser Problem ist einfach, dass wir zuhause zumeist in Rückstand geraten. Die Kontrahenten treten hier sehr fokussiert auf, nutzen ihre Chancen eiskalt. Sie spielen nicht so hoch wie im eigenen Stadion. Der SVD kann mit einem Rückstand nicht so gut umgehen. Er ist dann gefordert, der Kontrahent kann sich erst einmal auf das Notwendigste konzentrieren.
Rund um den Brustring: Auf welche Weise kann Darmstadt den VfB schlagen, vor wem müssen wir uns Deiner Meinung nach besonders in acht nehmen?
Matthias: Na wir werden jetzt im Saisonendspurt keine überraschenden taktischen Kniffe mehr auspacken. Sollte der VfB mal ungeordnet stehen, in der Rückwärtsbewegung schlampig agieren und unseren schnellen Außen Platz lassen, dann wird es kniffelig. Vor allem sollte er nicht allzu viele Standards im letzten Spieldrittel zulassen. Hierbei gilt es die Zielspieler Sandro Wagner, Aytac Sulu oder Slobodan Rajkovic zu blocken.
Rund um den Brustring: Und wo siehst Du Schwächen bei Euch, die dem VfB drei Punkte bescheren könnten?
Matthias: Wir sind im Moment doch sehr von Sandro Wagner abhängig. Er verkörpert fast unsere einzige Torgefahr. Mit Florian Jungwirth und Luca Caldirola machen unsere beiden Außenverteidiger derzeit einen guten Job. Sie sind allerdings beide keine gelernten Außenbahnspieler. Jungwirth ist zudem nicht der schnellste. Wenn Kostic also mal Fahrt aufnimmt, wird es brenzlig. Und wie schon oben erwähnt, solltet ihr in Führung gehen, ist das enorm hilfreich. Danach kompakt agieren, keine unnötigen Fouls begehen.
Rund um den Brustring: Hast Du den steilen Aufstieg des SV98 vom Beinaheabstieg in die Regionalliga zum Bundesliga-Verein schon verarbeitet? Wie fühlt sich das an, wenn man nach mageren Jahren plötzlich so senkrecht nach oben schießt und zwei Sommer hintereinander solche Erlebnisse hat?
Matthias: Das was in Darmstadt seit Sommer 2013 abgeht ist der Wahnsinn. Bis vor fünf Jahren standen wir auf einer Stufe mit Hessen Kassel und noch hinter Offenbach. Das waren Jahre, ach was Jahrzehnte, unsere einzigen Highlight-Spiele. Und jetzt gurken beide drei Ligen unter uns herum. Dass es so einen Aufstieg wie den der Lilien gibt, hätte man doch bestenfalls RB Leipzig zugetraut. Insofern ist es wirklich manchmal schwer zu fassen. Aber wie der Klub, so wächst man quasi auch als Fan mit der Ligazugehörigkeit mit. Dennoch fängt hier keiner an zu spinnen und erwartet, dass es immer so weiter geht. Wie habe ich schon in der 3. Liga geschrieben? Wir wissen wo wir herkommen. Das erdet ungemein.
Rund um den Brustring: Wo siehst Du deinen Verein langfristig? Können sich die Lilien ähnlich wie Mainz oder Augsburg in der ersten Liga etablieren?
Matthias:Das wäre schon eine unglaubliche Geschichte. So recht will ich nicht daran glauben, weil einfach der Klub vom sportlichen Erfolg überrollt wurde. Mainz war ein etablierter Zweitligist, als sie hochgingen. Augsburg war vor dem Bundesligaaufstieg finanziell und infrastrukturell ganz anders aufgestellt. So gesehen fehlt uns zu viel, um uns etablieren zu können. Selbst das neue Stadion soll ja erst in zwei Jahren stehen. Ich bin geneigt zu sagen: frühestens. Ich glaube deshalb, dass ein Etablieren unter den 36 besten Klubs immer noch eine erstrebenswerte und tolle Leistung wäre.
Rund um den Brustring: Wirst Du dem alten Böllenfalltor nachtrauern oder freust Du dich auf ein etwas zeitgemäßeres Stadion?
Matthias:Ich würde ihm schon ein wenig nachtrauern. Schließlich kenne ich es jetzt seit 16 Jahren. Die Bewegungsfreiheit auf den Tribünen ist schon einzigartig. Dennoch genügt das Bölle im Grunde genommen nicht einmal Drittliga-Maßstäben. Deshalb kann ich mich mit dem Gedanken an das neue Stadion durchaus anfreunden. Erst recht, wenn es im angedachten Modell umgesetzt wird, also außerhalb der Haupttribüne mit Stehplätzen im kompletten Unterrang.
Rund um den Brustring: Wie geht es eigentlich Koka Rausch, der ja im Sommer nach Südhessen gewechselt ist?
Matthias: Er selbst hat verlauten lassen, dass der Wechsel genau das richtige für ihn war. Seine Qualitäten werden hier gebraucht und er konnte sich wieder fangen. Gleichwohl habe ich ihn in der Anfangsphase der Saison besser gesehen als zuletzt. Zudem wird er fast immer ausgewechselt. Alles in allem ist er ein wichtiger Spieler für uns, der meines Erachtens aber noch mehr Torbeteiligungen haben müsste.
Rund um den Brustring: Danke für’s Gespräch! Dein Tipp fürs Spiel?
Matthias: 1:0 für uns, weil wir einfach mal wieder einen Vorsprung über die Zeit bringen müssen.