Der Transfersommer stockt während der Europameisterschaft noch etwas. die Gerüchteküche brodelt dafür umso mehr. Ganz ohne viel Aufsehen werden zum Trainingsauftakt am 4. Juli aber voraussichtlich gleich acht Spieler auf dem Platz stehen, die vergangene Saison kein Brustringtrikot trugen: Die verliehenen Spieler. Wir haben uns angeschaut, wie ihre Rückrunde verlief und welche Perspektiven sie beim VfB haben.
Als ich im Winter eine Bilanz der ersten Halbserie unserer verliehenen Spieler zog, fiel diese gemischt aus. Ich hatte die Hoffnung, dass Ömer Beyaz, Gil Dias, Wahid Faghir, Luca Pfeiffer, Juan José Perea und Mo Sankoh diese verbessern würden und dass die Leihen von Thomas Kastanaras nach Ulm und Jovan Milosevic nach St. Gallen diese voran bringen würden. Die oberflächliche Bilanz: Zwei Abstiege, zwei Mal knapp die Klasse gehalten, ein souveräner Klassenerhalt, ein Aufstieg und zwei Europapokal-Qualifikationen. Dahinter steckt natürlich ganz unterschiedlich viel Spielzeit, so dass sich Fabian Wohlgemuth und Sebastian Hoeneß gut überlegen müssen, was sie mit diesen acht Akteuren — allesamt Offensivspieler, in der kommenden Saison anfangen können. Wie schon im Winter geschrieben sind Leihen immer mit dem Risiko verbunden, dass sich beim Leihverein personell etwas ändert oder diese in sportlich herausfordernde Situationen geraten, in denen die Förderung von Spielern ohne Erfahrung und ohne Perspektive im Verein nicht an erster Stelle stehen. Aber der Reihe nach.
Beginnen werden wir auch diesmal in alphabetischer Reihenfolge mit
Ömer Faruk Beyaz
der für ein Jahr an den türkischen Süperligisten Hatayspor ausgeliehen war. Wie im Winter habe ich mich auch diesmal mit Hatay-Fan Ali Ateş ausgetauscht, die mir von Beyaz Entwicklung in der Rückrunde berichten konnten. Nachdem Beyaz zu Beginn der Saison mehrfach auf der Bank saß, verpasste er ab Anfang Januar nur drei Spiele wegen einer Blinddarm-Operation und eine Partie wegen einer Gelbsperre. Er spielte jedoch selten durch. Trainer Volkan Demirel, vor einem Jahr von unseren Experten als wichtigen Faktor bei der Entwicklung junger Spieler benannt, trat Ende April nach vier Niederlagen in Folge und dem Absturz auf den drittletzten Platz zurück, unter seinem Nachfolger Özhan Pulat saß Beyaz zwei Spiele in Folge durchgängig auf der Bank, bevor er am letzten Spieltag beim klassenerhaltenden 2:0 gegen Rizespor noch einmal den Großteil des Spiels auf dem Feld stand. Im Winter hatte Hatayspor noch zwei Punkte vor einem Abstiegsplatz gestanden, am Ende machte ein Punkt den Unterschied.
Der Grund für die vielen Ein- und Auswechslungen von Beyaz liege darin, dass Demirel im Lauf der Rückrunde im Abstiegskampf verschiedene Aufstellungen durchprobierte und Beyaz dadurch häufiger rein- und rausrotierte, erklärt uns Ali. Als Ergänzungsspieler — anders kann man seine Rolle nicht beschreiben — trug er sich auch kaum in Offensivstatistiken ein, weder ein Tor noch eine Vorlage stehen für ihn zu Buche, sieht man mal von einem Pokalspiel Mitte Januar ab. Insgesamt bescheinigt Ali Beyaz wie auch dem Rest der Mannschaft großes Engagement im Abstiegskampf und das obwohl teilweise Gehälter wohl nicht pünktlich gezahlt werden konnten. Demirel habe sich sehr für den Club aufgerieben und mehrmals seinen Rücktritt angeboten. Auch Pulat kennt den Verein als ehemaliger Co-Trainer sehr gut und schaffte schließlich den Klassenerhalt. Für Beyaz hatte der Trainerwechsel Ali zufolge keine größeren Auswirkungen. In der aktuellen 11Freunde-Ausgabe vom Juli findet sich übrigens ein sehr lesenswerter Artikel von James Montague über das Erdbeben in der Provinz Hatay und die Entwicklung des Vereins in den letzten beiden Spielzeiten. Laut Ali sei immer noch offen, ob Hatayspor in der kommenden Saison wieder in Antakya spielen kann, auch wenn es Bemühungen in diese Richtungen gebe.
Und Beyaz? Der sammelte bei Hatayspor so viel Einsatzzeit wie in seiner gesamten bisherigen Profikarriere noch nicht. Ende August wird er 21 und ist damit immer noch ziemlich jung. Ali traut ihm zu, perspektivisch eine Rolle beim VfB zu spielen, dafür müsse er aber auch zahlenmäßig mehr zum Offensivspiel beitragen. Für realistischer hält er einen weiteren Wechsel in die Türkei, auch einer Verpflichtung durch Hatayspor wäre er nicht abgeneigt. Er sieht bei Beyaz ein gewisses Potenzial, dass sich nach ein oder zwei Jahren konstanter Spielzeit entfalten könnte. In Stuttgart müssen sie in diesem Sommer auf jeden Fall eine Entscheidung treffen: Beyaz Vertrag läuft im kommenden Jahr aus, eine erneute Leihe wäre also mit einer Vertragsverlängerung verbunden. Dafür wiederum müsste das Vertrauen in Beyaz Entwicklung schon sehr groß sein. Deshalb wird man sich, wie schon verschiedentlich kolportiert, in diesem Sommer vermutlich trennen. Hatayspor verfügt laut Kicker über eine Kaufoption, mit der der VfB nach der ablösefreien Verpflichtung je nach Höhe des damals gezahlten Handgelds vielleicht noch ein kleines Transferplus machen könnte. Ob ein Verein mit Zahlungsschwierigkeiten und einer Infrastruktur im Wiederaufbau diese aber zieht, ist ungewiss.
Ähnlich sind die Perspektiven und Modalitäten bei
Gil Dias
dessen Vertrag 2025 ausläuft und der beim VfB schon vor seiner einjährigen Leihe zum Conference League-Teilnehmer Legia Warschau überschaubare Perspektiven hatte, weil er für das 4–3‑3 von Bruno Labbadia (ein Name wie aus einer anderen Zeit) geholt wurde und für Sebastian Hoeneß nicht nur deshalb nicht geeignet war. Wie seine Bilanz beim polnischen Rekordmeister zeigt, scheint es ihm nicht nur an der Kompatibilität, sondern auch an der Qualität zu fehlen — und mitunter auch an der Einstellung, wie uns Legia-Fan Kuba Żywko erklärt. Kam Dias in der Hinrunde immerhin noch zu Teileinsätzen, so absolvierte er in der Rückrunde ganze 22 Minuten auf dem Platz, stand vier Mal gar überhaupt nicht im Kader. In der Zwischenrunde der Conference League durfte er beim Aus gegen Molde immerhin für 20 Minuten ran, insgesamt lief er in der Saison sogar drei Mal für die viertklassige zweite Mannschaft von Legia auf. Dort erzielte er Anfang März gegen Lechia Tomaszow auch sein einziges Saisontor.
Für einen Offensivspieler natürliche eine verheerende Bilanz. Zumal, wie Kuba erläutert, der Kader in der Rückrunde sehr dünn besetzt war und fast jeder, der zwei gesunde Beine hatte, zum Einsatz kam — bis auf Dias. “Das spricht Bände bezüglich seiner Form”, so Kuba.
Legia lag zur Winterpause bereits neun Punkte hinter der Tabellenspitze, am Ende wurde man Dritter und qualifizierte sich für den Europapokal. Kuba zufolge habe man im Verein bereits im Winter die Entscheidung getroffen, dass die Meisterschaft außer Reichweite sei und deshalb zwei der besten Spieler, Bartosz Slisz und Ernest Muci, verkauft — ohne sie jedoch angemessen zu ersetzen. Das kostete Trainer Kosta Runjaić nach einem späten 1:1 gegen den späteren Meister Jagiellonia Bialystok schließlich den Job kostete. Angesichts der Tatsache, dass viele Vereine in der Spitzengruppe zwischendurch Schwächephasen hatten, wäre die Meisterschaft laut Kuba und vielen anderen Fans, die ihren Unmut gegen Saisonende deutlich machten, mit ein bisschen mehr finanziellem Investment durchaus möglich gewesen. Stattdessen schied man sang- und klanglos gegen Molde aus dem Europapokal aus, blamierte sich gegen Aufsteiger Puszcza Niepołomice, verlor zum ersten Mal seit 24 Jahren die prestigeträchtige Partie gegen Widzew Łódź und verspielte häufig Führungen.
Ähnlich unzufrieden wie mit der verpassten Titelchance ist Kuba auch mit Dias. Für die wenige Spielzeit habe Dias erstaunlich viel Schaden angerichtet. So gibt er ihm die Mitschuld am Siegtreffer von Łódź in der 93. Minute, nur kurz nach Dias Einwechslung (Nr. 17):
Im ersten Spiel des neuen Trainers Gonçalo Feio gegen Raków führte Legia lange nach einem Tor des ehemaligen Nürnbergers Tomas Pekhart, verspielte die aber in der 83. Minute, nur kurz nach Dias Einwechslung:
In der Tat sieht Dias auch in dieser Szene nicht gut aus. Kuba wirft Dias anhand dieser Szenen vor, dass ihm im Laufe der Rückrunde irgendwann vieles egal wurde. Dazu passt aus seiner Sicht auch, dass Dias und ein anderer Spieler bei einer nächtlichen Sauftour fotografiert wurden, was zwar vom Verein nicht sanktioniert wurde, den Fans aber klargemacht habe, “was seine Prioritäten sind, sie lagen nicht auf dem Platz”.
Selbst wenn man die Enttäuschung unseres Experten über den Saisonverlauf einberechnet, ist die Verpflichtung von Gil Dias für den VfB nach wie vor ein großes Missverständnis. Aus welchen Gründen auch immer sah er sich nicht in der Lage, während seiner Leihe Werbung für sich zu machen. Bei seiner Verpflichtung hatte ich ja darauf verwiesen, dass er seine beste Zeit hatte, als man auf ihn setzte und ihm Vertrauen schenkte. Angesichts der scheinbar limitierten Fähigkeiten war das weder in Stuttgart noch in Warschau der Fall. Bei Dias bin ich mir sehr sicher, dass man für ihn aktiv einen Abnehmer sucht oder gegebenenfalls sogar gewillt ist, den Vertrag aufzulösen. Die Ablöse hat er ja bekanntlich schon mit seinem Tor gegen Paderborn im Pokal wieder reingeholt, ansonsten reiht er sich in die lange Liste jener Spieler ein, bei denen man sich noch Jahre später fragt, welchen Sinn dieser Transfer eigentlich damals hatte.
Der Plan mit
Wahid Faghir
war da schon etwas offensichtlicher. Er kam 2021 gemeinsam mit Beyaz zum VfB, erzielte ein Tor in der Nachspielzeit gegen Union Berlin und wurde in der Folgesaison zurück in seine dänische Heimat verliehen. Zu Beginn dieser Saison zog es ihn dann zum deutschen Zweitliga-Aufsteiger aus Elversberg. Da unser Experte aus dem Winter diesmal leider verhindert war, sprach ich diesmal mit SVE-Fan Daniel. Faghir legte in der Hinrunde direkt los wie die Feuerwehr und erzielte in den ersten sieben Spielen drei Tore und bereitete eins vor. Danach setzte ihn eine Muskelverletzung bis Ende des Jahres außer Gefecht, kurz vor Erscheinen unseres Artikels im Winter stieg er wieder ins Training ein.
Auch Faghir konnte sich in diesem Kalenderjahr in keine Statistik eintragen. Nach ein paar Kurzeinsätzen zu Jahresbeginn fiel er von Mitte Februar bis Ende März erneut wegen Oberschenkelproblemen aus und brachte es danach noch auf fünf Einsätze mit etwa jeweils 20 Minuten Spielzeit. Faghir habe nach dem Saisonstart eigentlich Lust auf mehr gemacht, erklärt Daniel, er habe aber nach der Winterpause nicht richtig fit gewirkt und auch bei ihm habe es Gerüchte über mangelnde Professionalität gegeben. In einer funktionierenden Elversberger Mannschaft, die als Aufsteiger souverän den Klassenerhalt erreichte, war dann schnell kein Platz mehr für ihn. Daniels Urteil: “Wenn er richtig fit wäre, sein Deutsch und seine Einstellung besser wären, hätte er uns bestimmt weiterhelfen können. So war es leider ein Missverständnis wo wir wahrscheinlich auch nicht mehr an einer weiteren Leihe interessiert sind.” Er rechnet damit, dass Faghir sich über Einsätze in der 3. Liga empfehlen muss.
Immerhin läuft sein Vertrag ein Jahr länger als der von Beyaz und wie bei diesem ist 21 immer noch kein Alter, um einen Spieler endgültig abzuschreiben. Hinzu kommt die nicht unerhebliche Ablöse zwischen vier und fünf Millionen, die der VfB damals für ihn auf den Tisch legte. Zu Saisonbeginn deutete Faghir ja das Potenzial, dass man in Stuttgart mitunter aufblitzen sah, durchaus an, bevor ihm seine Verletzungsanfälligkeit einen Strich durch die Rechnung machte. Inwiefern diese auch etwas mit seinem immer wieder wechselhaften Fitnesszustand zu tun hat, vermag ich nicht zu sagen. Es scheint jedoch so, als müsse Faghir, der bei seiner ersten Leihe vor allem taktisch nicht ins Team passte und in Elversberg mehr verletzt war als dass er spielte, in der kommenden Saison endlich seine Chance nutzen, seine Profikarriere richtig in Schwung zu bringen. Beim VfB wird er es schwer haben, denn selbst wenn mehrere Offensivkräfte den Verein verlassen sollten, würden diese wohl eher durch Neuzugänge ersetzt als durch einen verletzungsanfälligen 21jährigen ohne Spielpraxis. Nachdem wir in der Vergangenheit schon einige Leihen hatten, die für alle Beteiligten eher enttäuschend waren, muss der nächste Zug sitzen — für den VfB und für Faghir.
Kommen wir zu zwei Spielern, die noch vor dem nächsten Karriereschritt stehen und deswegen verliehen wurden. Wir beginnen mit
Thomas Kastanaras
der allerdings mit 21 Jahren noch älter ist als Beyaz und Faghir. 2022 schoss er die U19 noch zum zweiten Pokalsieg binnen drei Jahren und wurde in der Folge in den Profikader hochgezogen. In der Bundesliga feierte er in der vorletzten Saison unter Pellegrino Matarrazzo bei der Heimniederlage gegen Frankfurt sein Debüt, dessen Nach-Nachfolger Bruno Labbadia setzte ihn zu Beginn des Jahres 2023 noch ein paar Mal ein, häufiger stand er jedoch für die zweite Mannschaft in der Regionalliga auf dem Feld, bevor ihn in Mai ein Mittelfußbruch außer Gefecht setzte, dessen Genesung sich bis in den Dezember zog. In der Hinrunde der abgelaufenen Saison saß Kastanaras dann bei den Spielen gegen Heidenheim und Bremen auf der Bank traf aber in acht Regionalliga-Spielen sechs Mal — ein eindeutiges Zeichen, dass ihm eine höhere Liga gut tun würde. Im Winter folgte deshalb die nachvollziehbare Leihe zum damaligen Drittliga-Spitzenteam aus Ulm, mit dem er am Ende den Durchmarsch in die zweite Liga feierte.
Laut Ulm-Fan @achtzehn46, mit dem wir über Kastanaras Rückrunde bei den Spatzen gesprochen haben, sei die Vorfreude auf Kastanaras groß gewesen, er ging davon aus, dass man ihn als Stammspieler für eine gemeinsame Sturmreihe mit Leo Scienza geholt habe, zum Felix Higl (ja, der Sohn unseres ehemaligen Meister-Co-Trainers) erst in der Rückrunde anfing zu treffen. Kastanaras traf direkt bei seinem Debüt gegen Unterhaching als Einwechselspieler, bleib beim folgenden Startelfeinsatz eher blass und traf dann wieder von Bank kommend gegen Duisburg. Es folgte Ende März noch ein Treffer gegen Aue, bevor er im April mit einem Tor zum Landespokal-Aus der Kickers beitrug. Abgesehen davon stand er aber nur noch einmal in dieser Rückrunde länger als 60 Minuten auf dem Platz, stand insgesamt nur drei Mal in der Startelf. Das lag laut unserem Experten auch an Felix Higl, der immer besser wurde, weswegen Trainer Thomas Wörle Kastanaras eher als Einwechselspieler sah. Wenn er spielte lief er als zentrale Spitze oder auf dem linken Flügel eines Dreier-Angriffs auf.
Kastanaras sei häufig in Situationen reingekommen, in denen Ulm nur noch eine Führung verteidigen und gegebenenfalls ein paar Konter fahren musste, bei denen Kastanaras nicht immer gut ausgesehen habe. Unser Experte lobt seine Schnelligkeit, den guten Schuss und die Technik, sieht aber noch Potenzial in der Entscheidungsfindung und in der Luft. Er wäre deshalb auch einer mitunter kolportierten festen Verpflichtung von Kastanaras mit Rückkaufoption für den VfB nicht abgeneigt, gerade nach dem Wechsel von Scienza nach Heidenheim. Ein Zielspieler wie Higl sei Kastanaras zwar nicht, aber eine “wertvolle Ergänzung”. Er traut ihm auf jeden Fall zu, sich zu einem Topspieler in der zweiten Liga zu entwickeln, für die Bundesliga sei es allerdings noch zu früh für Kastanaras.
Auch wenn der junge Stürmer in Ulm vielleicht nicht die Einsatzzeiten hatte, die er sich von einem Wechsel in die dritte Liga erhofft hat, kann dieses halbe Jahr durchaus hilfreich für seine Entwicklung gewesen sein, denn der Regionalliga ist er offenbar entwachsen und in der punktemäßig erfolgreichsten VfB-Bundesligamannschaft aller Zeiten mit zwei absoluten Tormaschinen hätte er schlichtweg kein Land gesehen. Auch in Ulm war ein bisschen ein Opfer des Erfolgs, die regelmäßige Einsatzzeit auf einem gehobenen Level sollte man dennoch nicht unterschätzen, vor allem in einer Mannschaft, die anders als die Vereine anderer Leihspieler von Erfolg zu Erfolg eilt. Aber auch bezüglich seiner Zukunft muss der VfB in diesem Sommer eine Entscheidung treffen, denn — ihr könnt es Euch mittlerweile denken — sein Vertrag läuft nur noch ein Jahr. Ich gehe davon aus, dass Kastanaras sich in der Vorbereitung nochmal beweisen darf und dass man dann, wie schon bei Maglica, einen Verkauf mit Rückkaufoption anstrebt, sollte er sich nicht durchsetzen. Dass Kastanaras Potenzial hat, konnte er schon in den Nachwuchsmannschaften im Brustring nachweisen, mittlerweile scheint auch seine Einstellung zu stimmen. Für mich ist also noch zu früh, um ihn komplett abzugeben.
Das Problem haben wir immerhin bei
Jovan Milosevic
nicht, denn der wurde erst im vergangenen Sommer verpflichtet und mit einem Vertrag bis 2027 ausgestattet, nachdem Sven Mislintat ihn wohl schon vor seinem Abschied von Vojvodina Novi Sad losgeeist hatte. Der 18jährige kam in der Hinrunde auf gesammelte 26 Einsatzminuten bei fünf Einsätzen und durfte in der ersten Pokalrunde gegen Reutlingen für 14 Minuten ran. Milosevic teilt sich als Serbe das Schicksal mit Ömer Beyaz, denn nicht-EU-Ausländer sind für die Regionalliga nicht spielberechtigt, so dass er auch dort nicht auf Einsatzminuten kam. Auch hier war eine Leihe die logische Folge. Der Leihverein ist uns bereits gut bekannt, es ging zum ehemaligen Kooperationsverein aus St. Gallen, bei denen bereits Leo Münst und Matej Maglica zeitweise aktiv waren und von denen unser Schweizer EM-Teilnehmer Leo Stergiou an den Neckar wechselte. Erneut stand mir hier Marco vom Fanzine SENF für Fragen zu Milosevics Rückrunde zur Verfügung.
Der FCSG hatte den Start ins Jahr ziemlich vermasselt, man habe also eine gewisse Erwartungshaltung an den jungen Stürmer gehabt, als er relativ spät im Februar zur Mannschaft stieß. Auch weil zu diesem Zeitpunkt einige Spieler ausfielen, unter anderem Stammspieler Willem Geubbels. Statt diesem lief also Milosevic Mitte Februar neben Ex-VfB-Spieler Chadrac Akolo im grün-weißen Dress gegen den FC Winterthur auf, traf bereits nach sechs Minuten und musste 28 Minuten später mit einem Bänderriss im Sprunggelenk ausgewechselt werden. Diese Verletzung habe ihn weit zurückgeworfen, erklärt Marco, erst Anfang April stand er wieder auf dem Platz. Da ja auch andere Stammspieler verletzt aus der Winterpause kamen, konnte Milosevic nicht die erwartete Soforthilfe darstellen. Er steuerte beim 3:3 in Lausanne die zwischenzeitliche 3:2‑Führung bei, ohne den Punkt wäre St. Gallen nicht nach der Teilung der Liga in der Meisterrunde gelandet, so Marco. In der Meisterrunde traf er nochmal gegen den alten und neuen Meister aus Bern, steuerte zudem gegen Yverdon-Sport noch eine Vorlage bei. Auch wenn Milosevic unter dem mittlerweile nach Bochum gewechselten Peter Zeidler in einem 4–4‑2 als zweiter Stürmer agierte, sieht Marco ihn eher als klassischen Neuner. Am Saisonende zog Milosevic übrigens mit dem FC St. Gallen in den Europapokal ein.
Wie schon bei Kastanaras sieht unser Experte Milosevic noch nicht weit genug für die Bundesliga und würde ihm zur Entwicklung ein weiteres Jahr in St. Gallen empfehlen, verweist dabei auch auf die gute Entwicklung des eingangs erwähnten Stergiou. Marco sieht ihn als Stürmer Nummer 3, eine Rangfolge, die er beim VfB vermutlich nicht innehätte. Angesichts der an sich guten Erfahrungen mit St. Gallen halte ich das nicht nur für einen sinnvollen, sondern auch realistischen Weg. Natürlich muss das langfristige Ziel sein, die Anzahl der Leihen zu reduzieren. Sollte Milosevic aber keinen Riesensprung in der Vorbereitung machen, bleibt vermutlich nur eine weitere Leihe als Option, auch wenn scheinbar in der 3. Liga bis zu drei Nicht-EU-Ausländer im Kader stehen dürfen. Nach Einsätzen in der Schweizer Liga wäre die dritte deutsche Spielklasse aber für Milosevic noch mal ein Schritt zurück. Spannend bleibt auf jeden Fall wie bei Kastanaras, wie groß sein Potenzial wirklich ist.
Dieses wiederum scheint
Luca Pfeiffer
bereits ausgeschöpft zu haben. 2021 wechselte er aus Würzburg zum FC Midtjylland und wurde ein Jahr später zum SV Darmstadt 98 verliehen, bei dem er mit 17 Treffern in 32 Zweitliga-Spielen auf sich aufmerksam machte. 2022 verpflichtete ihn der VfB von seinem dänischen Stammverein, Pfeiffer blieb aber in 19 Bundesliga-Einsätzen ohne Scorerpunkt. Immerhin traf er beim 6:0 im Pokal gegen Bielefeld zwei Mal und legte eine Runde später in Paderborn sowie im Relegations-Rückspiel ein Tor auf. Dennoch eine überschaubare Bilanz für einen Stürmer, weswegen die erneute Leihe zum Aufsteiger aus Darmstadt zunächst wie eine gute Lösung schien. In der Hinrunde wurde er jedoch häufig als Zielspieler für lange Bälle eingesetzt, wie uns SVD-Experte Matthias, vom Kickschuh.Blog im Winter berichtete, was angesichts von Pfeiffers Kopfballschwäche wenig zielführend war. Nachdem Pfeiffer kurz vor Weihnachten beim 3:3 gegen Hoffenheim an allen drei Darmstädter Toren beteiligt war und im Winter mit Sebastian Polter endlich ein richtiger Zielspieler nach Südhessen kam, wären die Vorzeichen für eine bessere Rückrunde Pfeiffers eigentlich optimal gewesen. Er spielte zwar die ersten vier Partien des Kalenderjahres komplett durch, stand danach aber nur noch vier Mal auf dem Platz, drei Mal verzichtete Trainer Lieberknecht gar komplett auf seine Anwesenheit im Kader. Matthias erläutert, dass Polter zwar nicht wie erhofft eingeschlagen habe, Oscar Vilhelmsson und Julian Justvan jedoch Pfeiffer als Optionen in der Offensive den Rang abgelaufen hätten.
Das Engagement könne man ihm nicht absprechen, jedoch habe die schwere Saison beim VfB und die Erfolglosigkeit vor dem Tor in Darmstadt wohl auch an seinem Selbstbewusstsein gezehrt, zumal es ja für die ganze Mannschaft, die als Tabellenletzter wieder abstieg, nicht gut lief. Dass die Lilien derart chancenlos sein würde, habe ihn überrascht, so Matthias, insbesondere die Tatsache, dass die Rückrunde noch schlechter verlief als die Hinrunde. Da der Verein bei Neuverpflichtungen nicht ins Risiko gehen wollte, sei man unter dem Strich schlicht nicht konkurrenzfähig gewesen — ein Eindruck den man auch beim Rückspiel am Böllenfalltor gewinnen konnte, auch wenn der Auswärtssieg damals schwer erkämpft war. Wie es ohne Bundesliga-Erfahrung besser laufen könne, hätte Heidenheim gezeigt, verweist Matthias auf den Mit-Aufsteiger. Für die neue Saison strebe Darmstadt einen Umbruch an mit Spielern, die nicht durch den Misserfolg der letzten Saison belastet seien. Eine Anschlussverpflichtung Pfeiffers hält er also für genauso unrealistisch wie eine Zukunft beim VfB, zumal sich Pfeiffer vor dem letzten Saisonspiel den Mittelfuß brach und erstmal ausfallen wird.
Auch ohne diese Verletzung fällt Pfeiffer leistungsmäßig ganz klar eher in die Kategorie eines Gil Dias, betrachtet man mal nur den aktuellen Kader. In einem größeren Rahmen scheint es ihm ein wenig zu gehen wie Simon Terodde, auch wenn der wesentlich mehr Zweitliga-Erfahrung hat: Es reicht derzeit nicht für die Bundesliga und da Pfeiffer im August bereits 28 wird, ist auch fraglich, ob es jemals dafür reichen wird. Immerhin: Sein Vertrag läuft bis 2026, der VfB könnte ihn also noch einmal verleihen in der Hoffnung, dass der Leihverein im Anschluss Gebrauch von einer Kaufoption macht. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass Pfeiffer seine Chancen durchaus realistisch einschätzen kann und seinerseits einen Wechsel anstrebt, vermutlich in die zweite Liga. Das Jahr in Darmstadt jedenfalls war für alle Beteiligten eine Enttäuschung, womit Pfeiffer in einer Reihe mit jenen Spielern steht, bei denen Leihen nicht unbedingt der Entwicklung, sondern der Kaderbereinigung dienen.
Wie das bei
Juan José Perea
ist, ist mir noch nicht ganz klar. Der kam 2022 mit Pfeiffer zum VfB lief immerhin 16 Mal im Brustring auf, machte bei jedem Auftritt mit seiner Wuseligkeit viel Betrieb im gegnerischen Strafraum, konnte jedoch nur den Anschlusstreffer beim 1:2 gegen die Bayern Anfang März für sich verbuchen. Vergangenen Sommer verlieh ihn der VfB nach Rostock in die zweite Liga, wo er mit zwei Toren gegen Wahid Faghir und die SV Elversberg gleich auf sich aufmerksam machte. Am dritten Spieltag schoss er Hansa gegen den VfL Osnabrück in Führung, wurde danach jedoch Opfer einer Systemumstellung und kam ab Mitte Oktober nur noch selten für mehr als eine Halbzeit zum Einsatz, wie uns Hansa-Fan Christian im Winter erklärte. Seine Hoffnung, dass es nach dem Trainerwechsel zu Mersad Selimbegovic besser für Perea und Hansa laufen würde, wurde jedoch enttäuscht. Im Mai musste Rostock als Vorletzter den Gang in die dritte Liga antreten, Perea bereitete in der Rückrunde ein Tor vor und traf beim prestigeträchtigen 2:2 gegen den HSV zum zwischenzeitlichen Ausgleich. Christian zufolge sei Hansa offensiv sehr ideenlos aufgetreten, keiner der Angreifer habe sein Potential ausspielen können, zudem habe der FCH auch über keinen Unterschiedsspieler verfügt. Eklatante Abwehrfehler in Verbindung mit der Offensivschwäche hätten dann zum Abstieg geführt.
Auch Perea habe hier keinen positiven Unterschied machen können, er habe häufig “planlos, unruhig und nicht zielstrebig” gewirkt, auch wenn er ihm das Engagement nicht absprechen könne, so Christian, auch seine Stärken in der Schnelligkeit und im Zweikampf habe man sehen können. Er sei jedoch kein Spieler, der vorangeht und habe auch Probleme beim Abschluss gehabt. Christian sieht ihn als klassischen Konterspieler und könnte ihn sich theoretisch gut auch bei Hansa in der dritten Liga vorstellen, das finanzielle Risiko sei ihm dabei allerdings trotz des für Drittliga-Verhältnisse hohen Etat Hansas zu groß. Angesichts seines Profils sieht er für ihn auch beim VfB keine große Zukunft. Perea wurde zwar im Februar erst 24, nach der enttäuschenden Bilanz bei einem Zweitliga-Absteiger stellt sich für mich aber neben Profil auch die Frage, ob er dem VfB qualitativ weiterhelfen kann. Angesichts der Tatsache, dass er in den letzten Jahren regelmäßig Einsätze hatte, ob in Rostock, teilweise beim VfB oder auch vorher in Griechenland, könnte ich ihn mir höchstens als Kaderspieler für die Breite vorstellen, der vielleicht nicht unbedingt in der Champions League brilliert, aber in einer Bundesliga-Saison, in der der VfB höchstwahrscheinlich nicht wieder um die ersten vier Plätze mitspielt, ab und zu von der Bank kommt. Ob er auch über seinen 2026 auslaufenden Vertrag hinaus in Stuttgart bleibt, wage ich zu bezweifeln. Vielleicht kommt es auch in diesem Sommer schon zu einem Wechsel.
Widmen wir uns zum Abschluss dem großen Zukunftsversprechen in der Leihspieler-Klasse 2024:
Mo Sankoh
Die Geschichte von Sankoh haben wir hier ja schon öfters erzählt. Er kam aus Stoke zum VfB, schoss die Regionalliga zu Brei, traf im Pokal bei Dynamo Berlin und verletzte sich beim 5:1 gegen Fürth, als ein gewisser Jamie Leweling für die Gäste traf, nach einem Zusammenprall mit dem Torhüter schwer. Als er wieder fit war, wechselte er leihweise zu Vitesse Arnheim in seine holländische Heimat und schloss sich zur abgelaufenen Saison Ligakonkurrent und Aufsteiger Heracles Almelo an. Journalist Ralph Blijlevens von der Regionalzeitung De Twentsche Courant Tubantia kündigte im Winter an, dass Sankoh nach einigen längeren Einsätzen in der Hinrunde nach der Winterpause angesichts der Rückkehr von Stürmer Jizz Hornkamp weniger Minuten bekommen würde. Er sollte Recht behalten, Sankoh absolvierte in diesem Jahr nur noch ein Spiel über 90 Minuten und traf zwei Mal gegen AZ Alkmaar, kurioserweise binnen zwei Minuten mit zwei Ballberührungen in der Nachspielzeit zum 4:0 und 5:0. Hornkamp hingegen habe bewiesen, warum er Stürmer Nummer 1 sei, so Ralph, gegen Saisonende seien viele Almelo-Fans von Sankoh ein wenig entnervt gewesen, weil es trotz großen Einsatzes für die Eredivisie bei ihm nicht reiche.
Für die Mannschaft immerhin reichte es, Almelo schaffte knapp den Klassenerhalt machte es aber mit deutlichen Niederlagen gegen direkte Konkurrenten wie Waalwijk (0:5) und Excelsior Rotterdam (0:4) im Saisonendspurt unnötig spannend. für Heracles-Fans also eher eine Saison zum Vergessen, auch wenn der Klassenerhalt an sich als Aufsteiger ohne namhafte Neuzugänge durchaus respektabel sei. Eine Entwicklung über die Saison habe er bei Sankoh nicht wahrnehmen können, so Ralph, er habe zwar im Training häufig Extraschichten vor dem Tor geschoben, konnte aber Hornkamp nie wirklich ersetzen, auch nicht im letzten Saisonspiel, als weder der Stammstürmer, noch Sankoh auf dem Platz standen. Auch in der neuen Saison sieht er Sankoh angesichts der Rückkehr von Leihspieler Antonio Satriano von Serie C‑Club AC Trento nicht im Trikot von Almelo — und angesichts der Leistungen in den Niederlanden auch nicht im Brustring.
Die Personalie Mo Sankoh ist und bleibt ein Quell der Frustration für VfB-Fans. So richtig scheint er sich immer noch nicht von einer Verletzung erholt zu haben, die ihn durchaus die Karriere hätte kosten können. Wer weiß, wie er sich weiterentwickelt hätte, wäre nicht ein komplettes Jahr zurückgeworfen worden. Auch bei seinem vorherigen Leihverein Arnheim war man nicht besonders zufrieden mit ihm, angesichts eines Vertrags bis 2026 wäre eine dritte Leihe in Folge möglich. Aber wäre es zielführend, darauf zu setzten, dass er in der dritten Saison nach der Verletzung in der Fremde den Durchbruch schafft? Oder lässt man ihn wie eventuell Perea den Kader für drei Wettbewerbe im Herbst ergänzen, auch wenn er in einer nicht mehr ganz so viel kleineren Liga bei einem Abstiegskandidaten nicht überzeugen konnte? Ich tue mich wirklich schwer mit seiner Einschätzung, gerade weil die Hoffnung in sein Potenzial so groß waren.
Viel Kaderkorrektur
Alles in allem ist die Bilanz der Leihspieler in der vergangenen Saison eher gemischt — wie schon im Jahr zuvor. Die Zahl von acht verliehenen Akteuren ist ohnehin für eine Kaderplanung nicht optimal, denn alle kehren zunächst zurück, mit ganz unterschiedlichen Perspektiven und blähen den Kader in der Vorbereitung erstmal auf. Bei mehreren Spielern muss Fabian Wohlgemuth zudem die Entscheidung treffen, wie er mit dem einen Jahr Restlaufzeit des Vertrags umgeht. Findet man noch einen Abnehmer und generiert damit eine gewisse Ablöse? Oder muss man den Vertrag auslaufen lassen, während der Spieler die Saison auf der Tribüne verbringt oder den Vertrag gar vorzeitig auflösen? Mit Ausnahme von Kastanaras, Milosevic und Sankoh und mit viel Vertrauen Faghir hat keiner der Leihspieler eine einigermaßen realistische Perspektive beim VfB, selbst wenn dieser kommende Saison wieder im Abstiegskampf stecken sollte. Erneut dienten die Leihen in 2023/2024 vornehmlich der Kaderkorrektur, was natürlich trotzdem Mittel bindet. Zumal die Regeln für Leihen weiter verschärft werden: Ab 1. Juli dürfen Vereine nur noch maximal sechs Spieler während einer Spielzeit verleihen, die über 21 sind und nicht im Verein ausgebildet wurden. Laurin Ulrich ist von dieser Begrenzung also ausgenommen, Perea und Pfeiffer beispielsweise zählen aber rein, Faghir wird Ende Juli 21. Nach der überragenden Saison und angesichts dreier Wettbewerbe sehe ich im Bundesliga-Kader aktuell nur wenige Leihkandidaten — Niko Narteys Vertrag läuft 2025 aus, Spieler wie Luca Raimund und Samuele di Benedetto könnten auch noch in der 3. Liga auflaufen — dennoch hoffe ich auch diesen Sommer, dass das Leihspieler-Segment im Podcast in Zukunft wieder kürzer wird. Denn ein Erfolgsrezept zur Weiterentwicklung von Spielern war es in den vergangenen Jahren nur selten.
Titelbild: © siehe Bildunterschriften,