Der VfB gewinnt das Derby mit einem soliden Auftritt gegen zweitliga-untaugliche Karlsruher. Das 2:0 ist ein versöhnlicher Abschluss einer englischen Woche, die weiterhin viele Fragen offen lässt.
Blickte man am Sonntag nachmittag auf die Cannstatter Kurve, hätte man denken können, dass alles Friede, Freude Eierkuchen ist in Stuttgart. Die Kurve feierte ausgelassen mit der Mannschaft, die Sonne schien, der VfB war Derbysieger und wieder Tabellenführer. Kein Anzeichen einer englischen Woche, die große Zweifel an der Mentalität und der Aufstiegstauglichkeit der Brustringträger aufgeworfen hatte. Dabei war auch gegen Karlsruhe nicht alles Gold was glänzt. Aber im Vergleich zu den letzten Spielen reichte der Aufwand für die Qualität des Gegners.
VfB engagiert und hellwach…
Ich will natürlich auch die Leistung der Mannschaft im Derby nicht kleinreden. Gleichwohl Karlsruhe spielerisch schon deutlich drittklassig agierte, hätten Sie dem VfB trotzdem mehrmals gefährlich werden können. Und schließlich fallen die Gegentore in letzter Zeit nicht unbedingt deshalb, weil der Gegner offensiv so gefährlich ist, sondern eher, weil unsere Abwehr sich im Tiefschlaf befindet. Nach zwei Last-Minute-Unterschieden war also die Fallhöhe für die VfB-Mannschaft in diesem Spiel schon enorm. Eine Derby-Niederlage hätte wohl das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht und die Stimmung wäre vor den letzten sechs Spielen gekippt.
Um das zu verhindern, kämpften die VfB-Spieler um fast jeden verloren gegangenen Ball. Genau das war am Ende auch der entscheidende Unterschied oder anders gesehen: Das, was zuletzt häufig fehlte. Und so ergaben sich für den VfB nicht nur einige hochkarätige Chancen, sondern auch zwei Tore von Takuma Asano, den wahrscheinlich die wenigsten als Derbyheld auf der Rechnung hatten. Zweimal war er hellwach: Einmal nach einer Gentner-Flanke mit dem Kopf und ein zweites Mal, als er nach eigener Aussage antizipierte, dass Alexandru Maxim den Torwart anschießen könnte. Ob er das wirklich so geplant hat, oder einfach da stand, wo ein Stürmer nunmal stehen muss: egal. Sein zweiter Treffer, diesmal vor der Cannstatter Kurve machte den Deckel auf dieses Spiel und ließ die VfB-Fans erleichtert aufatmen.
…aber auch umständlich und defensiv zu passiv
Um aber jetzt nicht komplett in Derby-Euphorie zu verfallen:
Ich glaub ich muss mal den Bedenkenträger geben, so wie heute steigen wir nicht auf! Das Beste war noch das 2:2 von Union. #VfB
— CJ (@09091893) April 9, 2017
Es war in der Tat noch vieles Stückwerk beim VfB in diesem Spiel. Offensiv verhedderte man sich bei Konterversuchen viel zu oft mit Quer- und Rückpässen. Und auch defensiv war es, vor allem gegen Ende der ersten Halbzeit, erschreckend zu sehen, wie viel Meter ein Offensivspieler des Gegners zwischen Mittellinie und Strafraum mit dem Ball zurücklegen kann, bis er von einem VfB-Spieler attackiert wird. Hätten sich die Karlsruher nicht so unfähig angestellt, hätte es durchaus mit einem Unentschieden in die Pause gehen können. Sehr häufig war es aber eben jene Unfähigkeit der Gäste in Blau, die dem VfB das Leben leicht machte. Es war sogar noch leichter, als einem Kind den Lutscher wegzunehmen. Die Gäste gaben ihn bereitwillig her.
So aber hat man sich die Tabellenführung zurück geholt. Auch, weil Union gegen Düsseldorf nach 2:o‑Führung noch den Ausgleich kassierte und obwohl Braunschweig in der Nachspielzeit noch gegen Dresden gewann. Die anderen drei da oben stellen sich halt auch nicht alle unbedingt geschickter an. Der VfB hat jetzt immerhin wieder drei Punkte Vorsprung auf den vierten Platz und kann gegen Bielefeld im nächsten Montagsspiel den Abstand vielleicht ausbauen, wenn sich Braunschweig und Hannover im Niedersachsen-Derby am Samstag gegenseitig die Punkte wegnehmen.
Ein Schritt nach vorne für Maxim und Mannschaft
Ob auf der Alm auch Alexandru Maxim wieder von Beginn an spielt? Allenthalben wird sein Auftritt im Derby gelobt, gar als großes Comeback bezeichnet. Ich hab ihn ehrlich gesagt gar nicht so positiv gesehen. Sicherlich, zweimal ließ er Erinnerungen an seinen bisher besten Auftritt beim 2:1 gegen St. Pauli am ersten Spieltag aufblitzen, als er mit dem Ball am Fuß Richtung Strafraum zog und beim zweiten Versuch damit Asanos Tor einleitete. Gleichzeitig verrannte er sich aber auch mehrmals mit dem Ball in seinen Gegenspielern und vor allem defensiv zeigte er — wenig überraschend — selten den Einsatz und die Mannschaftsdienlichkeit, die man von ihm erwarten kann.
Aber wenn es für Ihn ein erster Schritt in die richtige Richtung ist, nehme ich das gerne mit. Genauso wie ich sehr gerne das Derby trotz der zu Tage tretenden Defizite als einen ersten Schritt der Besserung gegen einen schwachen Gegner zum richtigen Zeitpunkt nehmen würde. Vielleicht brauchte die Mannschaft nach fünf sieglosen Spielen einfach nur wieder diese Erfolgserlebnis, um zurück in die Spur zu kommen. Denn je kleiner die Anzahl der verbleibenden Spiele wird, desto kleiner wird auch die Fehlertoleranz. Mit Hannover 96 und Union Berlin hat der VfB noch zwei echte Klopper vor der Brust, mit Erzgebirge Aue und Arminia Bielefeld noch zwei Abstiegskandidaten, die alles fürs Überleben in der Liga tun werden. Bleiben noch Nürnberg und Würzburg, für die es eigentlich um nichts mehr geht, die der VfB aber in seiner derzeitigen Verfassung ebenso wenig unterschätzen kann.
Dumm, dümmer, doppelte Derbyverlierer
Kommen wir abschließend noch zu den Geschehnissen abseits des grünen Rasens. Dass der Gästeblock, vor allem angesichts des anstehenden Abstiegs, eskalieren würde, war fast absehbar. Dass es im Derby zum Einsatz von Pyrotechnik kommen würde, ebenso. Dass man sich in den vorderen Reihen aber so wenig unter Kontrolle hatte, dass man vor allem vor und nachdem Spiel die eigenen Spieler fast mit Leuchtspuren abschoss, ist schon ziemlich peinlich. Hier wäre es vielleicht besser gewesen, den Kindern ihre leuchtenden Lutscher abzunehmen, denn sobald irgendwas brennendes und knallendes den Block verlässt, hört auch bei mir die Toleranz auf. Genauso überflüssig und dämlich wie hochfliegende Pyrotechnik ist jene, die ihren Effekt durch eine lauten Knall erzeugt. Ich war dabei, als bei einem Pokalspiel des VfB in Lübeck irgendein dummes Kind einen Böller über den Zaun direkt neben einen Kameramann warf. Wer sowas in ner Menschenmenge macht, hat im wahrsten Sinne des Wortes den Knall nicht gehört. In Kombination mit den Spruchbändern, die man schon in den letzten Jahren vom Derbygegner präsentiert bekam, ist es vielleicht nicht schlecht, wenn dies für eine Weile erstmal das letzte Derby war. Auch wenn sich da manch eine Gruppe in der Cannstatter Kurve manchmal qualitativ auch nicht unbedingt von abhebt.
Aber bis zum nächsten Aufeinandertreffen heißt es erstmal: