Natürlich zeigt der VfB gegen die Bayern wieder eine Leistung, die gemeinhin als respektabel bezeichnet wird. Nur: Was bringt es, wenn die Mannschaft nur gegen Mannschaften so auftritt, gegen die es außer Lob eh nicht viel zu holen gibt?
Es sei wichtig gewesen, so der erneut als bemitleidenswerter Rechtsverteidiger aufgelaufen Waldemar Anton, dass man eine Reaktion gezeigt habe. Mit etwas mehr Glück sei auch ein Punkt drin gewesen. Mit Glück meint er vermutlich den von der Linie gekratzt Kopfball von Dinos Mavropanos sowie die Chancen von Silas und Coulibaly, die anders als vor Wochenfrist nur knapp an Tor vorbei gingen. Nun, Understat sieht das etwas anders und berechnet für den VfB 0,6 expected goals und für die Bayern über 2. Was auch eher der Realität entspricht, schließlich müsste Fabian Bredlow wesentlich mehr hochkarätige Chancen entschärfen als sein Gegenüber. Aber klar. Alles nur Pech.
“Ordentlich”
Auch Bruno Labbadia stieß nach dem Spiel in ein ähnliches Horn, nicht ohne dabei die Qualität des Gegners zu betonen, ein 2:2 am Ende sei nicht unverdient gewesen. Und allenthalben lautet der Tenor: Wären sie so nur mal gegen Schalke aufgetreten, ein Ball durch die Beine wäre Ralf Fährmanns geringste Sorge gewesen. Aber natürlich taten sie das nicht und im Ergebnis liegt der VfB jetzt nach Punkten auf dem geteilten letzten Tabellenplatz und profitiert lediglich davon, dass er die Hucke nur beim 0:5 on Dortmund so richtig voll bekommen hat. Eine richtige Reaktion der Mannschaft hätte darin bestanden, sich nicht auf dem 3:0 gegen Köln auszuruhen, sondern auf Schalke zu gewinnen. Eine Woche später die Bayern ein bisschen früher anlaufen und sich nach der obligatorischen Zwei-Tore-Niederlage durch individuelle Fehler mit dem Prädikat “ordentlicher Auftritt” aus der Affäre zu ziehen, ist vor allem eins: wertlos.
Es ist ja auch nicht so, als ob die Bayern unschlagbar wären. Gefühlt war das Meisterschaftsrennen lange nicht mehr so offen, Augsburg und auch Gladbach haben die Münchner im eigenen Stadion geschlagen. Nun ist die Gladbacher Offensive um ein vielfaches gefährlicher als unsere — was dadurch deutlich wird, dass die Borussia seit unserem Wiederaufstieg gar mehr Tore kassiert hat als wir, aber in etwa genauso viele geschossen hat — aber gerade auf die Augsburger schaut man ja in Stuttgart gern ein bisschen herab, vor allem weil man sie zuletzt zwei Mal aufsehenerregend schlug und, ja, Markus Weinzierl zurück zu holen wirklich keine gute Idee war. Aber Du musst halt gegen die Bayern neben ein bisschen Glück auch eine gewisse Konsequenz in der Defensive und Zielstrebigkeit in der Offensive haben. Beides geht den VfB ab.
Eine Reaktion, die keine ist
Lohnt es sich noch, sich über Fabi Bredlows zögerlich Parade von de Ligts Schuss aufzuregen? Dass Mavropanos den Ball elegant passieren lässt, hin oder her: Ein guter Torwart geht da trotzdem richtig hin. Ein solider nicht und so brauchen wir auch nicht über einen erneuten Torwartwechsel zu diskutieren. Müller hätte in dieser Situation die gleichen Flutschfinger gehabt. Eigentlich braucht man auch nicht über die anderen Positionen zu reden: Bruno Labbadia ändert, von Gelbsperren abgesehen und von öffentlicher Rückendeckung bestärkt, ja eh nichts. Waldemar Anton darf weiter seinen Gegenspielern hinterher hecheln und Silas seine sowieso nicht berauschende Form als Mittelstürmer noch weiter verschlechtern. Gil Dias, der zumindest ein wenig was mit dem Ball anfangen kann, wird wieder früh ausgewechselt und Pereas sehenswerter Anschlusstreffer ist der kleine Hoffnungsschimmer, den einem die Bayern immer bieten, aber um wenigstens einen Punkt im Neckarstadion zu behalten, hätte das Offensivspiel des VfB weniger fehleranfällig sein müssen. So klopft man sich auf die Schulter und nennt eine weitere Niederlage eine “Reaktion”, weil man nach einer Niederlage gegen den Tabellenletzten scheinbar mit einer Klatsche gegen den Tabellenführer rechnet, ganz so, als würden die Bayern wie früher jede Woche eine andere Mannschaft auseinander nehmen.
Mir machen solche Spiele ehrlich gesagt überhaupt keine Mut mehr. Frankfurt mag keines der letzten vier Pflichtspiele gewonnen haben und mit dem Kopf schon in Napoli sein am kommenden Samstag, aber wo werden die Brustringträger mit dem Kopf sein? Bei einem angefangenen Fehlpass in der zehnten Minute des Bayern-Spiels, aus dem dann doch kein gefährlicher Gegenangriff wurde? Solange man sich beim VfB weiterhin erfolgreich selbst hinters Licht führt, bringen uns diese Spiele gegen Bayern oder Leipzig keinen Schritt weiter. Der VfB muss gegen diese kollektive gedankliche Bequemlichkeit gegensteuern. Auf den Platz und wenn das nicht reicht, auch daneben. Denn offensichtlich kann der Kader nicht das spielen, was Labbadia für das Passende hält.
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass sieht den VfB-Zug Richtung Abgrund rasen, Stuttgart.International zu viel Schulterklopfen.
Titelbild: © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images