Beim 0:0 gegen Düsseldorf wirkt der VfB zwar wieder mutiger, zeigt aber hinten wie vorne Schwächen. Für drei Punkte reicht das einfach nicht.
Langsam nervt es richtig. Das fünfte Saisonspiel, zum vierten Mal schafft es der VfB über 90 Minuten nicht, das Tor zu treffen. Noch viel schlimmer: Am Ende müssen wir uns bei einem nach dem mäßigen Freiburg-Spiel wieder glänzend aufgelegten Ron-Robert Zieler bedanken, dass die Partie gegen Düsseldorf am Freitagabend nicht die dritte Niederlage im vierten Saisonspiel war. Vier bis sechs Punkte waren aus den Spielen gegen Freiburg und Düsseldorf erwartet worden, am Ende sind es zwei und der VfB hat es nur den Bayern zu verdanken, dass er nicht als Tabellenletzter in die englische Woche geht.
Was fehlt uns zum Torerfolg, was zum ersten Dreier in dieser Spielzeit? Nach der ersten Halbzeit war ich mir eigentlich sicher:
Einfach mal einen reinmachen, und nicht so umständlich rumspielen. Dann flutscht das hier. Es fehlt eigentlich nicht viel. #VfBF95
— Lennart Sauerwald (@l_sauerwald) September 21, 2018
Zu wenige Chancen, zu wenig Präzision
Nach dem Spiel muss ich konstatieren: Es fehlt irgendwie an allem. Oder, anders gesagt: Was der VfB auch gegen Düsseldorf zeigte ist von fast allem zu wenig. Einzig die Anzahl der Paraden von Zieler war genau richtig. Aber sonst? Natürlich ist nach diesem Spiel jeder Verantwortliche und Spieler schnell dabei, festzustellen, dass es an Einsatz und Willen, endlich drei Punkte zu holen, nicht gefehlt habe. Immerhin. Aber das bedeutet im Endeffekt auch nur: Sie waren stehts bemüht. Soll heißen, sie haben es versucht, sich dabei aber nicht sonderlich geschickt angestellt. Um das Bemühen bildlich darzustellen:
Dass sind die Torschüsse, die Whoscored.com gezählt und verortet hat. Zehn mal schoss der VfB insgesamt Richtung Tor, ein einziger Schuss ging aufs Tor (zu den acht abgebildeten Schüssen kommen zwei geblockte hinzu). Was also ist das Problem? Kam der VfB nicht in den Strafraum? Eigentlich schon. Understat berechnet für den VfB einen expected Goal-Wert von 1,39, ein Tor wäre also in Anbetracht der Chancenqualität locker drin gewesen. Am meisten schlagen dabei natürlich die Fehlversuche von Gonzalez und Gomez zu Buche, denen es nicht gelang, den Ball im gegnerischen Strafraum unter Kontrolle zu bringen. Das Problem ist aber: Außer diesen Großchancen brachte der Rest der VfB-Offensiv nur wenig zustande, sieht man mal von Christian Gentner grotesk verzogenem Schuss aus zentraler Position ab.
Denn wieder einmal versuchten die Brustringträger, sich durch die Düsseldorfer Abwehr durchzukombinieren, was wieder einmal nur leidlich gelang. Erfolgreicher waren hingegen die paar hohen Bälle in den Strafraum, die aber nun mal nicht verwandelt wurden. Nach einer Idee, wie man das Spiel für sich entscheidet, sah das leider dennoch nicht aus. Viel zu häufig wurde der Ball nochmal zum Mitspieler quergelegt, für ihn liegen gelassen oder zurück gespielt. Nur selten schaffte es die Mannschaft, sich über die Flügel durchzusetzen und wenn, folgte ein überhasteter Abschluss wie die verunglückte Flanke von Insua kurz vor Schluss, oder ein Fehlpass. Einfallsreichtum, Passsicherheit, Zielstrebigkeit — es fehlte wie gesagt in allen Disziplinen. Das sieht dann am Ende bei Whoscored.com so aus:
Dabei waren die Vorraussetzungen eigentlich gegeben. Tayfun Korkut reagierte auf die tor- und erfolglosen ersten 44 Minuten gegen Freiburg, indem er Castro wieder auf der Sechs aufstellte und Chadrac Akolo auf dem Flügel. Aber auch der verhedderte sich ein ums andere Mal in der Düsseldorfer Abwehr. Vor allem das Zusammenspiel mit den Außenverteidigern funktionierte erneut überhaupt nicht, was bei Andreas Beck system- und bei Emiliano Insua leistungsbedingt war.
An der Größe lag es nicht
Schaut man sich nun auf der obigen Grafik die Torschüsse von Fortuna Düsseldorf (in blau) an, wird einem bewusst, dass ein möglicher Heimsieg durch eine bessere Chancenverwertung ein äußerst glücklicher gewesen wäre. Sieben der 19 Schüsse der Fortuna gingen aufs Tor, mehrmals war es nur den starken Reflexen von Zieler zu verdanken, dass die Gäste ebenso torlos blieben. Besonders erschreckend war das Abwehrverhalten der Brustringträger bei Ecken. Nach fast jeder Standarssituation (insagesamt neun Ecken) kamen die Düsseldorfer im VfB-Strafraum an den Ball. Tayfun Korkut erklärt das in der Stuttgarter Zeitung so:
„Wir haben so schon nicht die großen Kopfballungeheuer auf dem Platz. Bei den Einwechslungen von Erik Thommy, Anastasios Donis und Berkay Özcan habe ich nicht auf Größe geachtet – dieses Risiko bin ich eingegangen.“
Nun ja, von den drei ausgewechselten Spielern ist lediglich Christian Gentner größer als 180 Zentimeter, Donis und Özcan haben gegenüber Akolo und Castro hingegen sogar einen Grüßenvorteil. Und beim Stand von 0:0 gegen Düsseldorf die großgewachsenen Holger Badstuber und Dennis Aogo einzuwechseln, wäre auch nicht besonders sinnvoll gewesen. Also, es lag nicht an der Größe, sondern an etwas anderem. Der Konzentration, der Zuordnung, ich weiß es nicht. Was ich weiß: Wenn wir uns vorne schon schwer tun, sollten wir wenigstens hinten sicher stehen. Das ist zwar auch nicht sonderlich innovativ, aber dann könnte man sich zumindest teilweise auf das Erfolgsrezept der Rückrunde zurück ziehen.
Womit wir vor Beginn der englischen Woche mit den Spiele in Leipzig und gegen Bremen zur zentralen Frage kommen, die mich dieses Wochenende umgetrieben hat. Wie geht es weiter? Gegen Freiburg profitierte der VfB vom haarsträubenden Stellungsspiel des Gegners und auch gegen Düsseldorf hätte uns das zu einem glücklichen Sieg verhelfen können. Leipzig und Bremen hingegen sind eine andere Nummer. Werden wir bei den Dosen, gerade nach den Erfahrungen der letzten beiden Spiele, wieder defensiver auftreten? Und wie stoppen wir noch ungeschlagene Bremer, die zwar gegen Nürnberg einen 2:0‑Vorsprung verspielten, am Ende aber dennoch die drei Punkte mitnahmen? Das Dilemma: Wenn Du gegen Freiburg und Düsseldorf nicht gewinnst, musst Du das zwangsläufig gegen Leipzig und/oder Bremen tun. Aber das habe ich auch schon nach dem Mainz-Spiel gesagt. Und jetzt weiß ich noch weniger, wie das funktionieren soll.
Hohe Erwartungen?
Friedhelm Funkel reihte sich in einem Interview vor dem Spiel in die Reihe derjenigen ein, die dem Stuttgarter Umfeld einen erhöhten Schwierigkeitsgrad bescheinigen:
Was nichts daran ändert, dass die Verweildauer von Trainern immer kürzer wird.
Das ist eine katastrophale Entwicklung. Alles ist viel schnelllebiger und boulevardesker geworden. Du bekommst als Trainer gar keine Zeit mehr, etwas aufzubauen. Du wirst von Außen getrieben, irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Schauen Sie doch nur, was bei Ihnen in Stuttgart gerade passiert: Der VfB war vergangene Saison die zweitbeste Rückrundenmannschaft – und jetzt wird Tayfun Korkut nach zwei Niederlagen zum Saisonauftakt in Frage gestellt. Das ist absurd.
Insgeheim wird aber vom Einzug in den Europapokal geträumt.
Ich weiß, aber das tun zehn, elf andere Mannschaften auch. Es ist in Stuttgart schon immer so gewesen, dass die Ansprüche oft ein bisschen zu hoch sind. Dabei sollte man aber bedenken: Der VfB ist erst letztes Jahr aufgestiegen.
Die Realität ist natürlich ein bißchen komplexer, als Marko Schumacher und Funkel das hier darstellen, was beim einen ärgerlicher ist als beim anderen. Eine ziemlich gute Antwort darauf hat der Vertikalpass bereits gegeben. Es ist eben nicht so, dass Korkut jetzt grundlos nach ein paar Spielen in die Diskussion gerät. Jedem, der sich mit dem VfB etwas näher beschäftigt, was Friedhelm Funkel offensichtlich nicht tut, muss klar sein, dass die letzte Rückrunde ein Ausnahmefall war, den man nicht in eine realistische Bewertung Korkuts miteinbeziehen kann. Ich meine, wir haben 4:1 in München gewonnen, es muss also irgendeine Verschiebung der Planeten oder etwas ähnliches im Frühjahr gegeben haben.
Was aber nicht unbedingt heißt, dass ich jetzt den nächsten Trainerwechsel befürworte. Für Korkut gilt das gleiche wie für die Mannschaft: Er ist stehts bemüht. Seine Aufstellungen sind nicht grundfalsch, er reagiert auf schlechte Leistungen (Badstuber) und gute (Akolo) meist richtig. Durch die Verletzung von Daniel Didavi derzeit seines einzigen Zehners beraubt macht er, was die Spielanlage angeht, eigentlich nicht so viel falsch. Aber es reicht halt nicht. Was Funkel und viele andere falsch verstehen: Der Unmut der VfB-Fan speist sich nicht aus der Erwartung, dass der VfB den Lauf der Rückrunde einfach so fortsetzt. Nein, wir erwarten einfach nur, dass der VfB, der zwei Tage nach Saisonabschluss fünf neue Spieler verpflichtete, der nur zwei Nationalspieler zur WM abstellen musste, der endlich mal einen ruhige Sommer hatte, sich so gut auf die anstehende Saison vorbereitet, dass man nicht in vier von fünf Spielen ohne eigenes Tor bleibt. Keiner von uns erwartet einen Durchmarsch. Aber ein wenig mehr als drei Tore und zwei Unentschieden aus fünf Spielen darf es schon sein.
Alles ziemlich unbefriedigend
For example, rank correlations for @premierleague and 1.@Bundesliga_EN from 2000–2017 pic.twitter.com/459ZdbLYi6
— BStat (@michael_karbach) September 8, 2018
Was ihr hier seht, hatten wir neulich schon im Podcast angesprochen: Michael Karbach ist der Frage nachgegangen, wie wichtig ein guter Saisonstart ist und wie gering der Unterschied zwischen Spieltags- und Endplatzierung im Lauf der Saison ist. Spätestens am zehnten Spieltag steigt die Kurve im rechten Bild ziemlich stark an. Von den kommenden Gegnern sieht derzeit nur Hannover so aus, als könnte der VfB mit der derzeitigen Spielweise und Chancenverwertung dort etwas holen. Es ist also alles ziemlich unbefriedigend und da hilft auch weder der Blick auf die Tabelle, noch auf die Tatsache, dass der Vizemeister Schalke noch erheblich schlechter in die Saison gestartet ist. Man denke nur an Borussia Mönchengladbach 2015/2016 oder Borussia Dortmund im Jahr zuvor. Beides gut besetzte Teams, die zu Saisonbeginn mit dem VfB im Abstiegskampf steckten, am Ende aber souverän an uns vorbeizogen. Sie sind die Abweichung, die die Grafik oben nicht abbildet und natürlich kann der VfB das auch sein.
Nur macht mir aktuell weder die vergangene Rückrunde, noch die ersten Spiele dieser Saison viel Hoffnung darauf. #Korkout also, wie es schon auf Twitter kursiert? Ich weiß es nicht, vielleicht sind wir nach dem nächsten Wochenende schlauer. Aber es muss jetzt auf jeden Fall viel mehr kommen. Von Trainer und Mannschaft.