Obwohl es angesichts der Form der Gäste eher unwahrscheinlich war, dass der VfB gegen Leverkusen punktet, wird man nach dem Spiel das Gefühl nicht los, als wäre beim 1:3 mehr drin gewesen.
Ballverluste, Flanke, Tor. Schlechtes Stellungsspiel, Querpass, Tor. Als das Heimspiel des VfB am fünften Spieltag erst 20 Minuten alt war, bekam man beim VfB mal wieder und nicht zum ersten Mal seit dem Wiederaufstieg das Gefühl, dass die Brustringträger manchen Gegnern zumindest phasenweise nicht gewachsen sind: Letzte Saison machten die Bayern und Leipzig kurzen Prozess, auch Dortmund war im Rückspiel zu gut. In Leverkusen kippte das Spiel nach einer absurden Fehlentscheidung, während man der Abteilung Fußball des Aspirinproduzenten im Hinspiel beim 1:1 einiges Kopfzerbrechen bereitete. Nicht so dieses Mal. Erneut war der VfB in der Phase nach einem Anpfiff nicht wach genug, um einen frühen Rückstand zu verhindern. Ein Ballverlust von Endo landete postwendend im eigenen Tor, weil man außen keinen Zugriff bekam und innen in personeller Überzahl die Zuordnung fehlte. Ebenso beim 2:0, als Kempf seine Abwehrseite mit einem schlecht getimeten Abwehrversuch sperrangelweit offenließ. Was auch immer der Plan von Pellegrino Matarazzo gegen den offensiv gefährlichen und aggressiv pressenden Gegner gewesen sein mag: Er war relativ schnell Makulatur.
Das liegt nicht nur daran, dass Leverkusen qua Einkaufsmöglichkeiten das bessere Personal hat, wie man mir ob meiner Reaktion auf das 0:1 vehement erklärte. Natürlich kannst Du dir manche Fehler gegen Fürth eher erlauben als gegen Leverkusen. Der Unterschied ist aber auch, dass andere Mannschaften ziemlich direkt und schnell auf den Führungstreffer drängen während der VfB meist ein wenig braucht, um ins Spiel oder in manchen Fällen auch die zweite Halbzeit zu finden. Es ist was anderes, ob Du dem Offensivdruck des Gegners ob dessen Angriffsintensität irgendwann nicht mehr standhalten kannst oder ob Du quasi von Beginn an mit dem Handicap eines Rückstands über den Platz läufst. Ein Handicap, dass man vermeiden könnte, wenn man mit (Wieder-) Anpfiff versuchte, das Spiel hinten wie vorne an sich reißen. Wie erfolgreich das ist, hängt dann natürlich schon von der eigenen spielerischen Qualität ab, aber wenigsten ist man in der Aktion statt in der Reaktion.
Genauigkeit und Gier
Das mit der spielerischen Qualität ist bei uns ja aktuell so eine Sache. Mit Anton war der stabilste Abwehrspieler gesperrt und vorne fehlt trotz der Verpflichtung von Omar Marmoush ein Zielspieler, dem einfach mal ein Ball auf den Kopf oder vor die Füße fällt. Womit wir zur zweiten Halbzeit kommen, in die der VfB mit nicht allzu schlechten Voraussetzungen ging: Erst setzte bei Robert Andrich jegliche Rücksichtnahme auf die Gesundheit des Gegenspielers aus, dann schob Orel Mangala mit der ihm eigenen seltsamen Schusstechnik einen parierten Mavropanos-Kopfball über die Linie. Alles angerichtet also dafür, dass der VfB die Guerreiro-Gedächtnis-Grätsche angemessen bestrafte. Allein, es kam nichts oder zumindest zu wenig. Dass kann man auf die Abwesenheit von Silas, Kalajdzic und mit Abstrichen Führich schieben, auf Mangalas und Stenzels mangelnde Spielpraxis oder auf die taktische Umstellung, die Matarazzo in der Zentrale angestellt hatte. Letztlich war es aber vor allem, neben einem weiteren individuellen Fehler, die Einfallslosigkeit, die dem VfB das Genick brach. Der Kicker fasste zusammen, Matarazzo fehlten. “Genauigkeit und Gier” und ich finde, das trifft es ganz gut. Natürlich haben wir nicht die gleiche Situation wie zu Beginn der letzten Saison und grundsätzlich kann man der Mannschaft wegen ihrer Einstellung keinen Vorwurf machen. Aber es fehlen derzeit, neben individueller Qualität, die letzten Prozentpunkte Intensität, um aus einer knapp einstündigen Überzahl Kapital zu schlagen. So vergab man die Chance, einen Punkt zu ergattern, mit dem man eigentlich nicht (mehr) gerechnet hatte.
Und das lag eben nicht nur an der Personalsituation, wie man überhaupt davor gewarnt sein sollte, diese als Erklärung überzustrapazieren. Denn die Rückkehr von Silas, Sasa und Co. muss einhergehen mit der Bereitschaft, auch die letzten Prozentpunkte Intensität auf den Platz zu bringen. Noch ist das tabellarisch alles im Rahmen, die Probleme aber liegen tiefer als die über 20 Tore, die derzeit gemeinsam in der Reha-Welt fürs. Comeback schuften. Auch in Bochum werden sie nicht auf dem Platz stehen, dafür muss der Rest der Mannschaft von Beginn an zeigen, wer sich diese drei Punkte im Abstiegskampf holt.
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