Der VfB gewinnt endlich ein Auswärtsspiel! In Augsburg setzen sich die Brustringträger in bekannter Manier mit 1:0 durch und verschaffen sich damit ein kleines Tabellenpolster.
Nach 23 Spieltagen und elf sieglosen Auswärtsspielen hat es geklappt: Der VfB holt auswärts drei Punkte. Nicht nur dass, zum ersten Mal seit ziemlich genau zwei Jahren gibt es zwei Bundesliga-Siege in Folge, zwei Siege ohne Gegentor nacheinander gar zum ersten Mal seit dem Herbst 2011. Und nicht zu vergessen: Zum ersten Mal seit 2012 gewinnt der VfB gegen den FCA und in Augsburg. Fürwahr ein außergewöhnlicher Tag in der jüngeren Vergangenheit für Fans und Verein. Dabei waren der Spielverlauf und das Zustandekommen dieses quasi historischen Siegs alles andere als ungewöhnlich.
Denn der VfB bezwang die Heimmannschaft auf die gleiche Art und Weise, wie er in der Vorwoche mit Mönchengladbach fertig wurde: Nach einem Tor in der ersten Halbzeit zogen sich die Brustringträger immer weiter zurück, gaben dem Gegner offensiv mehr Platz und brachten die knappe Führung dennoch über die Zeit. Der Unterschied am Sonntag nachmittag war jedoch, dass es den generell sehr schwach auftretenden Hausherren im Gegensatz zum letzten Gegner nicht gelang, den VfB hinten einzuschnüren. So schaffte es der VfB immer wieder, Fehlpässe abzufangen und sich hinten mit Entlastungsangriffen zu befreien. Das einzige Manko daran: Sämtliche Konterchancen wurden teils kläglich, teils mit einer unfassbaren Überheblichkeit vergeben. Auch wenn der VfB dieses Spiel mit 3:0 hätte gewinnen können und müssen, so müssen wir gleichzeitig dankbar sein, nicht für eine solche Chancenverwertung bestraft worden zu sein. Mario Gomez’ hundertprozentige Chance ist das eine. Aber wenn man zu dritt auf den Torwart zuläuft und sich dann wie Emiliano Insua den Ball einfach vom Fuß pflücken lässt, dann bleibt das normalerweise nicht ohne Konsequenzen.
Geschlossen zum Sieg
Dass die ausblieben, dafür sorgte nicht nur der Schiedsrichter, der im Gegensatz zu seinem Assistenten die deutliche Abseitsstellung der Augsburger im Nachhinein erkannte und den Ausgleich annullierte, als ich mich bereits einmal komplett über unser Abwehrverhalten ausgekotzt hatte. Nein, so wirklich zwingend war die Heimelf nicht mit ihren Chancen. Zwar segelte immer mal wieder eine Flanke in den Strafraum oder es bot sich zentral eine gute Gelegenheit zum Schuss, aber alles in allem hatte die VfB-Abwehr das alles im Griff. Das lag auch daran, dass Tayfun Korkut sein Innenverteidiger-Dilemma — drei Spieler für zwei Positionen — damit löste, dass er Holger Badstuber auf die Sechs stellte und Dennis Aogo wieder auf die Bank setzte. Erwartungsgemäß zeigte Badstuber auch eine Position weiter vorne die gleiche Zweikampfstärke und Ballsicherheit, die wir von ihm in der Viererkette — mit Ausnahmen — gewohnt sind. Wenn dann ein Benjamin Pavard 80 Prozent seiner Zweikämpfe gewinnt, gibt es da als Gegner nicht viel zu holen.
Generell bot der VfB eine geschlossene Mannschaftsleistung, was ja in dieser Saison nicht immer der Fall war. Leichte Punktabzüge gibt es für Andreas Beck, dessen Flanken aus dem Halbfeld erwartungsgemäß wirkungslos blieben und dem Doppelsturm aus Gomez und Ginczek, die eigentlich mehr Tore hätten machen müssen. Aber freuen wir uns erstmal über einen Auswärtssieg, bevor wir so überhöhte Ansprüche wie deutliche Auswärtssiege anmelden. Schwieriges Umfeld und so. 😉 Freuen können wir uns auch über Christian Gentner, der in seiner offensiven Rolle immer besser zurecht kommt und sich auch gestern mehrfach vorne einbrachte. Ich hoffe, Tayfun Korkut meißelt es in die Kabinenwand, damit auch seine Nachfolger es nicht vergessen: Christian Gentner ist kein Defensivspieler. Auch Erik Thommy muss man immer wieder erwähnen, der sich auf Anhieb in der Mannschaft festgespielt hat.
Auf dem Drahtseil
Alles prima also? Ergebnistechnisch ja. Der VfB hat jetzt zehn Punkte Vorsprung auf einen direkten Abstiegsplatz. Wir haben zwar vor zwei Jahren einen noch größeren Vorsprung verspielt, aber das war hoffentlich ein historischer Einzelfall. Nichtsdestotrotz müssen Mannschaft und Trainer gewarnt sein: Nicht jedes Spiel wird nach diesem Muster verlaufen können. Nicht jedes Mal wird der VfB so wie gegen Gladbach und in Augsburg in der ersten Hälfte in Führung gehen. Und nicht jedes Mal wird er aus der anschließenden Abwehrschlacht siegreich hervorgehen. Man muss Korkut zugute halten, dass er dem VfB mit der Doppelspitze und der neuen Position von Christian Gentner zu mehr Offensivgefahr verholfen hat. Leider unterbindet er diese bei eigener Führung komplett. Das kann gut gehen, wie in den letzten beiden Spielen, kann aber auch gefährlich werden, wenn man sich soweit zurück zieht, dass man sich aus der Umklammerung des Gegners nicht mehr befreien kann. Nach dem letzten Gegentor, der Wolfsburger Führung, fiel die Mannschaft zunächst für 20 Minuten komplett auseinander und berappelte sich erst in der zweiten Halbzeit.
Es ist und bleibt ein enges Höschen, wie Tom im Podcast zu sagen pflegt. Korkut muss in Zukunft auch in der Lage sein, sein Konzept auf Spielverläufe anzupassen, die sich von jenem am Sonntag unterscheiden. Natürlich, für die Unzulänglichkeiten seiner Stürmer kann er, genauso wie Hannes Wolf, nichts. Aber die Mannschaft muss auch auf einen Rückstand reagieren können oder auf ein zähes Spiel, das lange 0:0 steht. Momentan bin ich vorsichtig optimistisch, auch angesichts der nächsten beiden Gegner. Frankfurt ist zwar die drittbeste Auswärtsmannschaft ist, da sollte zu Hause aber durchaus etwas drin sein. In Köln müssen wir gewinnen, ohne Wenn und Aber. Immerhin: Der VfB hat mit 27 nach Bayern und Frankfurt die wenigsten Gegentore der Liga. Auf der anderen Seite hat nur der HSV weniger Tore geschossen. Wir befinden sich noch auf dem Drahtseil, aber man muss konstatieren: Die andere Seite ist in Sicht.
Glückliche Stuttgarter überall
Zum Abschluss der übliche Blick in die Kurve: Die Stimmung im Gästeblock war diesmal wieder überragend, besonders schön finde ich, dass neuerdings vor Anpfiff ein paar alte Gassenhauer ausgepackt werden. Hinzu kam, dass weite Teile der Hintertor-Tribüne in Stuttgarter Hand waren — es wurden beim Tor sogar zwei Stuttgarter in der Augsburger Kurve beim Jubeln gesichtet. Dennoch finde ich es nach den letzten Wochen richtig und konsequent von der Mannschaft, sich nach Abpfiff vor dem Block auf Klatschen zu beschränken und die von einigen geforderte Welle nicht mitzumachen. Sie haben schlecht gespielt, wir haben uns zurecht aufgeregt. Es wäre albern, jetzt einfach so zu tun, als wäre nichts gewesen.