Solide

Nach lan­gen Ver­hand­lun­gen hat der VfB Tor­hü­ter Gre­gor Kobel im Anschluss an sei­ne Lei­he fest ver­pflich­tet. War­um die Ent­schei­dung rich­tig, aber nicht ohne Risi­ko ist. Und: Ein Ver­such, die Leis­tung von Tor­hü­tern zu bewer­ten.

Es ist ein übli­cher Reflex: Als Sky Sport vor ein paar Wochen ver­mel­de­te, VfB-Auf­stiegs­tor­wart Gre­gor Kobel sei sich nach dem Ende sei­ner Lei­he und sei­ner Rück­kehr nach Hop­pen­heim mit Her­tha BSC über einen Wech­sel so gut wie einig, waren vie­le VfB-Fans schnell dabei, die Qua­li­tä­ten Kobels sowie sei­ne Leis­tun­gen in der letz­ten Sai­son und sei­ne Bun­des­li­ga­taug­lich­keit infra­ge zu stel­len. Mitt­ler­wei­le wis­sen wir, das zwi­schen der alten Dame und dem jun­gen Schwei­zer gar nichts klar ist, denn Kobel hat die­se Woche einen Ver­trag bis 2024 beim VfB unter­schrie­ben, der sei­ner­seits die Ablö­se­for­de­run­gen der Impf­stoff-Ver­mark­ter noch etwas drü­cken konn­te. Als zwi­schen­durch klar wur­de, dass Kobel auch per­sön­lich einen Stamm­platz in Stutt­gart einer unsi­che­re­ren Situa­ti­on in Ber­lin vor­zieht, wen­de­te sich selbst­re­dend auch die Bewer­tung sei­ner sport­li­chen Leis­tun­gen und Per­spek­ti­ve wie­der ins Gegen­teil.

Dass ent­täusch­te Fans den Abschieds­schmerz zu lin­dern ver­su­chen, indem sie den Ver­lust klein­re­den, ist nichts Neu­es. Bei Feld­spie­lern las­sen sich sol­che Dis­kus­sio­nen rela­tiv ein­fach mit Zah­len auf eine sach­li­che Ebe­ne brin­gen. Aber wie ist das mit Tor­hü­tern? Mal ganz abge­se­hen davon, dass man bei den wenigs­ten Spie­lern im aktu­el­len Kader sagen kann, wie sie sich in einer Liga schla­gen wer­den, auf deren Niveau sie noch nie oder nur wenig gespielt haben, kommt bei Tor­hü­tern eine wei­te­re Schwie­rig­keit hin­zu: Sie sind wie fast kein ande­rer Spie­ler auf dem Feld in ihren zähl­ba­ren Leis­tun­gen abhän­gig von ihren Mit­spie­lern. Wenn der Innen­ver­tei­di­ger im Fünf-Meter-Raum über den Ball säbelt, kann auch der bes­te Schluss­mann nichts mehr aus­rich­ten und wenn der Sech­ser im Spiel­auf­bau einen Fehl­pass spielt und die auf­ge­rück­te Hin­ter­mann­schaft den Kon­ter nicht mehr abfan­gen kann, ist der Kee­per auf sich allein gestellt.

Wie bewertet man Torhüter?

Wie also bewer­tet man die Leis­tung von Tor­hü­tern und wie kann man dem­entspre­chend die Ver­pflich­tung von Gre­gor Kobel bewer­ten? Zumin­dest über die ers­te Fra­ge haben sich schon vie­le Men­schen Gedan­ken gemacht, unter ande­rem Flo­ri­an Zen­ger (@flo_zenger) vom FCN-Fan­ma­ga­zin Club­fans United. In die­sem Bei­trag schrieb er im April die­ses Jah­res über Club-Tor­wart Chris­ti­an Mathe­nia und des­sen Bewer­tung. Gera­de das Spiel am 33. Spiel­tag, als der VfB durch das 6:0 gegen Nürn­berg den Auf­stieg so gut wie klar­mach­te, offen­bar­te nicht zuletzt durch Mathe­ni­as frus­trier­te Reak­ti­on auf die Gegen­tor­flut, wie schwer es für Tor­hü­ter mit­un­ter ist, sich aus­zu­zeich­nen. Gleich­zei­tig floss bei vie­len VfB-Fans in die ers­te Bewer­tung Kobels nicht nur der erwar­te­te Tren­nungs­schmerz ein, son­dern auch die fri­schen Erin­ne­run­gen an das Spiel gegen Darm­stadt, als Kobel einen nicht opti­ma­len Tag erwisch­te.

Flo­ri­an hat mir dan­kens­wer­ter Wei­se ver­schie­de­ne Tor­hü­ter­sta­tis­ti­ken des Daten­an­bie­ters WyScout gra­fisch auf­be­rei­tet, so dass wir zunächst anhand der Zah­len schau­en kön­nen, ob der VfB mit Kobel die rich­ti­ge Wahl getrof­fen hat. Außer­dem will ich kurz einen Blick auf die Alter­na­ti­ven wer­fen, die wäh­rend der lang­wie­ri­gen Ver­hand­lun­gen durch die Gerüch­te­kü­che geis­ter­ten: Ex-VfB-Kee­per Sven Ulreich, Mar­vin Schwä­be von Brond­by und just for fun, Juli­an Pol­lers­beck vom HSV. Abschlie­ßend möch­te ich noch ein paar wei­te­re Gedan­ken dazu los­wer­den, wie ich die Ver­pflich­tung von Kobel bewer­te — auf­grund der Zah­len und der Alter­na­ti­ven, aber auch aus ande­ren Grün­den.

Von sinnvollen Statistiken und anderen

Zunächst aber zum Zah­len­werk. Die offen­sicht­lichs­ten und am häu­figs­ten genann­ten Grad­mes­ser für Tor­hü­ter ist ja die Anzahl der Gegen­to­re sowie die Kicker-Noten. Man könn­te jetzt die 37 Gegen­tref­fer her­neh­men, mit denen Kobel liga­weit auf Platz 6 liegt oder sei­ne Durch­schnitts­no­te von 2,98, die den neun­ten Platz im Liga­ver­gleich bedeu­tet. Auch wenn natür­lich gewis­se Zusam­men­hän­ge nicht gänz­lich von der Hand zu wei­sen sind, soll­te jedem klar sein, dass Gegen­to­re und sub­jek­ti­ve Noten kei­ne zuver­läs­si­ge Bewer­tung eines Tor­hü­ters zulas­sen. Flo­ri­an bedient sich des­halb auch ande­rer Sta­tis­ti­ken, die ein biß­chen mehr ins Detail gehen. Die will ich kurz erklä­ren, wen die aus­führ­li­che Erklä­rung inter­es­siert, der kann sich sei­nen Arti­kel auf Club­fans United durch­le­sen, wer das schon getan hat, kann den nächs­ten Absatz über­sprin­gen.

Die ers­te “Maß­ein­heit” sind expec­ted con­ce­ded goals, also die auf­grund der Qua­li­tät der Abschlüs­se erwar­te­te Anzahl der Gegen­to­re. Also qua­si wie die schon bekann­ten expec­ted goals, nur eben aus Sicht des Tor­hü­ters und nicht des Stür­mers. Der zwei­te Wert ist der Anteil der gehal­te­nen Schüs­se an der Gesamt­zahl der Schüs­se. Ein drit­ter Ansatz ist die Zahl der Para­den pro Gegen­tor. Zitat Flo­ri­an: “Damit ermit­telt man qua­si die Zahl der Schüs­se, die man im Schnitt aufs Tor abge­ben muss, ehe man den Tor­wart ein­mal über­win­det.” Um nun die Qua­li­tät eines Tor­hü­ters so unab­hän­gig von sei­nen Vor­der­leu­ten wie mög­lich zu bewer­ten, wer­den ver­schie­de­ne Wer­te in Rela­ti­on zuein­an­der gesetzt. Das hat Flo­ri­an in den drei Gra­fi­ken getan, auf die ich gleich näher ein­ge­hen wer­de. Um Kobels Leis­tun­gen zusätz­lich in Rela­ti­on zu ande­ren Tor­hü­tern zu set­zen, hat er die Wer­te aller Erst- und Zweit­li­ga-Tor­hü­ter sowie der neun Tor­hü­ter mit dem welt­weit höchs­ten Markt­wert mit auf­ge­nom­men — wenn sie in der abge­lau­fe­nen Sai­son min­des­tens 1000 Ein­satz­mi­nu­ten hat­ten.

Wieviel Tore hätte Kobel kassieren sollen?

Zunächst bil­det er die durch­schnitt­li­chen Gegen­to­re pro Spiel und die erwar­te­ten durch­schnitt­li­chen Gegen­to­re pro Spiel ab. Anhand der Dia­go­na­len lässt sich able­sen, ob ein Tor­hü­ter mehr Tore kas­siert hat als erwar­tet (unter der Dia­go­na­len), oder weni­ger (über der Dia­go­na­len).

Vergleich kassierte Tore mit erwarteten kassierten Toren. Daten von Wyscout, Visualisierung von Florian Zenger.
Ver­gleich kas­sier­te Tore mit erwar­te­ten kas­sier­ten Toren. Daten von Wyscout, Visua­li­sie­rung von Flo­ri­an Zen­ger.

Gre­gor Kobel liegt mit etwa 1,2 kas­sier­ten Toren bei weni­ger als einem erwar­te­ten Gegen­tor klar unter der Dia­go­na­len. Fast alle der “teu­ers­ten Tor­hü­ter der Welt” lie­gen über der Linie, eini­ge Zweit­li­ga­tor­hü­ter dar­un­ter, wenn sich auch teil­wei­se Gegen­to­re und erwar­te­te Gegen­to­re näher lie­gen. Auf jeden Fall sticht Kobel in die­sem Ver­gleich nicht beson­ders posi­tiv her­aus, anders als bei­spiels­wei­se Bie­le­felds Ste­fan Orte­ga, bei dem die Wer­te von Kobel fast umge­kehrt sind. Einen ähn­li­chen Ver­gleich hat auch das Glo­bal Soc­cer Net­work ange­stellt und auf Twit­ter ver­öf­fent­licht. Auch hier liegt Kobel im Liga-Mit­tel­feld.

GSN führt zusätz­lich noch den Wert der expec­ted goals on tar­get ein, sie zäh­len also nur die Schüs­se, die aufs Tor kom­men. Das sind alles in allem kei­ne so dra­ma­ti­schen Wer­te wie bei­spiels­wei­se bei Kevin Broll von Abstei­ger Dyna­mo Dres­den oder dem schon erwähn­ten Chris­ti­an Mathe­nia, aber Kobel stach eben in der zwei­ten Liga auch nicht her­aus und deckt sich mit der sub­jek­ti­ven Wahr­neh­mung, dass er in der abge­lau­fe­nen Sai­son kei­ne “Unhalt­ba­ren” gehal­ten hat.

Wie gefährlich waren die Schüsse auf Kobels Tor?

In der nächs­ten Gra­fik geht es um das Ver­hält­nis des Anteils der gehal­te­nen Schüs­se zur Dif­fe­renz zwi­schen erwar­te­ten und tat­säch­li­chen Gegen­to­ren pro 90 Minu­ten. Letz­te­ren Wert haben wir bereits, er liegt bei Kobel bei knapp 0,2 Gegen­to­ren pro Spiel, die er mehr kas­siert als erwar­tet. Kobels Anteil an gehal­te­nen Bäl­len liegt bei etwa 67 Pro­zent.

Vergleich Differenz erwartete und reale Gegentore mit Anteil parierter Schüsse. Daten von Wyscout, Visualisierung von Florian Zenger.
Ver­gleich Dif­fe­renz erwar­te­te und rea­le Gegen­to­re mit Anteil parier­ter Schüs­se. Daten von Wyscout, Visua­li­sie­rung von Flo­ri­an Zen­ger.

Um die Aus­sa­ge­kraft der Gra­fik zu erklä­ren, zitie­re ich erneut Flo­ri­an: “Setzt man Sv% und ΔxCG ins Ver­hält­nis lässt sich – mit allen Pro­ble­men, die bei­de Wer­te mit sich brin­gen – erah­nen, inwie­fern ein hoher bzw. nied­ri­ger Anteil an gehal­te­nen Schüs­sen vor allem dar­an lag, dass die Schüs­se unge­fähr­lich bzw. gefähr­lich waren.” Gre­gor Kobel hat also im Liga­ver­gleich rela­tiv weni­ge der Schüs­se, die auf sein Tor kamen, gehal­ten und hat auch mehr Tore kas­siert, als er es nach dem xG-Modell hät­te müs­sen. Auch hier sticht Orte­ga her­aus, auch hier fin­den sich die übli­chen Ver­däch­ti­gen in Kobels Nähe. Es ver­fes­tigt sich das Bild: Kobel hat­te kei­ne gro­ben Pat­zer drin und war auch kein Unsi­cher­heits­fak­tor, aber er mach­te auch sel­ten den Unter­schied zwi­schen Sieg und Nie­der­la­ge aus.

Wie schwer ist Kobel zu bezwingen?

Die drit­te Gra­fik ver­gleicht die Anzahl der Para­den pro Gegen­tor mit der Anzahl der Para­den pro Spiel. Damit kann man, laut Flo­ri­an, “zumin­dest erken­nen, bei wem eine hohe Anzahl an Para­den nur dar­an liegt, dass er vie­le Schüs­se aufs Tor bekommt und wer auch wirk­lich schwer zu bezwin­gen ist.”

Vergleich Paraden pro Gegentor und Paraden pro Spiel. Daten von Wyscout, Visualisierung von Florian Zenger.

Der zitier­te Satz trifft bei­spiels­wei­se auf Kevin Broll von Dyna­mo zu, der pro Spiel im Schnitt über drei Para­den hat­te, aber trotz­dem nach jeder zwei­ten bezwun­gen wur­de. Kobel kommt auf etwas über zwei Para­den pro Spiel und wird knapp nach jeder zwei­ten Para­de bezwun­gen. Hin­zu kommt, was Flo­ri­an mir im Gespräch mit­teil­te und was auch ein Blick auf ein­zel­en Schuss­sta­tis­ti­ken der letz­ten Sai­son offen­bart: Gre­gor Kobel bekam ins­ge­samt recht wenig Schüs­se aufs Tor im Ver­gleich mit sei­nen Kol­le­gen. Außer­or­dent­lich schwer zu bezwin­gen war er aber auch nicht. Zumin­dest die Anzahl der Schüs­se aufs Tor dürf­te in der Bun­des­li­ga wach­sen.

Alles in allem, auch wenn die ein­zel­nen Sta­tis­ti­ken bei wei­tem nicht alles aus­sa­gen, kein über­ra­gen­des Zeug­nis für Kobel. Zwar lie­gen auch nicht alle Bun­des­li­ga­tor­hü­ter weit vor ihm, die hat­ten natür­lich aber teil­wei­se auch Gegen­spie­ler auf einem ande­ren Niveau. Dass Kobel die­ses Niveau mit­ge­hen kann, ist nicht garan­tiert und hängt natür­lich auch wei­ter­hin von der Defen­siv­leis­tung sei­ner Vor­der­leu­te ab. Die wie­der­um sind aber mein ers­tes Argu­ment, war­um ich den Trans­fer trotz der nicht her­aus­ra­gen­den Leis­tun­gen in der zwei­ten Liga für sinn­voll hal­te: Kobel kennt die Mann­schaft und kann sich — mit ihr —  ent­wi­ckeln.

Kontinuität für den Klassenerhalt

Natür­lich ist es schwer, das Poten­zi­al eines Spie­lers vor­her­zu­sa­gen, gera­de bei einem Tor­hü­ter, der erst ein hal­bes Jahr Bun­des­li­ga spiel­te, dann ein Jahr 2. Liga und nun wie­der Bun­des­li­ga. Als ich FCA-Fan Ste­phan letz­ten Som­mer zu Kobels Leis­tun­gen in Augs­burg befrag­te, kam her­aus dass “die bereits ange­spro­che­ne hohe Zahl an Gegen­to­ren (…) auch viel mit einer wenig ein­ge­spiel­ten Vie­rer­ket­te und einem unsi­che­ren Innen­ver­tei­di­ger Reece Oxford zu tun (hat­te). Gleich­zei­tig habe Kobel aller­dings eben bei Stan­dards auch ein paar Tore auf sei­ne Kap­pe neh­men müs­sen.” Kobel kennt jetzt aber, bis auf Mavro­pa­nos und Anton, sei­ne Hin­ter­mann­schaft und ist mit Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zos Spiel­sys­tem ver­traut. Dass auf die­ser Posi­ti­on end­lich ein wenig Kon­ti­nui­tät herrscht, ist ange­sichts des Durch­laufs auf die­ser Posi­ti­on in den letz­ten Jah­ren und der gleich­zei­ti­gen sport­li­chen Ent­wick­lung bit­ter nötig:

Aber natür­lich möch­te ich die Kon­ti­nui­tät nicht um der Kon­ti­nui­tät wil­len, son­dern weil ich eine ein­ge­spiel­te Abwehr inklu­si­ve Tor­wart im Abstiegs­kampf für unver­zicht­bar hal­te. Nicht zuletzt war es auch die gro­tesk hohe Anzahl an Gegen­to­ren, die uns zwei Mal in den letz­ten drei Jah­ren den Klas­sen­er­halt kos­te­te. Und auch ande­re Mann­schaf­ten mit etwa 70 Gegen­to­ren stie­gen in den letz­ten Jah­ren immer ab. Natür­lich garan­tiert eine sol­che Kon­stel­la­ti­on nicht den Klas­sen­er­halt, schließ­lich stieg der VfB 2019 auch mit einem Tor­hü­ter ab, der sei­ne Kol­le­gen seit zwei Jah­ren kann­te. Aber in der aktu­el­len Situa­ti­on ist mir das immer noch lie­ber als ein Tor­wart, der neu in die Mann­schaft kommt. Zumal des­sen Feh­ler wirk­lich kei­ner mehr aus­bü­geln kann.

Ulreich? Schwäbe? Pollersbeck? Bitte nicht!

Letzt­lich ist die Ver­pflich­tung Kobels für den VfB auch des­halb die bes­te Opti­on — mei­ner Mei­nung nach auch für die gezahl­te Ablö­se — weil die bis­her bekann­ten Alter­na­ti­ven mich nicht über­zeu­gen. Sven Ulreich wäre nach den Rück­hol­ak­tio­nen der letz­ten Jah­re (Beck, Bad­s­tu­ber, Gomez, Dida­vi) eine nahe­lie­gen­de Opti­on gewe­sen. Ich ver­fol­ge die Bay­ern nicht genug, um en detail zu sagen, ob er die beim VfB gezeig­ten Schwä­chen im Spiel­auf­bau und bei hohen Bäl­len in Mün­chen abge­legt hat. Hät­te es mit Kobel nicht geklappt, hät­te ich mich auch mit ihm anfreun­den kön­nen. Er hät­te aber wohl auch nicht für klei­nes Geld gespielt und wäre wohl auch den Fans schwer zu ver­mit­teln gewe­sen. Denn die eine Hälf­te war damals froh, dass der VfB einen sta­gnie­ren­den Tor­hü­ter los­wur­de, den man ob sei­nes Sta­tus als Eigen­ge­wächs nicht ein­fach vor die Tür set­zen konn­te — ich auch. Die ande­re Hälf­te hielt den Wech­sel für Hoch­ver­rat, als ob die Bay­ern und der VfB noch Kon­kur­ren­ten auf Augen­hö­he. Schließ­lich geht es bei Ulreich auch schon mit­tel­fris­tig aufs Kar­rie­re­en­de zu, bewei­sen muss er nie­man­dem mehr etwas. Da erscheint ein 22jähriger, der sich in der Bun­des­li­ga eta­blie­ren will, als viel­ver­spre­chen­der.

Auch über Schwä­be, ehe­mals bei Dyna­mo Dres­den und aktu­ell in Kopen­ha­gen bei Brond­by unter Ver­trag, will ich nicht zu vie­le Wor­te ver­lie­ren. Ich habe mich bei Brond­by-Fan Toke Thei­la­de (@toketheilade) über ihn erkun­digt, als es so aus­sah, als sei Schwä­be Plan B zu Kobel. Schwä­be kam 2018 nach Kopen­ha­gen und war in sei­ner ers­ten Sai­son eine ziem­li­che Ent­täu­schung, so Toke. Schließ­lich wur­de er sogar für Ben­ja­min Bel­lot, den der­zei­ti­gen Tor­wart von Che­mie Leip­zig, auf die Bank gesetzt. In der abge­lau­fe­nen Sai­son habe er sich zwar ver­bes­sert, aber sei immer noch feh­ler­an­fäl­lig, spe­zi­ell bei Flan­ken und in der Straf­raum­be­herr­schung. Nega­ti­ver Höhe­punkt: Eine gegen ihn direkt ver­wan­del­te Ecke. Schwä­be sei zwar ein guter Tech­ni­ker und gut im Spiel­auf­bau sowie auf der Linie, er kön­ne aber der Abwehr kei­ne Sicher­heit ver­mit­teln. Er sei über­rascht, so Toke, dass der VfB an ihm inter­es­siert gewe­sen sei, selbst in Däne­mark sehe er ihn in der Liga nur an Posi­ti­on sechs oder sie­ben. Und Juli­an Pol­lers­beck, der zuletzt als Kobel-Alter­na­ti­ve gehan­delt wur­de? Der absol­vier­te in der ver­gan­ge­nen Sai­son gan­ze sechs Zweit­li­ga-Spie­le, in denen der HSV end­gül­tig den Auf­stieg ver­spiel­te, was natür­lich nicht ihm allei­ne anzu­las­ten war. Vor Sai­son­be­ginn wur­de er von Die­ter Hecking der Rücken­num­mer 1 beraubt und zum drit­ten Tor­hü­ter degra­diert. Sven Mislin­tat muss zwi­schen­durch sehr ver­zwei­felt gewe­sen sein.

Die beste verfügbare Lösung

Also: Gre­gor Kobel mag in der zwei­ten Liga kein her­aus­ra­gen­der Tor­hü­ter gewe­sen sein, aber er war auch kein Sicher­heits­ri­si­ko. Ange­sichts sei­ner Ent­wick­lungs­fä­hig­keit und der Kon­ti­nui­tät, die mit ihm herrscht, hal­te ich ihn aber in der aktu­el­len Situa­ti­on für die bes­te ver­füg­ba­re und damit eine soli­de Lösung auf der Tor­hü­ter­po­si­ti­on. Die lang­wie­ri­gen Ver­hand­lun­gen soll­ten die VfB-Ver­ant­wort­li­chen aber in Zukunft davon abhal­ten, solch wich­ti­ge Posi­tio­nen mit Leih­spie­lern zu beset­zen. Nun denn. Jetzt ist er da und ich hof­fe, dass Pod­cas­ter-Kol­le­ge Riky recht behält:

Titel­bild: © Mat­thi­as Hangst/Bongarts/Getty Images

3 Gedanken zu „Solide“

  1. Sehr inter­es­san­te Sta­tis­ti­ken. Mich wür­den die Sta­tis­ti­ken der drei Alter­na­ti­ven Schwä­be, Ulreich und Pol­lers­beck inter­es­sie­ren. Kannst du die­se Daten nach­rei­chen?

    Außer­dem möch­te ich noch anmer­ken dass das Spiel eines Tor­hü­ters nicht nur durch die genann­ten Sta­tis­ti­ken erfasst wer­den kann. Die Spiel­eröff­nung ist eben­so wich­tig wie die Straf­raum­be­herr­schung. Und im Übri­gen kön­nen durch eine gute Straf­raum­be­herr­schung auch Tore früh­zei­tig ver­hin­dert wer­den, die damit gar nicht erst in der Sta­tis­tik auf­tau­chen.

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    • Hal­lo Ben­ja­min,

      Die hab ich lei­der nicht, da ich die Daten VON Flo­ri­an zur Ver­fü­gung gestellt bekom­men hab. Gera­de Ulreich und Pol­lers­beck haben aber auch 2019/20 kaum Spie­le gemacht und des­we­gen auch ne sehr dün­ne Daten­grund­la­ge.

      Klar ist auch, dass die Sta­tis­ti­ken nicht alles erklä­ren und dass zum Tor­wart­spiel nicht nur die Per­for­mance auf der Linie gehört. Aber eine ver­pass­te Flan­ke oder der Spiel­auf­bau füh­ren nicht so direkt zu einem Gegen­tor wie ein nicht gehal­te­ner Ball und mir ging es vor allem dar­um, Para­me­ter zu fin­den, die mög­lichst unab­hän­gig von der Leis­tung der Abwehr ist.

      Vie­le Grü­ße, Lenn­art

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  2. Bei einem jun­gen TW, der offen­sicht­lich nicht oft gro­ße Feh­ler macht, kommt es aus mei­ner Sicht haupt­säch­lich auf den TW-Trai­ner an. Schafft er es ihn bes­ser zu machen? Bei Ulreich hat das damals nicht so rich­tig funk­tio­niert. Er ist erst bei den Bay­ern so soli­de gewor­den, dass er plötz­lich für die WM 2018 ein The­ma wur­de. Und das sogar mit wenig Spiel­pra­xis. Ich hof­fe, dass Uwe Gos­po­da­rek das hin­be­kommt.

    Vie­le Grü­ße,
    Bernd

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